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US-Präsidentschaftwahlen: Deutsche Medien dürfen nicht mitwählen

DR. STEFAN GEHROLD (Florida/USA)
Am 5. November haben die Amerikaner die Wahl: Trump oder Harris?

von DR. STEFAN GEHROLD, Florida

„Wir sind schon durch“, sagte mir gestern der state representative (Landtagsabgeordnete) meines Wahlkreises. Was er damit meinte, war, dass am eigentlichen Wahltag, dem 5. November, kaum noch jemand zur Urne gehen wird. Denn seit Anfang Oktober ist die Briefwahl bereits eröffnet.  Wann genau, hängt vom einzelnen Bundesstaat ab. Ein Großteil der Amerikaner macht davon Gebrauch; deutlich mehr als in Deutschland. Im Jahr 2020 waren das zwei drittel der Wähler.

Wer Pennsylvania gewinnt, gewinnt die Wahl?

Hat das Einfluss auf das Ergebnis? Ja und nein. Zum Zeitpunkt der Eröffnung der Briefwahl in den meisten Staaten war nämlich Kamala Harris in den meisten Umfragen landesweit deutlich vorn. Ob dadurch das Endergebnis zu ihren Gunsten signifikant beeinflusst wurde, darf bezweifelt werden. Nach allen Untersuchungen stimmen per Briefwahl diejenigen ab, deren Entscheidung bereits unveränderlich feststeht.

Daher kämpfen die beiden Kandidaten bis zum letzten Tag. Donald Trump führt deutlich in der Anzahl der von ihm durchgeführten Wahlkampfveranstaltungen. Kamala Harris absolvierte nur etwa 60 Prozent des Pensums ihres Kontrahenten. Es geht beiden um die noch nicht festgelegten Wähler, die die Wahl entscheiden werden.

Es ist die Zeit der Umfrageinstitute. Und diese differieren in ihren Festlegungen hinsichtlich eines Ergebnisses. Die meisten tendieren zu einem landesweiten Vorsprung der Vizepräsidentin. Sie taxieren diesen auf zwischen 1 bis 5 Prozentpunkten. Er schmolz kontinuierlich in den letzten Wochen. Zurückblickend auf die vergangenen 25 Jahre reichte erst ein Vorsprung von etwa 2,5 Prozent landesweit für einen Sieg des demokratischen Bewerbers. Dies liegt am amerikanischen Wahlsystem. Im Prinzip gilt:  Wer im einzelnen amerikanischen Staat gewinnt, unabhängig von der Marge, nimmt alle Stimmen mit ins Wahlmännergremium (electoral college).

Kleinere Staaten, die in der Tendenz republikanisch wählen, sind dort überproportional vertreten. Dies ist nicht ungewöhnlich. Auch die Europawahlen und die Zusammensetzung des Bundesrats folgen diesem Prinzip.

Entscheidend ist also, wer in den sieben sogenannten „Swing States“ gewinnt. Diese 7 Staaten sind Nevada, Arizona, Georgia, North Carolina, Wisconsin, Michigan und Pennsylvania. Und hier sind die Vorsprünge denkbar knapp. In der Tendenz lässt sich festhalten, dass die zwei südlichen Staaten und zwei westlichen Staaten leicht zu Gunsten des deutschstämmigen Herausforderers Trump tendieren. Im sog. Rostgürtel (Michigan, Pennsylvania und Wisconsin) liegt die Vizepräsidentin leicht vorn. Das könnte für sie reichen. Wisconsin scheint für Trump verloren. Beide Kandidaten konzentrieren sich derzeit massiv auf Michigan und vor allem Pennsylvania, dem größten der Swing States mit 19 Wahlmännern. Die Bedeutung Pennsylvanias ist erheblich. Einzelne Beobachter konstatieren bereits: Wer Pennsylvania gewinnt, gewinnt die Wahl.

Kamala Harris führt deutlich in unvergleichlicher Materialschlacht

Trumps Wahlkampf konnte zuletzt auch durch die guten Auftritte seines running mates, J.D. Vance, an Traktion gewinnen. Der Ivy League-Jurist besticht durch Eloquenz und Sachlichkeit und punktete auch im Debattenduell mit seinem Kontrahenten Tim Walz. Das Duell war von beiden Seiten fair geführt worden. Es hob sich durch den Fokus auf politische Inhalte wohltuend vom unsachlichen Gekeife der beiden Hauptakteure im TV-Duell einige Wochen vorher ab.

Die Bundeswahlbehörde FEC gab soeben den Zwischenstand der Wahlkampfbudgets bekannt. Danach hat die Harris-Kampagne einen aus europäischer Sicht geradezu abenteuerlichen Betrag von fast 1 Milliarde Dollar vereinnahmt. Die 388 Millionen für den Herausforderer aus New York sind dagegen vergleichsweise mickrig.

Auch die Medien sind massiv beteiligt. Während die großen Printmedien, allen voran die New York Times und die Washington Post, alles tun, um die Trump-Kampagne zu beschädigen, scheint die Auseinandersetzung im TV-Bereich ausgeglichen. CNN und MSNBC (demokratisch) stehen Fox, Newsmax und OAN gegenüber. Auch das Internet ist aktiv. Der zum Microsoftkonzern gehörende Internetnachrichtendienst MSN unterstützt klar die Demokraten. Nicht verwunderlich. Bill Gates spendete für die Harris-Kampagne etwa 50 Millionen Dollar.

Berichterstattung in Deutschland dem rationalen Zugriff entzogen

Dass dem so ist, interessiert den deutschen grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck nicht. Die umfangreichen Spenden Elon Musks für den Trump-Wahlkampf schon. Daher fordert er jetzt eine Regulierung des Netzwerks X, das zu Musks Firmenimperium gehört. Das Microsoftorgan MSN hingegen findet keine Erwähnung in seinem geplanten Kreuzzug.

Der linkslastige „Spiegel“ nimmt jetzt nach Trump und Vance auch Musk ins Visier. Da ist von einem glühenden Trumpverehrer die Rede. Nachweise? Fehlanzeige. Angeblich soll Musk ein illegaler Einwanderer sein. Kronzeuge dafür ist die links-demokratische Washington Post. Deren Artikel wurde vermutlich in Hamburg durch Google Translate gejagt. Aber selbst die sonst solide NZZ ist keine Ausnahme: Da wird Musk zum Putin-Buddy. Außerdem philosophiert man über die Auswirkungen einer Trump-Präsidentschaft auf die Börsen. Das wäre gar nicht nötig, denn Trump war ja bereits Präsident. Man müsste also nur acht Jahre zurückschauen und hätte in etwa den Befund. Nebenbei bemerkt: Eine Präsidentschaft Harris und deren Konsequenzen für die Märkte wird nicht diskutiert.

Dazu passt auch, dass in Brüssel bereits die Messer für einen Handelskrieg mit den USA während einer Trump-Administration geschärft werden. Dass die vom Immobilienunternehmer geplante Einführung eines zehnprozentigen Einfuhrzolls bedenklich und Gift für wirtschaftliche Entwicklung ist, darf dennoch nicht verschwiegen werden.

36 Tage Rechtsstreit?

Am 5. November wird ausgezählt. Ist damit die Wahl vorbei? Vermutlich nicht, denn der prognostizierte knappe Wahlausgang könnte zu Anfechtungsverfahren in mehreren Staaten führen. Wo? Das hängt von der Verfassung des jeweiligen Staates ab. Mögliche Neuauszählungen müssen bis zum 11. Dezember abgeschlossen sein. Die 50 Gouverneure benennen den Wahlsieger am 17. Dezember, am 20. Januar legt der neue Präsident seinen Eid ab.

Spannend wird es am 6. Januar 2025. Dann proklamiert die Vorsitzende des Senats die neue Präsidentin oder den neuen Präsidenten. Und das ist jetzt Kamala Harris. 2021 widerstand der damalige republikanische Vorsitzende Mike Pence dem Druck und rief den Demokraten Joe Biden zum Präsidenten aus. Was macht seine Nachfolgerin?

Kamala Harris ist eine ideologische Linke. Trotz aller Beteuerungen im Wahlkampf, die ihr die Mitte sichern sollte. Es ist zu befürchten, dass ihre Präsidentschaft zum Kampf gegen das konservative Amerika genutzt wird. Ihr Kontrahent aus New York steht exakt für das Gegenmodell. Er ist völlig unideologisch, weshalb traditionelle Konservative nicht hinter ihm stehen: Mitt Romney, George Bush und Paul Ryan sind im Wahlkampf abgetaucht. Dick Cheney unterstützt gar Kamala Harris. Trumps unideologische Agenda sichert ihm aber den Zugang zu Kreisen, die sonst nicht republikanisch wählen würden.

Gab’s sonst noch etwas?

Ja. Denn am 5. November wird auch für den Senat und den Kongress gewählt. Nach allen Umfragen werden die Republikaner ihre Mehrheit im Kongress ausbauen können. Im Senat haben die Demokraten eine hauchdünne Mehrheit: 51 – 49. Diese wird Umfragen zufolge zugunsten der Republikaner kippen.

Auch wenn man nach der deutschen Berichterstattung einen anderen Eindruck gewinnen muss, ist abschließend festzuhalten, dass Deutsche am 5. November nicht mitstimmen dürfen.

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Klaus Kelle, Chefredakteur