Joana Cotar: Wer Abgeordneter werden will, muss vorher gearbeitet und Steuern bezahlt haben
Die als Deutsch-Rumänin in Pistesti (Rumänien) geborene und seit ihrem 5. Lebensjahr in Deutschland lebende Politikwissenschaftlerin und Germanistin (Studium Universität Mannheim) Joana Cotar wurde im Jahr 2017 erstmals für die AfD in den Deutschen Bundestag entsandt. Nach der Bundestagswahl 2021 zog sie erneut in den Bundestag ein. Am 21. November 2022 trat Cotar aus der AfD und aus der AfD-Bundestagsfraktion aus und ist seitdem fraktionslose Abgeordnete. Sie begründete ihren Schritt damit, dass die AfD als Partei „zu viele rote Linien überschritten habe“. Was für sie die „roten Linien“ waren, darüber sprach Janina Schäfer mit Joana Cotar.
Frau Cotar, Sie waren nach Ihrem Studium der Politikwissenschaft und Germanistik erfolgreiche Eventmanagerin bei großen Finanzinstituten und 2016 als mittelständische Unternehmerin im Bereich Projektmanagement selbstständig tätig. 2013 sind Sie Mitglied der AfD geworden. Was waren seinerzeit ihre Gründe, sich in der AfD zu engagieren?
Ich war schon immer politisch. Zuerst in der CDU. Als Studentin habe ich aber gemerkt, dass das nicht meine Partei ist. Danach habe ich die FDP gewählt. Das Programm von Westerwelle war gut. Nur die Politik der Partei war eine bittere Enttäuschung. Dann habe ich in der Fußgängerzone von Frankfurt meine eigenen Flyer verteilt: „Gegen eine Politik, die uns nicht zuhört.“ Der zentrale Satz hieß: „Nichts ist alternativlos.“ Bis 2013 dachte ich, ich sei mit meiner Kritik allein. Doch dann tauchten Professor Lucke und die AfD auf. Nach der Lektüre seiner Ideen, bin sofort eingetreten und habe die Partei mit aufgebaut.
Innerhalb der AfD sind Sie die Karriereleiter sehr schnell nach oben geklettert und im Jahr 2017 über die Landesliste Abgeordnete des Deutschen Bundestages geworden. Im November 2022 erklärten Sie Ihren Austritt aus der AfD, haben Ihr Bundestagsmandat aber als fraktionslose Abgeordnete behalten. Warum haben Sie der AfD den Rücken gekehrt?
Ich bin ein konstruktiver, freiheitlich-konservativer Mensch. Mit einem klaren Kurs und deutlichen roten Linien. Das ist vielen Parteipolitikern fremd, weil sie finanziell auf ihr Amt oder Mandat angewiesen sind. Das war bei mir nie der Fall. Die AfD habe ich verlassen, weil sie ihren ursprünglichen Kurs geändert und dabei meine roten Linien überschritten hat. Die Ziele der Gründer – Freiheit, Unabhängigkeit, Rechtsstaatlichkeit, der schlanke Staat und Eigenverantwortung der Bürger – wurden in den Hintergrund gedrängt.
Können Sie ihren Austritt aus der AfD, neben den von Ihnen geschilderten Gründen, auch an Personen festmachen?
Ich bin vor allem von der heutigen Parteiführung enttäuscht, die den beschriebenen Wandel gefördert hat. Letztlich, weil sie so ihre Posten sichern konnten. Die Mitgliederstruktur und damit die Mehrheitsverhältnisse auf den Parteitagen haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verändert. Das klassische bürgerliche Klientel hat sich mehr und mehr von der AfD abgewandt, weil Strömungen in der Partei geduldet wurden, die normale Leute vergrault und dem linken Lager die Argumente für immer mehr Ausgrenzung geliefert haben.
War auch die Anbiederung von Teilen der AfD an die diktatorischen und menschenverachtenden Regime in Russland und China mit ein Grund für Ihren Parteiaustritt? Ist es so, dass führende Funktionäre der AfD für die angesprochenen Länder Lobbypolitik betreiben oder betrieben haben?
Diese Lobbypolitik und ideologische Anbiederungen gibt es und sie sind fatal. Denn heute wechseln in der AfD zahlreiche Opportunisten ihre Positionen wie Socken. Diese Leute sind natürlich anfällig für alle möglichen Einflüsse. Denn sie verfolgen nur ein Ziel: Ein Amt oder Mandat. Ich aber bin nicht käuflich. Weder vom extremen rechten Rand noch von diktatorischen oder menschenverachtenden Regimen wie Russland, China oder dem Iran.
In einem Twitter-Beitrag kritisieren Sie die Rundum-Alimentierung von Migranten durch den deutschen Staat. Dies verwundert insofern, weil Sie in Rumänien das Licht der Welt erblickt haben und später dann mit Ihren Eltern nach Deutschland gekommen sind.
Meine Mutter ist Deutsche, mein Vater Rumäne, und ich bin in Rumänien geboren. Wir sind damals mit fast nichts nach Deutschland gekommen. Doch meine Eltern haben nichts gefordert, sie haben angepackt und gearbeitet. Sie haben Steuern gezahlt, sich ein Leben aufgebaut und uns Kindern beste Startchancen geboten. Integration ist eine Bringschuld. Man muss dazugehören wollen. Dem Land, das einen aufnimmt, nicht auf der Tasche zu liegen, ist dabei eine Selbstverständlichkeit. Mehr noch: Wenn man in ein fremdes Land einwandert, sollte man sich noch mehr anstrengen als die Einheimischen. Und dann sollte man irgendwann auch mal Danke sagen und dem Land etwas zurückgeben.
Auf Ihrer Homepage ist zu lesen, dass Parteien nicht mehr unbedingt das geeignete Mittel seien, um wirkliche Veränderungen herbeizuführen. Was wäre denn die Alternative?
Bei Wahlen sollten freie Listen antreten – mit Fachleuten besetzt. Wer Abgeordneter werden will, sollte fünf Jahre gearbeitet und Steuern gezahlt haben. Parlamentsmandate oder Regierungsämter sollten auf zwei Legislaturperioden begrenzt werden. Diäten könnten an das vorherige Einkommen gekoppelt werden, mit einem Zuschlag von maximal 20 Prozent. Die Parteienfinanzierung müsste massiv zurückgefahren und Parteistiftungen abgeschafft werden. Und wir bräuchten Volksabstimmungen nach Schweizer Vorbild, um eine Regierung zu disziplinieren.
Auf Ihrer Homepage ist das Schlagwort „Mehr Demokratie wagen“ zu lesen. Eine Formulierung, die auch seinerzeit Willi Brandt gebraucht hat. Was möchten Sie zum Ausdruck bringen?
Wir müssen den Menschen wieder mehr zutrauen. Sie sind keine unmündigen Kinder, denen alles nur vorgesetzt wird. Es ist unerträglich, dass kritische Bürger von Politikern beschimpft und oft einfach in die rechte Ecke gedrängt werden. Das war so in der Corona-Pandemie und zuletzt bei den Bauernprotesten. Sogar der Bundespräsident hat da mitgemacht. Das ist genau der falsche Weg. Was wir brauchen, ist mehr Freiheit und Eigenverantwortung. Jeder muss die Möglichkeit haben, für sich zu entscheiden und direkt Einfluss auf die Politik zu nehmen und zwar nicht nur alle vier Jahre.
Weiterhin fordern Sie eine „Politik mit Qualitätssicherung“. Was genau verbirgt sich hinter dieser Forderung?
Wir brauchen Politiker, die wissen, was sie tun. Die eine Grundausbildung für ihren Beruf haben. Die normal gearbeitet haben, bevor sie in die Politik gegangen sind. Wir brauchen Minister, die ihren Job verstehen. Die Fachkenntnis haben. Es sollte niemand Verteidigungsminister werden, der selbst nicht gedient hat und niemand Wirtschaftsminister werden, der nicht weiß, was „insolvent“ bedeutet. Wir brauchen zudem eine Politikerhaftung und den Straftatbestand der Steuerverschwendung. Falsche Entscheidungen müssen Konsequenzen haben.
Könnten Sie sich denn ein Engagement in der Partei „Bündnis Deutschland“, Aiwangers „Freien Wählern“ oder der neuen Maaßen-Partei „WerteUnion“ vorstellen?
Ich sagte eingangs: Ich war immer politisch. Ein Leben ohne politische Aktivitäten wird es für mich also auch in Zukunft nicht geben. Wie das genau aussieht, wird sich zeigen. Parteien nach altem Muster werden unsere Probleme allerdings nicht lösen können. Daher bin ich da zurückhaltend. Ganz sicher kann ich heute schon sagen, dass ich meine persönliche Reichweite zum Beispiel in den sozialen Medien natürlich weiter nutzen werden. Ich werde auch in Zukunft auf Probleme hinweisen und weiter versuchen, mögliche Lösungen zu finden und zu fördern.
Als fraktionslose Bundestagsabgeordnete setzen Sie sich kritisch mit der Politik der EZB auseinander, besonders mit Blick auf die Diskussion um die Einführung des digitalen Euro. Die Gründe für Ihre ablehnende Haltung?
Niemand braucht den digitalen Euro. Ich bin ein entschiedener Gegner von CBDCs. Zentralbanken könnten per Knopfdruck eine Obergrenze für Zahlungen oder Eigentum festlegen oder auf Negativzinsen umstellen. Die Bürger wären jeder Willkür der Zentralbanken hilflos ausgeliefert. Jedem Einzelnen von uns droht die totale Überwachung. Das chinesische Social-Credit-System sollte uns ein warnendes Beispiel sein.
Dagegen machen Sie sich für den Bitcoin stark und fordern auch im Bundestag eine offene Diskussion über das Thema. Sehen Sie in dem Bitcoin ein künftiges Zahlungsmittel, also eine Ersatzwährung oder nur eine Investition?
Die meisten Abgeordneten haben keine Ahnung, was Bitcoin tatsächlich ist und welche Vorteile er bietet.
Für die Freiheit, für die Selbstbestimmung, für sichere Energie, für Menschenrechte, für Entwicklungshilfe, als Wertspeicher, als Staatsreserve, als Währung. Nur, wer gut informiert ist, kann vernünftige Entscheidungen treffen. Deswegen müssen Abgeordnete sich informieren, bevor sie darüber diskutieren, Bitcoin zu verbieten, zu regulieren oder das Mining zu erschweren – denn dann überdenken sie ihre ablehnende Haltung. Bis Bitcoin in Deutschland zur Währung wird, wird noch viel Zeit vergehen. Wenn es überhaupt so weit kommt. Bis dahin sehe ich es als freies, nicht manipulierbares, dezentrales, gesundes Geld, in das jeder investieren kann und sollte. Nicht alles, aber einen Teil seines Vermögens. So halte ich es jedenfalls.
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Klaus Kelle, Chefredakteur