Freiheit ist nichts, das uns die Regierung großzügig gewähren muss – Freiheit IST
von FELIX HONEKAMP
Der Mensch ist in Freiheit geboren – als Christ würde ich formulieren: in Freiheit von Gott geschaffen. Aber auch wer nicht an Gott glaubt, kann die Überzeugung teilen: Der „Auslieferungszustand“ des Menschen ist der der Freiheit. Das heißt nicht, dass es nicht auch Abhängigkeiten gäbe, die einem unangenehm sein können: Wir sind in ein Umfeld hineingeboren, das bestimmte Optionen nicht ohne weiteres offen lässt. Und mit jeder Entscheidung die wir treffen, entscheiden wir uns gegen andere und für daraus resultierende Konsequenzen. Zusätzlich findet die Freiheit auch noch ihre Grenzen – so die Überzeugung all der Menschen, die an einer konstruktiven Zusammenarbeit interessiert sind – dort, wo sie die Freiheit anderer Menschen einschränkt. Aber das vorweggeschickt: Der Mensch ist frei!
Das ist deshalb so wesentlich, weil man ab und zu meinen könnte, die Freiheit sei etwas von einer Regierung Zugestandenes, das diese auch ohne weiteres wieder entziehen könne. Die Diskussionen um Meinungsfreiheit, Hatespeech und Fakenews haben ein erschreckendes Freiheitsverständnis einiger Politiker zutage gefördert, das aufmerken lässt. So hat Volker Kauder, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, einen Gastbeitrag in der Welt überschrieben mit „Wenn das Netz weiter lügt, ist mit Freiheit Schluss“. Was für eine Arroganz der Macht, was für ein Machbarkeitswahn auf Kosten der Freiheit! Und die parteiübergreifend erhobenen Forderungen nach einer Sanktionierung unangenehmer Meinungen und Positionen – nur unzureichend kaschiert als das Verbot von „Fakenews“ – macht deutlich, dass es sich bei Kauders Forderungen eben nicht um die Einzelmeinung eines überforderten Bundestagsmitglieds handelt, sondern um eine generell in der Politik herrschende Meinung: Freiheit wird zugestanden und – wenn es der Allgemeinheit (bzw. den eigenen Interessen) dient – auch wieder einkassiert.
Da unterscheiden sich nebenbei die politische Linke und Rechte im Kern nicht voneinander, sie sind im politischen Tagesgeschäft sowieso kaum noch voneinander zu unterscheiden. Lediglich die „Steuerungsrichtung“ ist eine in Nuancen andere. Wenn heute Konservative und Liberale vermeintlich auf der gleichen Seite stehen, dann hat das mehr mit den Machtverhältnissen im Land zu tun, deren Waage derzeit (noch) zugunsten der Linken ausschlägt, als mit tatsächlich gemeinsamen freiheitlichen Überzeugungen. Mit Blick auf das Jahr 2017, die in Aussicht stehenden Entwicklungen, vor allem die anstehenden Wahlen bis hin zur Bundestagswahl im Herbst, gilt es daher, ein besonderes Augenmerk auf die Verteidigung der Freiheit zu legen.
Der islamistische Terror hat sich kurz vor Weihnachten in Berlin mit Macht zurück gemeldet. Es wird sich zeigen, wie sich die Sicherheitssituation in Deutschland in den kommenden Monaten entwickelt und – vor allem – wie die Politik darauf reagiert. Geht es an die Freiheit der Bürger, um Sicherheit „herzustellen“? Derzeit ist nicht absehbar, dass sich an Flüchtlings-, Migrations- und Integrationspolitik durch die bestehende Regierung wesentliches ändern wird. Stattdessen setzt man auf gesteigerte Sicherheitsvorkehrungen und gibt dabei unumwunden zu, dass „wir“ unter diesen Bedingungen mit dem Terror leben lernen sollten. Abgesehen also davon, dass die radikale Wendung in der Flüchtlingspolitik im September 2015 nie demokratisch legitimiert war, zeitigt diese jetzt nicht nur Terrorrisiken sondern in deren Folge auch Einschränkungen der individuellen Freiheiten. Die intensiven Polizeikontrollen vor der Christmette im Kölner Dom oder die diversen Verbote und Sicherheitsvorkehrungen für die Silvesternacht sind ein Symbol dessen.
Darüber hinaus besteht bei nicht wenigen die Tendenz, sich bestimmter Meinungsäußerungen lieber zu enthalten, um nicht als Populist oder gar Rechter abgestempelt zu werden. Dieser sich selbst verstärkende Effekt – Elisabeth Noelle-Neumann sprach von der „Schweigespirale“ – könnte sich trotz gegenläufiger Effekte durch neue Parteien und Bürgerinitiativen immer weiter durchsetzen. Das macht nicht nur die Wahlergebnisse 2017 wenig vorhersehbar sondern führt auch zu einer faktischen Einschränkung der Freiheit, ohne das ein Gesetzgeber überhaupt eingreifen müsste. Von dort erhält die Schweigespirale allerdings Schützenhilfe, wie sie in der Unterstützung von „Denunziationsorganisationen“ wie der Amadeu-Antonio-Stiftung zum Ausdruck kommen.
Zu schlechter Letzt sind Wahljahre auch immer Saison für allerlei gutgemeinte Wohltaten für das Volk, die von anderen finanziert und durch Aufgabe ihrer finanziellen Freiheit gesponsort werden müssen. Darum gilt in Summe: Jede angeblich die Gesellschaft beruhigende Maßnahme, jede politische Entscheidung, deren Konsequenzen durch einen Teil der Allgemeinheit zu tragen sind, jeder steuernde Eingriff der Politik in die private und privatwirtschaftliche Lebensführung, jede versprochene soziale „Wohltat“ – alles das stellt nichts anderes dar als eine Einschränkung der Freiheit, für die man sich seitens der Politik über Wahlen die Legitimation abholt. Die Frage, die sich jeder freiheitsliebende Mensch darum stellen muss ist: Will ich dieses Spiel mitspielen, meine eigene Freiheit und die Freiheit Anderer weiter einschränken lassen? Gebe ich der Politik die Legitimation, meine Freiheit als disponibel zu betrachten, empfinde ich die Freiheit als Geschenk der Regierung, für das ich dankbar sein sollte? Oder bestehe ich darauf, als freier Mensch geboren zu sein, der seine Freiheit mit Zähnen und Klauen verteidigen wird?
Deutschland, die Welt, aber auch die einzelnen Menschen stehen vor gewaltigen Herausforderungen. Die Frage ist, ob wir diese durch freiheitseinschränkende Maßnahmen der Politik nur scheinbar lösen oder ob wir in Freiheit gemeinsam an einer echten Lösung arbeiten werden? Das ist die entscheidende Frage für 2017. Ich mag die Hoffnung nicht aufgeben, dass sich die Freiheitsliebe durchsetzen wird, aber ich bin skeptisch, dass die Freiheit als Wahlkampfthema taugt in einem Land, in dem fast jede private Entscheidung in einem gesetzlichen Korsett steckt. Aber vielleicht sind es auch kleine Schritte, die der Freiheit wieder auf die Beine helfen? Und vielleicht machen wir bei aller Individualität und unterschiedlichen Interessen gemeinsame Sache für die Freiheit? Dafür wünsche ich uns allen ein frohes und gesegnetes Jahr 2017 – mit wenigstens ein bisschen mehr anstatt weniger Freiheit als im Jahr zuvor!
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Klaus Kelle, Chefredakteur