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Immer nur dagegen – das nervt

KLAUS KELLE

Guten Morgen, liebe Leserfinnen und Leser!

Das deutsche Sommermärchen 2024 hat begonnen. Für mich/uns auf der Terrasse einer Tanzschule in Dalgow-Döberitz im Havelland. Ich hatte eigentlich vor, mit Freunden nach Berlin in die Fußballkneipe „Tante Käthe“ im Prenzlauer Berg zu fahren, doch durch einen Krankheitsfall kam die Runde nicht zusammen, und ich plante um.

Am Morgen hatte ich mir im „Kaufland“ schon eine schwarz-rot-goldene Autofahne besorgt, und über Google hatte ich erfahren, dass im Umkreis verschiedene private Public Viewings stattfinden, zwei davon vor Pizzerien. Und als patriotischer Fußballfreund bin ich der Überzeugung, dass deutsche Fußballkunst und Pizza Tonno nicht kompatibel sind. Kurz haben wir noch überlegt, einem Freund in einer Kneipe in Werder beim Rudelgucken Gesellschaft zu leisten. Aber, hey, Dalgow-Döberitz – warum denn nicht?

Rund 250 Leute waren da, es gab Allgäuer Hefeweizen und Rostbratwurst im Brötchen – natürlich mit Bautzener Senf. Was denn sonst?

Über die Hälfe der Anwesenden trugen weiße oder schwarze Deutschland-Trikots, zwei hatten sich für Pink entschieden. Ein bisschen Schwund ist immer.

Was soll ich sagen? Während man sich auf Facebook gegenseitig versicherte, für Schottland zu sein – zweifellos ohne auch nur den Namen eines einzigen schottischen Spielers zu kennen – lief hier mit unseren ostdeutschen Landsleuten alles reibungslos. Als auf dem Großbildschirm die deutsche Hymne erklang, standen alle auf und sangen auf der Terrasse der Tanzschule in Dallgow-Döberitz aus voller Brust „Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland“. Ich lege dabei immer meine rechte Hand aufs Herz. Das hat mich früher schon mal rechte Freunde gekostet, weil das ist ja so ein „Ami-Scheiß“. Ich mache es trotzdem, und entdeckte einige andere, die es verstohlen auch machten. Sicher alle ferngesteuert wie ich mit Chips von Bill Gates im Kopf.

Es war ein bisschen kühl draußen, sicher wegen des heißesten Junis seit 150 Millionen Jahren, aber es fühlte sich gut an

Ich liebe diese Gelegenheiten, wo Patriotismus ganz ungezwungen und natürlich ist in Deutschland. Und ich käme selbst unter Drogeneinfluss nicht auf den Gedanken, am Tag eines internationalen Turniers auf deutschen Boden beim ersten Auftritt der deutschen Mannschaft zu bekennen, ich sei aber für den Gegner. Einfach weil irgendwie dagegen. Oder wegen Frau Faeser oder Herrn Rüdiger, der übrigens kräftig die deutsche Nationalhymne mitsang. Nicht, dass Sie mich falsch verstehen: ein Islamistenfreund hat im deutschen Nationaltrikot nichts zu suchen – auch wenn er ein klasse Spieler ist.

Aber es ging gestern um Deutschland, unser Land. Wir sind Gastgeber, wir stellen unser Land der Welt da draußen vor. Wir wollen ein perfektes Sportereignis bieten, das in Erinnerung bleibt. Mit einer Nationalmannschaft, die zeigt, was sie drauf hat. Deutsche Tugenden und so.

Wenn Ihr keine Lust habt, dann zieht Euch in den Keller zurück und muffelt vor Euch hin! Seid nächste Woche für Ungarn wegen Orban und danach für die Schweiz wegen der Schwarzkonten russischer Oligarchen. Ich habe gestern Abend beschlossen, ich werde mir ein Trikot unserer Nationalmannschaft kaufen, kann ja sein, dass das Turnier noch lustiger wird. Es wird nicht pink sein, das verspreche ich Ihnen. Wahrscheinlich werde ich den Namen von Toni Kroos draufpflocken lassen.

Auf gar keinen Fall werde ich mir die gute Laune verderben lassen und mich einem albernen Selbsthass auf das eigene Land hingeben, den es so nirgendwo auf der Welt gibt.

Mit sportlichen Grüßen,

Ihr Klaus Kelle

 

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Klaus Kelle, Chefredakteur