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Der Fall Julian Reichelt: Das ist noch nicht das Ende, Herr Kollege!

Liebe Leserinnen und Leser,

nun hat es Julian Reichelt also auch erwischt. Irgendwie war es abzusehen, dass jemand, der mit solchem Mut und großer Professionalität gegen den weichgespülten Mainstream unserer Zeit anschreit, irgendwann dafür einen Preis bezahlen wird. Das ist halt so im angeblich so bunten, vielfältigen und toleranten Deutschland. Sie schießen Politiker weg, wenn sie nicht mehr mittanzen wollen. Welche, die ihnen nicht existenziell gefährlich werden könne, lassen sie gewähren. Es muss ja nach Demokratie und Meinungsfreiheit aussehen.

Die AfD, die – bei allem, was zu kritisieren ist – konsequent Opposition im Bundestag betreibt, lassen sie gewähren. Weil sie so, wie sie jetzt ist, für niemanden ein Kooperationspartner ist und nicht den Hauch einer Machtperspektive besitzt, auch nicht mit fünf Millionen Wählern im Rücken. Und uns alternative Medien lässt man auch machen. Roland Tichy hat viele Leser, Boris Reitschuster auch und andere. Wir sind kleiner aber auch feiner, und ein paar Zehntausend Leser erreichen wir hier an jedem Tag auch locker.

Aber Julian Reichelt, das ist, das war Champions League. Er erreichte jeden Tag mit bedrucktem Papier, online und BILD TV Millionen Deutsche. Jeden Tag! Wenn sich so ein Mann, der mehr Macht hat als viele Politiker (denken Sie an Kai Diekmann und Christian Wulff!), plötzlich darauf besinnt, was sein Job ist, dann erregt er den Unmut der Mächtigen. Und das hat Julian Reichelt zweifellos, Unmut erregt im Kanzleramt und bei den Parteien und Machtzentren in Berlin und Deutschland. Einfach, weil er es kann bzw.konnte.

Wie alle Journalisten in Deutschland, die des Englischen mächtig sind, habe ich gestern Morgen den langen Artikel aus der New York Times über Springer, BILD und Reichelt gelesen. Und das war nicht schön, was da über den BILD-Chef zu lesen war. Er soll seine Macht im Hause ausgenutzt, Privates mit Dienstlichem vermischt haben. Das sehen besonders Konzerne nicht gern. Compliance wird da überaus ernst genommen, und sogar der Vorstand eines Milliardenkonzerns beschäftigt sich dann damit, wenn in der Chefetage geschnackselt wird. Andererseits, wo denn sonst, wenn Sie mal ernsthafte Untersuchungen nachlesen?

Das Businessportals „Careerbuilder“ hat herausgefunden, dass sich rund 30 Prozent, also fast ein Drittel aller Paare, am Arbeitsplatz kennen und lieben lernen. Auch meine spätere Ehefrau stand eines Tages in unserer Redaktion in Freiburg und fragte, ob sie drei Wochen ein Praktikum absolvieren dürfe in meiner Redaktion. Aber gut, das fällt nicht unter Compliance. Hier soll es um Abhängigkeiten gehen,und die sind nicht erlaubt. Ich kann und will das auch nicht beurteilen, nur: Julian Reichelt ist ein Ausnahmejournalist, ein Profi, wie er sein muss. Nicht zuletzt begann seine Karriere als Kriegsberichterstatter. Er war in Afghanistan, im Sudan, im Irak und dem Libanon. In Ländern, wo es bisweilen heiß ist. Und er hat seinen Job gemacht, nicht in irgendeiner warmen Schreibstube, sondern draußen.

Reichelt hat aus BILD die – nach meiner Meinung – beste deutsche Tageszeitung gemacht und mit BILD TV ein Fernsehformat geschaffen, nach dem man ARD und ZDF spätestens jetzt geschlossen nach Hause oder auf die Weide schicken kann. Reichelt ist ein Ausnahetalent, einer von der Art, die ich bewundere. Und glauben Sie mir, da gibt es im Grunde nur zwei. Ich verehre meinen Kollegen und Freund Matthias Matussek, weil er an manchen Tagen und bei manchem Themen, wenn er gut drauf ist natürlich, so brillante Texte schreibt, dass man auch als halbwegs talentierter Autor wie ich nicht weiß, ob man vor Freude weinen oder niederknien möchte. Und Reichelt ist eben als Reporter und Blattmacher jetzt schon eine Legende für mich. Eine lebende, auch wenn jetzt viel Hass im Netz über den Mann aus Hamburg ausgeschüttet wird. Nicht, weil da auch nur einen die Complianceregeln bei Springer interessiert. Das linke Juste Milieu hat ihn wochenlang gejagt in den Netzen, und nun wollen sie mit ansehen, wie ihm der Todestoß versetzt wird, und der Speichel läuft ihnen aus den Mundwinkeln dabei.

Ich habe Julian Reichelt im Februar 2019 kennengelernt, in seinem Büro oben im Springer-Hochhaus in Berlin. Auf dem Tisch ein Aschenbecher, übervoll mit abgebrannten Kippen. „Herr, Reichelt, ist hier im Haus nicht Rauchverbot?“, wollte ich zum Einstieg wissen. Und er antwortete kurz: „Ja“, und zündete sich die nächste an. Wir plauderten ein paar Minuten über dies und das, als ein Redakteur hereinkam und uns unterbracht um mitzuteilen, dass soeben der frühere Schalke-Manager Rudi Assauer verstorben sei. Reichelt und ich guckten uns an und ich stand auf: „Wir machen einen neuen Termin…“ Wenn bei einer erfolgreichen Boulevardzeitung so eine Nachricht hereinplatzt, dann ist der gemütliche Teil einfach vorbei, da gibt es gar nichts mehr darüber zu reden. Das weiß ich aus meiner eigenen Zeit als Leitender Redakteur bei BILD in NRW zwischen 2001 und 2007. Es war ein Erlebnis bei BILD zu arbeiten und für einen Vollblutjournalisten auch eine Ehre.

Julian Reichelt und ich waren nie Buddys, wir haben nie betrunken irgendwo in einer Spelunke an einer Bar gelehnt. Wir kennen uns, und zumindest ich kann sagen: Ich schätze sein Gespür für Themen und seine Professionalität sehr. Und ich hoffe, dass es das jetzt noch nicht gewesen ist. Jeder kann hinfallen, aber man darf auf keinen Fall liegenbleiben. Schon wegen all der dümlich-hämischen Hater auf Twitter.

Alles Gute, Herr Kollege! Bis später mal wieder!

Mit herzlichgen Grüßen,

Ihr Klaus Kelle

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Klaus Kelle, Chefredakteur