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Der Bub ist irgendwie immer dabei

«Dürfen unsere Bundeswehr dabei nicht schwächen»: Christine Lambrecht. Foto: Christophe Gateau/dpa

von THILO SCHNEIDER

BELIN – Da sitzt er da, brav gekämmt, mit Rolli und Windjacke, in der zweiten Reihe, neben Mama: Der in der Verfassung nicht vorgesehene Sohn der Verteidigungsministerin besucht mit seiner Mutter den ökumenischen, nichtsdestoweniger ökonomischen Gottesdienst zu den Feierlichkeiten am Tag der Deutschen Einfalt im Mariendom zu Erfurt. Bevor es an die kostenlosen Häppchen geht. Wo es Gratisflüge, Gratisreisen oder Gratisamusement gibt, sind der Alexander und seine Mama nicht weit. Sondern zum Abgreifen nah.

Nun verstehe ich ja, dass Christine Lambrecht ihren Ehemann nicht mitbringen kann, weil sie keinen hat, aber andere Spitzenpolitiker kamen wohl solo, obwohl sie durchaus in der Lage gewesen wären, ihren Partner mitzuschleppen. Aber ich habe auf keinem einzigen Foto wenigstens Bodo Ramelows verdammten Hund gesehen, und der hätte es wahrlich verdient, ein paar Reste vom großen Buffett abzugreifen. Nein, nur den Alexander. Der Alexander, der ist immer dabei. An Mamas Rockzipfel.

Gut, Verteidigungsministerin und Mutter gleichzeitig ist wahrlich kein leichter Job, und irgendwo muss ja auch die Work-Life-Balance stimmen, aber ich habe NOCH NIE gesehen, dass die Außenministerin und ebenfalls Mutternde seiende Annalena ihre beiden Töchter buchstäblich durch die Weltgeschichte geflogen hätte. Wobei diese auch noch in einem Alter sind, in dem sie sich an das Verbot „keine Partys, während ich weg bin“ halten. Da ist der Alexander schon ein ganz anderes Kaliber. Der ist 22 Jahre alt. Da könnte es schon rund gehen, während Mama in der Ukraine oder im NATO-Hauptquartier lecker vom Buffett nascht.

Da ist es wahrscheinlich wirklich sinnvoller, sie nimmt den Filius einfach mit auf Dienstreise, damit daheim die Wohnungseinrichtung heil bleibt. Falls Alexander so viele Freunde hat, dass er wilde Partys schmeißen könnte. Andererseits hat er Mama sicher lieb und sitzt deswegen bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit auf ihrem Schoß und lässt sich mitbedienen, wenn die Champagnergläser klirren. Wer wollte es ihm auch verdenken? „Es dauert, solange es dauert“, hat Letizia Bonaparte ihrem Sohn Napoleon immer wieder gesagt, wenn der sich mal wieder beschwerte, dass er keinerlei Unterstützung von seiner mit Königreichen gemästeten Verwandtschaft bekäme – da ist es dann schon völlig korrekt, wenn Alexander der Kleine gemeinsam mit Mama zugreift, wo es nur geht.

Es könnte ja schon morgen sein, dass der Bundesscholzler seiner Verteidigungsministerin das „volle Vertrauen“ ausspricht und sie als Vorständin zur Arbeiterwohlfahrt oder an die Spitze der Agentur für Arbeit ausgewechselt wird. Da gibt es dann zwar immer noch lecker Dienstwagen, aber das Thema „Fly Bundeswehr to your favoured destinations“ hätte sich für den Alex vorerst erledigt. Wahrscheinlich. Wenn nicht Mama noch irgendwelche Vorwände einfallen, sich das Leben auf Kosten der Steuerzahler schön geschmeidig zu gestalten. Oder er das triste Tarnfleck der transinkludierenden Heimwehr trägt.

Ich frage mich nur, was er so macht, der Alexander. Also: Außer Selfies. Daddelt er auf dem Handy „Candy Crush Saga“ oder guckt sich nackige Weiber an, während Mama mit irgendeinem Wolodumirsoichdir über vier Panzerhaubitzen verhandelt oder wortreich und armwedelnd den Tschechen erklärt, warum Deutschland beim besten Willen keine Leos für die an die Ukraine ausgeliehenen T-72 liefern kann? Macht er einen Stadtbummel durch Brüssel mit Mamas Platin-Card, während die irgendeinen Unsinn im NATO-Hauptquartier zum Besten gibt?

Falls sie die hereinlassen? Wie lebt es sich so, als Sohn einer der seltsamsten Verteidigungsministerinnen, die eine Nation jemals hatte? Wie ist das so, in der Disco trotz Lokalrunden als Muttersohn ohne Funktion und als Mitesser zu gelten? Ist das für einen jungen Mann nicht furchtbar schädlich? Oder wenigstens schändlich?

Andere sind mit 22 mit dem Studium oder der Berufsausbildung fertig und stehen mit beiden Beinen im Leben, zahlen Steuern und Krankenversicherung und bauen sich ihr Leben auf. Alexander Lambrecht ist lieber bei Mama. Die vermisst ihn sonst so. Und ich kann mich nicht der Vision erwehren, dass sie ihm am Ende der rauschenden Ballnacht im hochfeudalen China-Club im Adlon-Kempinski Berlin zu Ehren seines Geburtstags noch einen Gute-Nacht-Kuss auf die Wange schmatzt und eine Geschichte vorliest. Just like in old times, Alexander. So sind sie halt, die Lambrechts, die Christine und der Bub. Unzertrennlich.

Wie das mit den Pflichten und dem Arbeitspensum einer Verteidigungsministerin – erst recht in derartigen Krisenzeiten – zusammengeht, wissen die Götter und Olaf Scholz. Sollte es aber über der Hauptstadt einen Blitz mit einer guten Portion Strontium 90 geben – wir dürfen sicher sein, bei den mutmachenden Bildern aus dem Atombunker der Regierung wird er verschmitzt aus der zweiten Reihe grinsen, der in der Verfassung nicht vorgesehene Sohn der Verteidigungsministerin. Es dauert, solange es dauert.

(Weitere Schauermärchen des Autors unter www.politticker.de)

Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

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Klaus Kelle, Chefredakteur