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Weiter suchen nach einer liberalen Partei, die wählbar ist

von FELIX HONEKAMP

Kennen Sie Joachim Stamp? Wenn Sie nicht gerade in Nordrhein Westfalen leben und wählen, vermutlich nicht. Ich kannte ihn jedenfalls nicht, bis ich davon las, dass er der neue zweite Mann in NRW ist, der zur FDP gehörende stellvertretender Ministerpräsident und in Personalunion Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration. Wenn man so will ist er also der Thronfolger Christian Lindners als bisherige FDP-NRW-Lichtgestalt, der bereits – fairerweise – vor der Landtagswahl angekündigt hatte, dass er bei einem Erfolg der FDP seine weitere Betätigung in der Bundespolitik sieht.

Ursprünglich hatte man sich seitens der FDP wohl Hoffnungen auf das Innenministerium gemacht, aber aus dessen bisherigen Themenfeld darf Stamp nun das Thema Flüchtlinge in sein Ministerium mitnehmen. Andreas Pinkwart, früher schon mal stellvertretender Ministerpräsident (und sicher über die Landesgrenzen hinaus bekannter) wird Wirtschaftsminister, Yvonne Gebauer wird Schulministerin. Damit wäre die FDP-Vertretung der Ministerriege NRWs auch schon komplett. Nicht gerade üppig, aber daraus könnte man ja was machen.

Zum Beispiel könnte man als Familienminister dafür sorgen, dass das Objekt dieses Ministeriums ein wenig aus den Fängen des Staates entlassen wird. Liberale Politik, wenn „liberal“ nicht als Beliebigkeit definiert wird, sollte Sorge tragen, dass staatliche Einflussnahmen auf die Familie auf ein Minimum reduziert werden, dass Familien eine echte Wahlfreiheit in eigener Verantwortung für die Lebensgestaltung erhalten. So könnte man das verstehen und so haben es vielleicht neben mir auch noch viele andere Wähler gesehen, die die FDP in den Landtag gewählt haben – quasi als letzten Versuchsballon um der „alten Dame“ FDP noch mal die Chance zu geben, zu beweisen, welch liberaler Geist noch in ihr weht. Da konnte es einen schon skeptisch stimmen, dass die FDP ausgerechnet das Familienministerium übernimmt – nicht gerade die bekannte Kernkompetenz dieser Partei der Freiheit und Wirtschaft.

Und siehe da: Der liberale Schneid ist auch schon abgekauft! In einem Interview mit der Rheinischen Post (vom 01.07.2017) macht Stamp gleich in den ersten Sätzen klar, wo die Reise in der Familienpolitik mit ihm hingehen wird: „Die Aufgabe als Familien- und Integrationsminister ist mir ein besonderes Anliegen, zum Beispiel die Stärkung der frühkindlichen Bildung, in den Kitas, gerade im U3-Bereich.“ Man reibt sich verwundert die Augen: Frühkindliche Bildung im U3-Bereich? Mal abgesehen von der Unsinnigkeit an sich macht Stamp damit deutlich, dass er, genauso wie seine Amtskollegen anderer Parteien, das Heil der Kinder in der Kita statt in den Familien sieht. Verbesserung der Betreuungsqualität, Ausbau von 24-Stunden-Kitas … das alles ist nichts anderes als ein familienpolitisches Sammelsurium aus dem Handbuch des kleinen Etatisten.

Familien zu stärken – das kommt in dem Interview gar nicht erst vor. Worum es geht ist die Intervention des Staates an vermeintlichen Fehlern in den Familien. Es geht um die Ausweitung der Verantwortungszone des Staates, finanziert aus Steuergeldern aller Bürger. Und wie zum Hohn ist offensichtlich auch die Finanzierung dieser und anderer Maßnahmen – die Rheinische Post nennt die Themen Kita-Rettung, Wechsel von G8 auf G9, Hilfe für Polizei und Kommunen – auf alles andere als stabile Füße gestellt. Auf die Frage, welche politischen Ziele man auf Finanzierbarkeit geprüft habe, antwortet Stamp tatsächlich „Darauf werden wir im Rahmen der Haushaltsaufstellung beraten. Die Schuldenbremse wird auf jeden Fall eingehalten.“

Ausweitung staatlicher Kompetenzen, zu Lasten von Familien, finanziell ungedeckt: Was an dieser Politik liberal sein soll, weiß wohl nur Joachim Stamp selbst. Allerdings: Der neue starke Mann der NRW-FDP, der Nachfolger des bundesweiten Hoffnungsträgers seiner Partei, wird – so darf man wohl annehmen – seine politische Agenda sicher nicht ganz ohne Abstimmung mit Christian Lindner formuliert haben. Damit wird diese im Grunde familien- und freiheitsfeindliche, im Gegenteil staatsfreundliche bis korporatistische Position ein Ausblick auf das, was potenzielle Wähler bei einer FDP-Regierungsbeteiligung im Bund erwarten dürften. Wir werden also weiter suchen müssen nach einer wirklich liberalen Partei.

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Klaus Kelle, Chefredakteur