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Zu welchen Preis?

Einen Preis zahlen, den Erdogan allein bestimmt

Präsident Recep Tayyip Erdogan blockiert die Aufnahme von Schweden und Finnland in die NATO. Foto: Vladimir Smirnov/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa

von THILO SCHNEIDER

BERLIN – Finnland und Schweden suchen, trotz aller Beteuerungen aus Moskau, dass das „schlimme Konsequenzen“ haben wird, ihren Weg in die NATO. Alle NATO-Staaten haben dem freudig zugestimmt. ALLE NATO-Staaten? Nein. Ein selbst dreiviertel-diktatorisch geführter Staat an der Südflanke des Bündnisses verweigert beharrlich sein „Ja“ zu einem Beitritt. Offiziell geht es dem großen Führer des Osmanischen Restreichs darum, dass Schweden und Finnland die PKK immer noch nicht als schreckliche Terrororganisation gebrandmarkt haben und ihre Mitglieder nicht holterdipolter einbuchten. Die PKK ist zwar in beiden Ländern verboten, aber Erdogan geht dies nicht weit genug. So seine offizielle Darstellung.

Inoffiziell ist es wohl eher so, dass Erdogan in osmanischer Tradition gerne eine Extralammwurst in Form von weiteren Waffenlieferungen und ein wenigstens stillschweigendes Einverständnis zu seiner eigenen, privaten „Militäraktion“ in den syrischen Kurdengebieten haben möchte. Immerhin ist seine Armee dort eingerollt und schätzungsweise möchte sich die Türkei da jetzt auch ein Stückchen „abknapsen“. Hinzu kommt, dass die Türkei bezüglich Russland seit jeher eine eher ambivalente Haltung an den Tag legt: Der türkische Tourismus ist auf russische Besucher ebenso wie auf europäische Besucher angewiesen. Das Pfund, mit dem Erdogan wuchern kann, ist die Wacht über die Dardanellen. Ohne Erdogan läuft kein russisches oder ukrainisches Handels- oder Kriegsschiff durch den Bosporus.

Es geht also, allen lächerlichen Vorwürfen an Schweden und Finnland zum Trotz, eher darum, dem friedliebenden Herrscher über alle Türken einen Preis zu zahlen, den er allein bestimmt. Erdogan hat am geostrategischen Kartentisch alle Trümpfe in der Hand. Er verfügt über die richtige geostrategische Lage seines Landes, er besitzt ein hochgerüstetes und schlagkräftiges Militär und er hat die Opposition im eigenen Land nahezu kaltgestellt – oder -gemacht. Kurz: Erdogan ist der Lukaschenko der NATO. Die NATO weiß, dass er ein Schurke ist – aber er ist eben ein NATO-Schurke. Man braucht ihn in Brüssel und Washington – und Erdogan weiß das.

Wie könnte aber nun der Preis für ein türkisches Kopfnicken aussehen? In erster Linie müssten wohl die derzeit auf kleiner Flamme köchelnden Rüstungslieferungen an die Türkei wieder aufgenommen werden und eine Zustimmung zur Annektierung einiger syrischer Kurdengebiete sollte mit Sicherheit ebenfalls im Freundschafts-Paket enthalten sein. Andererseits darf Erdogan auch sein Blatt nicht überreizen. Auch die NATO wäre durchaus in der Lage, die Dardanellen zu sperren, gerade die Griechen dürften daran Freude haben, liegen sie doch schon zeit Jahrzehnten mit dem ungeliebten Nachbarn im Clinch.

Erdogan versucht, das Eine zu tun und das Andere nicht zu lassen. Er will es sich vom Grunde her weder mit der NATO, oder, besser, „dem Westen“ nicht zu sehr verscherzen, andererseits will er auch wenigstens Ansprechpartner, wenn nicht gar Freund Moskaus sein. Neben den Europäern braucht er auch die Russen, wenn er in Syrien freie Hand haben will. Seine Gründe für ein „Nein“ des NATO-Beitritts Schwedens und Finnlands sind tatsächlich nur vorgeschoben – seine Intention ist eine völlig andere. Die diplomatische Kunst wird sein, Erdogan sanft einzubremsen und ihm gegen Zahlungen nicht unbeträchtlicher „Hilfen“ für die türkische Wirtschaft und die Perspektive einer EU-Mitgliedschaft doch noch ein „Ja“ zum Beitritt der beiden skandinavischen Staaten abzutrotzen.


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Klaus Kelle, Chefredakteur