Warum werden mordende Kinder nicht bestraft?
Liebe Leserinnen und Leser,
viele von Ihnen sind sicher genauso fassungslos wie ich über die Ermittlungsergebnisse im Fall der ermordeten Sofie (12). Die Polizei hatte gestern mitgeteilt, dass es zwei Tatverdächtige gebe, die in Gewahrsam seien und inzwischen die Tötung der Freundin gestanden hätten. Die Täterinnen sind 12 und 13 Jahre. Die Strafmündigkeit beginnt mit dem vollendeten 14. Lebensjahr. Der Gesetzgeber geht bisher davon aus, dass Kinder vor Vollendung des 14. Lebensjahres nicht in der Lage sind, das Unrecht einer Tat zu begreifen und nach dieser Einsicht zu handeln.
Kinder unter 14 Jahren werden selten als Tatverdächtige registiert bei Gewaltdelikten wie gefährliche und schwere Körperverletzung, sexueller Missbrauch, Körperverletzung mit Todesfolge, Totschlag und Mord.
2021 ist die Zahl der tatverdächtigen Kinder in diesem Bereich gegenüber dem Vorjahr angestiegen, von 7103 auf 7477. Verglichen mit 2019 gab es 2021 jedoch einen Rückgang von rund zehn Prozent.
Zuletzt hatte ein Mord im niedersächsischen Salzgitter für Aufsehen gesorgt, an dem ein Kind beteiligt war: Ein 14-Jähriger und ein nicht strafmündiger 13-Jähriger erstickten im Juni 2022 eine 15-jährige Jugendliche. 2016 schlug ein 13-Jähriger in Bad Schmiedeberg (Sachsen-Anhalt) einen gleichaltrigen Jungen mehrfach so heftig gegen den Kopf, dass dieser starb.
Es gab auch in anderen Ländern ebenso furchtbare Fälle, wo die Täter Minderjährige waren. 1993 entführten zwei zehnjährige Schulschwänzer den nicht einmal dreijährigen James Bulger aus einem englischen Einkaufszentrum und töteten ihn. Zwei Zehnjährige! Die Polizei verweigerte den Eltern, ihr totes Kind danach noch ein letztes Mal sehen zu dürfen. So schlimm hatten ihn die kleinen Mörder zugerichtet. Eine Videokamera zeichnete auf, wie die beiden späteren Mörder mit dem kleinen ahnungs- und hilfslosen „Toddler“ ins Verderben spazierten.
Acht Jahre lang mussten die beiden Jungen in einer Jugendhaftanstalt verbringen, heute sind beide frei. Einer der beiden jungen Männer wurde später wieder verhaftet und zu dreieinahlb Jahren verurteilt, weil er kinderpornografische Fotos besaß und weiterverbreitete. Der andere ist inzwischen selbst Vater eines Kindes. Der Fall des kleinen James hatte damals das Vereinte Königreich aufgewühlt, wie kaum ein anderes Gewaltverbrechen jemals.
Als Vater von fünf Kindern behagt mir der Gedanke überhaupt nicht, Kinder mit 12 oder 13 Jahren einzusperren.
Dennoch bin ich für eine Absenkung der Strafmündigkeit um zwei auf 12 Jahre. Es kann nicht sein, dass ein Kind bewusst die Entscheidung trifft, ein anderes zu töten, ohne zu bedenken, dass das für sein eigenes Leben gravierende Folgen hat, ganz abgesehen von der nie wieder gutzumachenden Tötung eines Mitmenschen.
Ein trauriges Thema…
Ihr Klaus Kelle
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