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Der Fall Hensel: Wenn andere Meinungen nicht mehr gewollt sind

von FELIX HONEKAMP
Über Menschen wie Gerald Hensel und seine Unterstützer kann ich mich leidenschaftlich aufregen. Dass er, neuerdings nicht mehr „Executive Strategy Director Digital“ bei der Werbeagentur Scholz & Friends, eine private Initiative „#keingeldfürrechts“ ins Leben gerufen hat, ist sein gutes Recht. Freie Meinungsäußerung eben. Dass Werbekunden Anzeigen bei konservativen Blogs und Portalen wie der „Achse des Guten“ oder „Tichys Einblick“ stornieren, ist wiederum deren gutes Recht. Es gibt, das Argument hört man immer wieder in den vergangenen Tagen, kein „Recht auf Werbung“. Umgekehrt richten sich derartige Aktionen von einflussreichen Menschen – aus dem Privaten wie Hensel aber auch aus der Politik wie Kahane und Maas – immer gegen eine bestimmte politische Richtung, die damit mundtot gemacht werden soll. Das alles ist keine Zensur im engeren Sinne, es ist schon gar nicht rechtlich verboten, aber es schränkt nicht nur die Möglichkeiten der Meinungsäußerung ein, es schränkt vor allem die Möglichkeiten der Meinungsbildung ein. Wenn es in Deutschland eines Tages nur noch „linksdrehende“ Magazine, Fernsehsender und Portale geben sollte, ist der Punkt erreicht, wo eine Radikalisierung all derer zu erwarten ist, die sich nicht mehr repräsentiert fühlen. Da nutzt es wenig, darauf hinzuweisen, dass die Aktionen eines Gerald Hensel rechtlich nicht zu beanstanden wären, dass Facebook – mit sanftem Druck und unter mehr oder weniger subtilen Drohungen aus der Politik – als Unternehmen natürlich selbst entscheiden können sollte, welche Beiträge es zulässt und welche löscht.

Am Ende ist das, was wir in den vergangenen Tagen um Hensel, Scholz & Friends, der „Achse des Guten“ und weiteren beobachten konnten, ein Symptom: Das Symptom eines Umgangs miteinander, der die andere Meinung nicht mehr nicht nur in Betracht ziehen möchte, sondern sie komplett unterdrücken will. Es ist am Ende eine Frage der Wahrheit und mangelnder Demut: Wenn meine Sicht der Dinge die unumstößliche Wahrheit ist, dann müssen alle anderen Sichten falsch sein. Dann führen sie in die Irre und schaden; sie schaden der Gesellschaft, sie schaden den Menschen, sie schaden dann auch mir. Und wenn meine Sicht der Dinge wahr ist, dann ist es auch gar nicht notwendig, sich mit anderen Sichten auseinanderzusetzen. Den anderen zu überzeugen zu versuchen, ist dann nur noch eine persönliche Nettigkeit, im Fokus steht die Bekämpfung der vermeintlichen Unwahrheit, die nicht einmal mehr geäußert werden sollte. So funktionieren Ideologien.

Gerald Hensel verliert gerade seinen Job, die Achse des Guten hat eine Vielzahl ihrer Werbekunden verloren, in den einschlägigen Foren geht es seit Tagen um nichts anderes als darum, wie man es den Hensels, Kahanes und Maas dieser Welt heimzahlen kann. Derweil leidet das Land unter existenziellen Krisen, von denen die Probleme mit Migranten und Flüchtlingen nur ein Teil sind. Da wäre es doch sinnvoll, alle Sichten zu sehen, alles zu prüfen  und das Gute zu bewahren, wie es schon der Apostel Paulus in seinem Brief an die Thessalonicher empfohlen hat. Wir müssen uns mental wieder in die Lage versetzen, mit den Anderen ins Gespräch zu kommen, immer unter der Prämisse, dass der andere vielleicht auch (mindestens in Teilen) Recht haben könnte. Das hat nichts mit mangelnder eigener Überzeugung aber viel mit der Einsicht in die eigene Unvollkommenheit zu tun. So, und nicht anders funktioniert nämlich eine freie Gesellschaft, die wir bewahren wollen und auf die wir zu Recht noch stolz sein können. Darum gilt, nebenbei egal aus welcher politischen Richtung: Wer dem Anderen von vorneherein abspricht, Recht haben zu können, dessen Meinungen mit Tricks und Fouls bekämpft und sie aus dem Diskurs zu verdrängen versucht, sollte besser nicht das Wort im Munde führen, unsere freiheitliche Gesellschaft schützen zu wollen.

Der Anspruch ist hoch, wer wollte von sich behaupten, daran nicht auch mal zu scheitern. Aber billiger ist Freiheit nicht zu haben.

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Klaus Kelle, Chefredakteur