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130 Tote, 683 Verletzte

Islamistischer Terroranschlag am 13. November 2015 – der Tag, als sich in Paris das Tor zur Hölle öffnete

KLAUS KELLE
Die französische Staatsspitze heute vor dem „Bataclan“ in Paris

Heute gedenkt ganz Frankreich und alle Menschen, die es gut mit unserer westlichen Freiheit meinen, des furchtbaren Terroranschlags vor zehn Jahren in Paris. 130 Tote und 683 Verletzte, angegriffen an mehreren Schauplätzen im 10. und 11. Arrondissement und der Umgebung des Stade de France im Vorort Saint-Denis, wo an diesem Abend ein Freundschaftsspiel zwischen der französischen und der deutschen Fußball-Nationalmannschaft stattfand. Ähnlich wie beim 11. September 2001 in den USA weiß auch heute noch zumindest jeder Franzose, wo er oder sie waren, als sich die Nachricht wie ein Lauffeuer verbreitete, dass sich in der Seine-Metropole das Tor zur Hölle geöffnet hat.

80.000 Zuschauer im Stadion und Millionen Fußballfans in 66 Ländern live dabei verfolgten das Spiel, als um 21.17 Uhr ein lauter Knall außerhalb des Stade de France zu hören war – auch für die Fernsehzuschauer in aller Welt. Man wusste nicht sofort, was das war, aber gut klang das nicht. Gar nicht gut.

Einer der gut ein Dutzend islamischen Terroristen hatte eine Viertelstunde nach Anpfiff versucht, am Eingangstor D ins Stadion zu gelangen, doch ein Sicherheitsmann bemerkte, dass derjenige anscheinend eine Sprengstoffweste trug.

Angesprochen flüchtete und sprengte sich der Mann kurz darauf vor dem Stadion in die Luft. Dabei wurde ein Passant getötet.

Es war der Auftakt zu einer Todesnacht, wie sie Westeuropa seit 1945 nicht erlebt hatte

Parallel war ein anderes Team islamistischer Mörder in einem schwarzen Seat Leon im 10. Arrondissement unterwegs zur Kreuzung Rue Bichat und Rue Alibert. Dort feuerten sie mit Kalashnikow-Gewehren wahllos auf Passanten und die Gäste im Außenbereich vor einer Bar und auf ein kambodschanisches Restaurant. Dabei starben 15 Menschen. In aller Ruhe fuhren sie dann 400 Mater weiter. Sie schossen auf mehrere vollbesetzte Lokale, exekutierten Passanten, feuerten in einen Waschsalon und dann auf das italienische Restaurant „La Casa Nostra“.

Einer der IS-Mörder namens Ibrahim Abdeslam schlenderte ins „Café Comptoir Voltaire“ am Boulevard Voltaire. gab höflich eine Bestellung auf und sprengte sich dann mitten im Lokal in die Luft.

Am verheerendsten wüteten die islamistischen Killerkommandos im Musiktheater „Bataclan“ am Boulevard Voltaire 50 im 11. Arrondissement. Dort gastierte an dem Abend die amerikanische Rockband „Eagles of Death“ vor 1500 Musikfans, als die Angreifer mit Kalashnikows das Gebäude stürmten und zehn Minuten lang ununterbrochen mit ihren Schnellfeuergewehren in die Menge feuerten und Handgranaten warfen. Später zählte man 89 Tote allein an diesem Tatort.

Rund um den Terroranschlag im Bataclan ranken sich bis heute Verschwörungserzählungen

So behauptete etwa der Frontmann der „Eagles of Death“, der am 13. November 2015 auf der Bühne stand, er habe gesehen, dass offenbar arabische Security-Männer vor dem Konzert die IS-Mörder hereingelassen hätten. Bewiesen wurde das nie. Es machten auch Gerüchte von Verstümmelungen bei Opfern die Runde und von einer Muslima, die Security-Männer – angeblich um sie vor dem Blutbad zu bewahren – nicht ins Bataclan ließen. Auch das wurde nicht belegt.

10 Islamisten kamen ums Leben, laut Pässen französische, belgische und irakische Staatsbürger.

Nur Salah Abdeslam, ein „Belgier“, überlebte. Er wurde am 18. März 2016 in der berüchtigten Brüsseler Parallelgesellschaft-Gemeinde Molenbeek festgenommen. Wegen eines versuchten Polizistenmords im April 2018 wurde er später zu 20 Jahren Haft verurteilt. Der Prozess wegen der Anschlagsserie von Paris gegen Abdeslam und 19 weitere Verdächtige, die die Terrorzelle im Hintergrund unterstützt haben sollen, hat gerade begonnen.

Seit diesem 13. September 2015 ist Paris eine andere Stadt. Einiges von der berühmten Lebensfreude ist bis heute nicht zurückgekehrt. Restaurantbesitzer erzählen von Gästen, die ausdrücklich nicht draußen oder an Fenstern platziert werden wollen, viele Menschen gehen nicht mehr zu großen Veranstaltungen oder fahren nicht mehr mit der Metro.

In Kaufhäusern durchsuchen Detektive anlasslos die Taschen und Rucksäcke von Kunden, Soldaten patrouillieren an zentralen Punkt der Stadt.

Als der Sturm aufs Bataclan irgendwann nachts endete und Spezialeinheiten der Polizei die Lage unter Kontrolle gebracht hatten, kam François Molins, der französische Antiterrorstaatsanwalt, in den Konzertsaal – ging wieder raus, kam wieder rein, ging wieder raus, kam wieder rein, wie einer der Ermittler später erzählte. „Wir wateten durch Leichen – ineinander verkeilt, verschlungen oder aufeinanderliegend“, erzählte der Polizist. Und Molins erinnert sich im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) „Ich habe lange gebraucht zu verstehen, warum ich mir dreimal diese Hölle angesehen habe. Ich glaube, ich konnte einfach meinen Augen nicht trauen.“

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Klaus Kelle, Chefredakteur