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Roderich Kiesewetter, Viktor Orban und Perspektiven für die Ukraine

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser!

Ich gehöre zu den Menschen, die sich die Quasselrunden im deutschen Staatsfernsehen nicht mehr angucken oder höchstens, wenn es mal für meine Arbeit unumgänglich ist. Gehörte Sabine Christiansen einst um 21.45 Uhr nach dem „ARD-Tatort“ als fester Bestandteil des Sonntagsabends bei uns dazu, so haben mir all die Wills und Maischbergers die Freude am gepflegten Fernsehstreit über politische Themen im Laufe der Jahre komplett versaut.

Besonders als sich bei diesen sogenannten Talkshows für jeden sichtbar herausstellte, dass auf Fairness und Chancengleichheit, also auf journalistische Grundstandards, niemand mehr Wert zu legen schien. Frank Plasberg konnte man sich manchmal noch anschauen und, ich stehe dazu, Markus Lanz beim ZDF macht immer wieder mit seiner penetranten Beharrlichkeit einen guten Job.

Bei Lanz ging es zuletzt um den Ukraine-Krieg und den Krieg mit den Hamas-Terroristen im Gazastreifen. Und da saß Roderich Kiesewetter von der CDU, Oberst a. D. und jetzt Bundestagsabgeordneter. Ich habe ihn leider persönlich noch nie getroffen, aber der Name ist mir geläufig, weil er sich immer wieder erstaunlich klar zu den großen außenpolitischen Konfrontationslinie äußert. So, wie die CDU früher einmal insgesamt.

Kiesewetter sprach auch bei Lanz Klartext: Das Völkerrecht müsse wieder Geltung erhalten und die Ukraine die Chance bekommen, „die besetzten Gebiete wiederzugewinnen“. Und dabei werde Deutschland sie unterstützen.

Ob man das in der Ampel-Koalition auch so sieht?

Ich jedenfalls kann mich nicht erinnern, von Bundeskanzler Olaf Scholz mal so deutlich das erstrebenswerte Kriegsziel formuliert gehört zu haben. Und wenn ich nachdenke, auch von CDU-Chef Friedrich Merz nicht. „Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen“, sagt kaum einer in Berlin.

Fast könnte man den Eindruck gewinnen, die Ukraine könne sich in Deutschland vor allem auf die Damen Baerbock (Grüne) und Strack-Zimmermann (FDP) verlassen. Und auf „Panzerhaubitzen-Toni“ an der Spitze der Grünen-Fraktion. Aber sonst? Doch klar, Roderich Kiesewetter.

Im Moment laufe alles in Putins Sinne, resümierte Lanz. Die ukrainische Gegenoffensive steckt fest, im Osten und Süden der Ukraine herrscht Stellungskrieg ohne nennenswerte Geländegewinne auf beiden Seiten. Russlands Propagandaapparat ist wirkungsvoller, die Durchschlagskraft seiner Armee aber nach wie vor dünn. Doch die Zeit, da hat Lanz recht, ist auf Putins Seite. Und der hat sein Land auf Kriegswirtschaft umgestellt, die produzieren Waffen und Munition rund um die Uhr, während die Ukraine auf den Westen warten muss.

Sie alle wissen, wie zögerlich Scholz und wie politisch zerstritten die USA sind

Kurzfristige effektive Unterstützung steht nicht in Aussicht. Die Ukraine wird sich nicht unterwerfen, aber ihre Perspektive, dass Kiesewetters Hoffnungen Realität werden, ist derzeit gering. Das wird sich jetzt auch beim EU-Gipfel Ende der Woche zeigen. Eine Beitrittsperspektive will man Kiew da anbieten, doch wie realistisch ist das? Ungarn setzt auf eine „privilegierte Partnerschaft“ der EU mit der Ukraine. Das hatten wir schon mal bei der Türkei. Eine Luftnummer, die von Ankara brüsk abgewiesen wurde. Man darf das auch von Präsident Wolodymyr Selensky morgen erwarten.

Aber je länger ich darüber nachdenke, desto mehr halte ich den Gedanken für nachdenkenswert.

Privilegierte Partnerschaft – das bedeutet, Kiew sitzt mit am Tisch, Abgeordnete der Ukraine bekommen Beobachterstatus, wirtschaftlich erhält das geschundene Land privilegierte Bedingungen für Handel mit den EU-Staaten. Wenn Selenskyj den Vorschlägen Viktor Orbans folgt, könnte das eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten werden und ein kräftiges Signal, dass die Ukraine auf dem Weg ist, ein Teil der Europäischen Union zu werden.

 

Und dann müssen sich die Amerikaner noch als militärisch verlässlicher Partner erweisen. Es ist noch nichts verloren.

 

Mit herzlichen Grüßen,

Ihr Klaus Kelle

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Klaus Kelle, Chefredakteur