Spionage-Thriller Haub: Warum wurden alle „relevanten Daten“ gelöscht?
Das Einzige, das im Fall des verschwundenen früheren Tengelmann-Chefs und Milliardärs Karl-Erivan Haub sicher ist, ist, dass nichts sicher ist. Haub verschwand im April 2018 bei einer Skitour am Matterhorn. Doch seine Leiche wurde niemals gefunden. Aufwändige Recherchen der RTL-Journalistin Liv von Boetticher brachten zu Tage, dass vieles an der offiziellen Geschichte nicht stimmen kann. Haub habe sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nach Russland abgesetzt.
Trotz erdrückender Indizien, die von Boetticher in dem atemberaubenden Buch „Die Akte Tengelmann“ zusammengefasst hat, erklärte das Amtsgericht Köln KEH, wie in seine Freunde und Mitarbeiter nannten, im Mai 2021 offiziell für tot. Erst anschließend konnten die neuen Eigentumsverhältnisse der Familie Tengelmann geregelt werden.
Liv von Boetticher behauptet, dass es inzwischen auch Fotos des Verschwundenen gibt, die Haub 2021 quicklebendig in Moskau zeigen. Und es war dieses Portal, das schon vor über einem Jahr einen Zusammenhang zwischen der Moskau-Connection Haubs und dem skandalträchtigen Zusammenbruch des Wirecard-Konzerns sowie weiterer Großunternehmen und Banken herstellte. Insbesondere die Person des flüchtigen Ex-Managers von Wirecard, Jan Marsalek, steht dabei im Mittelpunkt. Nach Informationen deutscher Geheimdienste hält sich auch der Österreicher Marsalek heute in Russland auf und ist eine zentrale Figur im Bemühen russischer Geheimdienste um Einfluss in Banken und Konzernen Europas. Nach Recherchen von Boettichers gibt es heute mehr als 30.000 russische Beteiligungen an Firmen in Staaten der EU.
Recherchen der Plattform Bellingcat und des Nachrichtenspiegel SPIEGEL brachten ans Tageslicht, dass sich der russische Geheimdienst FSB seit 2015 mit der schillernden Figur Marsalek beschäftigte. Ein Jahr später reiste der ungehindert und dann immer wieder nach Moskau. Dabei benutzte er jeweils einen von vier gültigen österreichischen Reisepässen sowie auch einen Diplomatenpass.
Im Jahr 2022 habe Marsalek unter dem Namen German Baschenow im Villenviertel Meyendorff Gardens bei Moskau, in dem sich auch das Gästehaus des Kreml befindet, gelebt.
Spätestens ab Juni 2024 ermittelt der Generalbundesanwalt gegen Marsalek wegen des Verdachts der Spionage für Russland. Im März 2024 hatten schon britische Medien berichtet, dass Zielfahnder gegen den früheren Manager eingesetzt werden, weil der im Auftrag russischer Geheimdienste Journalisten ausspähte und wohl auch einen russischen Agentenring in Rumänien geführt haben soll.
Inzwischen ist die deutsche Justiz anscheinend bemüht, den Komplex Haub/Tengelmann in Bezug auf Russland intensiver zu beleuchten.
Seit April ermittelt die Kölner Staatsanwaltschaft nun auch gegen Christian Haub, den jüngsten Bruder des Verschwundenen. Vorwurf: Christian Haub habe das Amtsgericht in Köln im Zusammenhang mit der Todeserklärung über Hinweise zum Verbleib seines verschwundenen Bruders getäuscht. Mark Binz, Anwalt von Christian Haub, bekannte in einem aktuellen Interview mit der WAZ, dass „alle relevanten Daten“ bereits vor zwei Jahren auf „ausdrücklichen Wunsch“ der Familie Karl-Erivan Haubs gelöscht worden seien. Auf wessen Anweisung?
Und im Fokus der Ermittlungen steht nun auch der Sicherheitschef des Tengelmann-Konzerns. Dessen Haus wurde jüngst durchsucht und ein Laptop beschlagnahmt. Gerüchten zufolge ist es bisher nicht gelungen, das Passwort für den Rechner zu knacken…
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