Was wird jetzt aus dem Commonwealth? Charles III muss den Laden zusammenhalten
von THILO SCHNEIDER
LONDON – Antigua und Barbuda möchte gerne kündigen. Obwohl zwei Namen hier stehen, handelt es sich hier doch nur um einen Staat. Antigua und Barbuda liegt irgendwo faul zwischen der Karibik und dem Nordatlantik, südlich von Puerto Rico herum. Eine unbewohnte Insel gehört auch dazu, deswegen musste man da keine Einwohner fragen, ob sie mitkündigen wollen. Antigua und Barbuda möchte nämlich seine Mitgliedschaft im britischen „Commonwealth of Nations“ beenden. Der Körper der Queen war noch nicht so richtig kalt, als Gaston Brown, der Premierminister über 98.000 gut gelaunte Untertanen verkündete, er wolle innerhalb der nächsten 36 Monate eine Volksabstimmung anhalten, ob die drei Inseln nun Republik werden wollen oder weiterhin einen britischen Monarchen oder eine britische Monarchin als repräsentatives Staatsoberhaupt haben werden.
Es ist nicht so, dass die Antiguaner und Barbudaner glühende Antiroyalisten wären, im Gegenteil trat der Staat „mit weniger als 20 Prozent der Fläche des Saarlandes, nur in Inseln umgerechnet und ohne Meer“ erst 1981 dem Commonwealth bei und war da unter Elisabeth der II. auch nicht ganz unglücklich, nur ist die „nette alte Dame“ (O-Ton einer Antiguanerin und Barbudanerin) eben jetzt verstorben und, nun ja, Charles III, König. Und der macht nun einmal nicht den Eindruck eines netten, älteren und leicht vertrottelten Herren, sondern gibt in seiner bisherigen kurzen Amtszeit eher den verknitterten alten Nachbarn, dem die Kinder zu laut sind und dem die Äste des Kirschbaums zu sehr über den Zaun wachsen. Die Bewunderung und die Liebe aller 56 Mitglieder des Commonwealth muss sich „Themsenkalle“, wie er bereits spöttisch genannt wird, erst noch verdienen.
Es wird schwierig: Wo die Queen ihr bröckelndes Reich als junge Frau mit ihrem Gemahl als zwar nicht strahlend schöne, aber doch einigermaßen ansehnliche Königin besuchte und sich so Sympathien erwerben konnte, muss der alte Charles III. zwangsläufig den Kürzeren ziehen. Seine Mutter war respektiert, geliebt oder wenigstens geduldet, weil sie eben so lange als „Mother of Nations“ diente, während Charles durch Ehebruch und säuische Liebesbriefe primitivster Machart auffiel. Und seit ein paar Tagen auch als jemand, der es nicht als seinen Job ansieht, Schreibtischdeko zur Seite zu schieben, um ein Dokument zu unterschreiben. Wozu hat man schließlich Diener? Das faule Gesocks?
Die Briten und anderen Untertanen der Queen waren eben genau das: Untertanen der Queen – nie der Krone oder Englands. Und Charles III. kommt nun die undankbare Rolle zu, das Bindeglied zwischen Elizabeth und dem derzeitigen Prince of Wales, Duke of Cornwall, Duke of Rothesay, Duke of Cambridge, Earl of Chester, Earl of Carrick, Earl of Strathearn, Baron Carrickfergus, Baron of Renfrew, Lord of the Isles, Prince and Great Steward of Scotland zu sein, der, wenn er nicht wieder von einem Golfschläger am Kopf getroffen wird, nach Charles´ Ableben als William der Soundsovielte den Thron besteigen wird – gesetzt den Fall, es gibt ihn nach der Amtszeit Charles des III. noch. Den Thron, nicht William. Obwohl – den auch. Man weiß es nicht.
Die 56 Commonwealthstaaten waren nicht immer glücklich mit der Monarchie oder der Queen – aber ich glaube, viele blieben einfach aus Höflichkeit und Anstand gegenüber der „netten alten Dame“ im Club. Und es war ja auch immer schön, wenn sie mal zu Besuch ´reinschaute. Und wieder ging. Das könnte sich nun ändern, mit dem neuen „King Charming“.
Daneben geht es aber auch um Geld. Antigua und Barbuda waren zu seinen oder ihren Glanzzeiten veritable Piratennester, wenn sie nicht gerade von Konkurrenzpiraten geplündert oder irgendeiner feindlichen Marine ausgehoben wurden. Das war für die nichtpiratisierenden Einwohner der Inseln nicht schön, weil sie keine Beute machen konnten oder diese wieder abgenommen bekamen. Jenen Verlust würden sie von Großbritannien jetzt gerne in Form von Barem für „Wiedergutmachung und Reparationen“ „für Völkermord, Plünderung, Gewalt gegen afrikanische Menschen auf dem Kontinent und hier in der Karibik“ ausgezahlt bekommen, wie der „Vorsitzende der Kommission für Entschädigung in Antigua und Barbuda“, Dorbrene O´Marde, treuherzig dem US-Fernsehen verkündete.
Und so könnte tatsächlich dann eine Strategie aussehen, wie sich das Commonwealth und die Monarchie trotz dem dritten Charles in der englischen Geschichte retten lassen: Scheckbuch auf und munter drauflos bezahlt. Und ob nun das Haus Windsor direkt oder der britische Staat unterschreiben, dürfte den Geldempfängern egal sein, wenn sie sich nur ein paar Millionen Pfund zulegen können.
Andererseits: Wir reden über Antigua und Barbuda und seine unbewohnte Schatzinsel Redonda. Die Inseln gelten nicht nur auf der europäischen Mutterinsel als Taucherparadies. Daneben hat Antigua und Barbuda nichts Nennenswertes an Exportgütern vorzuweisen, das nicht auch andere Staaten liefern könnten. Und wenn aus dem Commonwealth, das fast ein Drittel der Weltbevölkerung umfasst, die Einwohnerzahl von ungefähr Gloucester oder Würzburg ausscheidet – who the hell cares?
Es wird interessant sein zu sehen, ob der in der Königsliebe nicht vorgesehene Monarch mit der längsten Ausbildungszeit der Geschichte es schaffen wird, Monarchie und Commonwealth zusammenzuhalten und mehr als eine geschichtliche Randnotiz sein wird – oder ob er, zwar geduldet, aber nicht geliebt, lediglich der Pausenclown zwischen Elisabeth und William sein und seufzend als „da, aber nicht präsent“ hingenommen werden wird. Es liegt viel Arbeit vor dem neuen alten König. Und seiner seltsamen Gattin, deren Weg zur „Königin der Herzen“ auch lang und steinig ist.
(Weitere monarchistische Artikel des Autors unter www.politticker.de)
Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.
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