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„Du bist Nazi“ – Über den Ausverkauf deutscher Debattenkultur

Die politische Streitkultur in Deutschland beschränkt sich immer häufiger auf reine Denunziation anderer.

von JULIAN MARIUS PLUTZ

BERLIN – Deutschland ist nicht nur Land der Dichter und Denker, sondern auch der Denunzianten und des Devotismus. Denunzianten, weil sich jeder Hanswurst bemüßigt fühlt, fremdes Fehlverhalten anzuprangern um dies wiederum jedem Fridolin unter die Nase zu reiben. Und Devotismus, weil der Deutsche in einer beinahe pathogenen Servilität und einer minutiösen Gründlichkeit jedem Zeitgeist unterwirft – sei er auch noch so absurd.

Devotismus heißt Unterwerfung. Deutsche lieben es, sich zu unterwerfen. Vor dem Dosenpfand, der Inflation und vor verengten Meinungskorridoren. Sie schauen auf zu Gate-Keepern, die die politisch korrekte Meinung vorgeben. Gate-Keeper sind Journalisten, die Recherche mit Haltung verwechseln. Deutsche lieben ihre Georg Restles, ihre Anja Reschkes und ihre Heribert Prantls. Außer, wie bei Prantl, wenn sie die Corona-Maßnahmen kritisieren.

Liebster Volkssport der Deutschen ist das „Du bist Nazi“ proklamieren. Der geneigte Leser wird das kennen. Sie sehen Probleme in der Integration? Nazi! Einwanderung um jeden Preis lehnen sie ab? Nazi-Nazi! Sie halten den Islamismus für eine Gefahr? Islamophober Nazi-Minusmensch! Man hat fast den Anschein, der eine oder andere Deutsche möchte sich und seine Familie, also die echten Nazis, im Nachgang reinwaschen. Persilschein für Opa Adolf. Denn es ist wie immer: Wenn alle Nazis sind, dann ist keiner überhaupt ein Nazi. Mit diesem rhetorischen Kniff schaffen sie die Quadratur des Kreises Laut dieser wirren Logik war das mit dem Dritten Reich ein historischer Ausrutscher – immerhin wurden Autobahnen gebaut.

Angriff des „woken Wächterrates“

Oftmals genügt es, einen Fakt anzusprechen, um in die politische Verdammnis gestoßen zu werden. So ergab eine kleine Anfrage der AfD Fraktion, dass jeder zweite Tatverdächtige einer Gruppenvergewaltigung keine deutsche Staatabürgerschaft besitzt. Zur Einordnung: Knapp 87 Prozent der in Deutschland Lebenden sind im Besitz eines deutschen Passes. Allein die Tatsache, dass jeder zweite Verdächtige eine Gruppenvergewaltigung ausländisch sei, ruft die Tugendwächter auf den Plan, die dann mit ihrer ganzen geballten intellektuellen Macht das Zauberwort rausschreien: „Nazi!“

Und wenn ich jetzt sage, dass seit 2015 Gruppenvergewaltigungen stark angestiegen sind, bin ich mir sicher, dass mich der woke Wächterrat als „Rassisten“ abstempelt. Es ist ein Armutszeugnis einer Gesellschaft, dessen Vorfahren für den präzedenzlosesten Massenmord menschlicher Geschichte verantwortlich ist. Sie verstehen nicht, dass sie mit dem inflationären Gebrauch des Wortes die Taten von damals relativieren und verharmlosen.

Unfähigkeit zum echten Diskurs

Deutsche leiden unter einem Geschichts-Knacks. Sie pflegen ihre Volkspsychose. Die Diagnose hört auf den Begriff: gespaltene Persönlichkeit. Einerseits traut sich kaum einer, das Wort „Jude“ auszusprechen, als wäre es ein Schimpfwort. Andererseits ist alles, was nicht links ist rechts. Und da rechts für viele gleichbedeutend mit rechtsextrem ist, ist der Diskurs hiermit beendet. Freiheitliche Gedanken? Rechts. Steuern sind Raub? NaziNazi! Im Spiel „Naziversenken“ ist jeder Schuss ein Treffer.

Sie tragen ihre Psychose auf dem Rücken der Opfer von Auschwitz-Birkenau aus. Sie sehen nicht, dass ihr Vokabelgebrauch Juden, Homosexuelle und Dissidenten des Dritten Reichs verhöhnen. Sie betreiben Geschichtsumschreibung mit betroffenen Mienen. Sie rufen „Nie wieder“ und kein „Fußbreit den Faschisten“, aber verhalten sich wie solche. Sie sind tief im Herzen degoutant.

Genau so denkt es im Land der Denunzianten und des Devotismus. Andere Meinungen werden als rechtsextrem gebrandmarkt, Menschen werden, weil sie zu anderen Erkenntnissen kommen, ausgesperrt. Der Diskurs wird unmöglich gemacht, konträre Sichtweisen sind nicht erwünscht. Das Deutsche Drama endet in der Unfähigkeit zum konstruktiven Streit. Sie sind intellektuell überfordert, mental und emotional ausgedünnt wie lichte Haare. Sie hassen sich selbst und projizieren ihren Hass auf andere. Deutscher, warum liebst du dich und dein Land so wenig?

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Klaus Kelle, Chefredakteur