Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ gescheitert: Österreich wird keine „Filiale Russlands“

WIEN – So lange schien alles klar, nun ist der Traum von einer Regierungskoalition aus Österreichischer Volkspartei (ÖVP) und den Freiheitlichen der FPÖ ausgeträumt. FPÖ-Chef Herbert Kickl, den viele schon als neuen Bundeskanzler der Alpenrepublik gesehen hatten, gab heute den Auftrag zur Regierungsbildung zurück an den Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen.
„Die Verhandlungen waren zu unserem Bedauern letztlich nicht von Erfolg gekrönt“, wird Kickl aus seinem Schreiben an den Präsidenten zitiert. Die Christdemokraten bewerten das Scheitern naturgemäß aus einer anderen Perspektive: „Machtrausch und Kompromisslosigkeit von Herbert Kickl“, seien die Gründe für den Abbruch der Gespräche, erklärte ÖVP-Generalsekretär Alexander Pröll in Wien. Pröll ließ durchblicken, dass sich Kickl in den Verhandlungen kaum selbst eingebracht habe. So sei der designierte Kanzler in den fünf Wochen der Koalitionsverhandlungen nur sieben Stunden am Verhandlungstisch dabei gesessen.
Wie es nun weitergeht in Wien, das ist vollkommen offen
Die sozialdemokratische SPÖ und die liberalen Neos haben gerade der ÖVP angeboten, die zuvor gescheiterten Bemühungen um die Bildung einer Regierung in österreich wieder aufzunehmen. Möglich wäre auch baldige Neuwahlen, wobei Beobachter wenig Chancen sehen, dass dann ein klareres Bild entstehen würde, außer, dass die FPÖ vermutlich Stimmen hinzugewönne. Auch die Einsetzung einen parteiunabhängigen Expertenregierung durch den Bundespräsidenten wird ernsthaft diskutiert.
Öffentlich wird der Streit über den Zuschnitt und die Ressorts eines neuen Kabinetts als Grund für das Scheitern der Verhandlungen genannt.
In Hintergrundgesprächen ist zu hören, dass der Dissens zwischen ÖVP und FPÖ bei der Außen- und Sicherheitspolitik letztlich den Ausschlag zum Scheitern der Gespräche geführt hatte.
Die FPÖ ist extrem EU-kritisch und lehnt eine weitere Unterstütztung der Ukraine im Verteidigungskrieg gegen Russland ab. Ein „ÖVP-Insider“ wird zitiert: Österreich droht „eine Filiale Russlands“ zu werden. Die FPÖ hatte, durchaus erfolgreich, mit dem Wahlslogan „Festung Europa“ zur Wahl aufgerufen. Die Christdemokraten sehen die Alpenrepublik fest eingebettet in die europäische Staatengemeinschaft.
Würde jetzt neu gewählt, käme die FPÖ Umfragen zufolge auf rund 34 Prozent, ÖVP und SPÖ auf je 20, Neos auf 10 und Grüne auf 8 Prozehnt.
Neueste Europa
Neueste Politik
Spendenaufruf
+++ Haben Sie Interesse an politischen Analysen wie diesen?
+++ Dann unterstützen Sie unsere Arbeit
+++ Mit einer Spende über PayPal@TheGermanZ
oder einer Überweisung auf unser Konto DE03 6849 2200 0002 1947 75 +++
Klaus Kelle, Chefredakteur