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Videoüberwachung: Wer nicht zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten? Naiv!

von FELIX HONEKAMP

TheGermanZ ist angetreten unter dem Motto „Andere Themen. Andere Köpfe. Andere Meinungen.“ Eine „Hausmeinung“ gibt es dabei so wenig. wie besondere Rücksicht auf die „Political Correctness“. Insofern kann ich hier auch meinem Chefredakteur widersprechen, dessen Ansichten allerdings zu einem großen Teil auch meine sind.

Aber in seinem Guten-Morgen-Beitrag vom 28.12.2016 schrieb Klaus Kelle:

Wer der Polizei und den Sicherheitsdiensten Videokameras und Abhöranlagen wegnimmt, kann ihnen auch gleich ihre Waffen und Autos abnehmen. Es ist eine Enteierung sondergleichen, denjenigen, die uns alle schützen sollen, gleichzeitig das Instrumentarium dafür zu verweigern. Klar, ein Rechtsstaat muss auch auf die möglichen dunklen Seiten schauen. Es muss gesetzliche Regelungen geben, Politiker und Fachleute müssen das System optimieren. Aber eine Forderung, Videoüberwachung im öffentlichen Raum abzuschaffen, ist an Naivität nicht zu überbieten. Mainstream eben…

Das Vorgehen der Polizei in der Silvesternacht scheint dieser Einschätzung Recht zu geben: Hochauflösende Videoüberwachung bei ausgeleuchteter Umgebung, gepaart mit einer präventiven Zugangsregelung, die sogenannte „Nafris“ als entsprechende „Klientel“ der Silvesternacht 2015/2016 von vorneherein fernhielt. Das Ergebnis: Nach aktuellem Stand zwei sexuelle Übergriffe, bei denen man dann fragen darf, ob das nicht eher dem Normalmaß einer Silvesternacht entsprechen mag, die bislang so gar nicht berichtet worden wäre. Ein voller Erfolg lückenloser Überwachung?

Ja und nein. Dass mit dem Vorgehen Schlimmeres verhindert wurde, darf man wohl annehmen. Die Rahmenbedingungen waren dennoch andere, als man das in einem normalen Umfeld erwarten darf. Das Vorgehen der Polizei war von der Sorge geprägt, nicht noch einmal für das verantwortlich gemacht zu werden, was vor einem Jahr schiefgegangen ist. Die Sicherheitsvorkehrungen waren eine Reaktion auf das Sicherheitsbedürfnis der Besucher der Kölner Domplatte zu Silvester. Es war also im weitesten Sinne eine marktwirtschaftliche Entscheidung, auch wenn die Akteure nicht marktwirtschaftlich organisiert sind. Wenn der Kölner Bahnhofsvorplatz durch einen privaten Dienst gesichert werden sollte – dieser hätte vermutlich ähnlich agiert.

Die Forderung nach Videoüberwachung geht über dieses marktwirtschaftliche Niveau aber weit hinaus. Warum nicht einen normal belebten Platz überwachen, bei dem es bislang nie zu besonderen Übergriffen gekommen ist, wohl aber zu vermehrten Taschendiebstählen? Und wenn man mit einer derartigen Überwachung ein schwereres Verbrechen aufklären kann, wer sollte da dagegen sein? Wieso nicht einen Platz überwachen vor einer Moschee oder vor einem bekannten Treff von Rechtsextremen? Bislang hat nach so etwas niemand gerufen, aber Argumente, warum es gut sein könnte, so etwas zu tun, gibt es sicher – und wer nichts auf dem Kerbholz hat, muss auch nichts befürchten. So wird Nachfrage nach „mehr Sicherheit“ geschaffen, die bislang gar nicht existiert hat.

Mit zunehmender Technisierung steigen auch die Möglichkeiten der Überwachung – mit Vor- und Nachteilen. Mit öffentlich zugänglichen Quellen sollte es darum, vollständige Videoüberwachung zusätzlich vorausgesetzt, kein besonderes Problem sein, Bewegungsprofile jedes Bürgers anzulegen. Das, so die Befürworter von mehr Sicherheit, wolle doch niemand. Das allerdings, so antworte ich, ist eine Frage des Bedarfs! Vor einigen Monaten habe ich mir nicht vorstellen können, dass sich ein Justizminister einer Nichtregierungsorganisation bedienen könnte, um soziale Medien mit unsanftem Druck zu bewegen, nicht opportune Meinungsäußerungen zu löschen. Bis vor wenigen Wochen habe ich mir nicht vorstellen können, dass relevante Bundespolitiker einer staatlichen Regelungen unterworfenen Stelle zur Bewertung des Wahrheitsgehalts von Nachrichten das Wort reden würden.

Und in einer solchen politischen Situation soll es mich beruhigen, wenn die Polizei mit einem dichteren Netz von Überwachungsmöglichkeiten ausgestattet ist? Wir haben in Deutschland noch immer eine gut funktionierende Gewaltenteilung. Es soll aber angesichts der Entwicklungen erstens niemand glauben, dass die Gewalten völlig unabhängig voneinander agierten und zweitens niemand sicher sein, dass das auch in Zukunft von ganz alleine so bleiben wird. Niemand wird sich wünschen, dass manche Verbrechen nicht aufgeklärt werden, nur weil bestehende Überwachungsmöglichkeiten nicht genutzt werden. Diese Einzelfallbetrachtung sieht aber über das Recht des Einzelnen, sich unüberwacht bewegen zu dürfen hinweg mit dem Anspruch, möglichst weitgehende Sicherheit zu gewährleisten. Die Gefahren einer solchen Sicherheit werden dabei ausgeblendet.

Wer nichts zu verbergen hat, muss auch nichts befürchten. Niemand hat die Absicht, unbescholtene Bürger zu überwachen. Warum also nicht alle Instrumente nutzen, die helfen, Verbrechen aufzuklären. Es stellt sich die Frage, ob diese Einstellung nicht mindestens so naiv ist, wie die Forderung, generell auf öffentliche Überwachung zu verzichten. Mainstream – nicht politisch aber am Stammtisch – ist sie ohnehin.

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Klaus Kelle, Chefredakteur