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Bedrohung durch China wächst rasant

Aus dem Ukraine-Krieg gelernt: Wie Taiwan aufrüstet, um sich verteidigen zu können

MARTIN EBERTS
FOTO: Verteidigungsministerium Taiwan | Taiwan wird seine beiden Mitte der 1980er Jahre von den Niederlanden erworbenen U-Boote der Hai-Lung-Klasse modernisieren.

Die innenpolitisch bedingte Selbstlähmung der USA in Sachen Ukraine und Donald Trumps jüngste Breitseite gegen das westliche Bündnis haben zu großer Aufregung bei den NATO-Partnern geführt. Und fast könnte man meinen, auch in Deutschland sei man nun bald soweit aufzuwachen. Jedenfalls wird endlich ernsthaft über rüstungspolitische Selbständigkeit gesprochen.

Das ist ein Thema, das am entgegengesetzten Ende des eurasischen Kontinents, bei einem anderen Verbündeten der USA, schon lange auf der Tagesordnung steht. Die kleine Musterdemokratie Taiwan wird von Peking ebenso bedroht wie das Baltikum von Moskau; nicht nur verbal, sondern  mit immer mehr Säbelrasseln.

Taiwan muss sich militärisch ertüchtigen

Und auch in Taiwan müssen Jahre des verteidigungspolitischen Stillstands und Rückschritts wettgemacht werden.

Anders als in Europa haben die Amerikaner gegenüber Taiwan in der Rüstungspolitik immer größte Zurückhaltung gezeigt – natürlich mit Rücksicht auf Peking. Selten wurden Waffen der höchsten Kategorie geliefert, meist nur Standard-Ausrüstung, bewährt, aber weit entfernt von der Spitze der Entwicklung. Und das sieht man der taiwanischen Armee an: F-16 Kampfflugzeuge, aber nicht die neueste Version, M60-Panzer aus den sechziger Jahren… Erst seit wenigen Jahren ist eine graduelle Änderung zu erkennen.

Und wenn die findigen und High-Tech-verliebten Taiwaner dann auf Eigenentwicklungen setzten, wurden sie in der Vergangenheit oft genug von den USA ausgebremst. Kampfflugzeug- und Raketenentwicklungen der hochkompetenten taiwanischen Waffenschmiede in Hsinchu, westlich der Hauptstadt Taipei, mussten auf US-Druck mehrfach abgebrochen oder eingeschränkt werden.

Die Liste solcher Projekte ist lang und reicht über Jahrzehnte:

Ein fertig entwickelter taiwanischer Jagdbomber mit der Kapazität zum „interdiction strike“ gegen Basen auf dem chinesischen Festland durfte schon in den siebziger Jahren nicht in Serie gehen. Erlaubt wurde nur der Bau eines „indigenous Fighter“ zur Luftverteidigung. Der fliegt aber heute noch in nennenswerter Stückzahl.

Ein Programm zum Bau von Langstrecken-Flugabwehrraketen musste auf Druck Washingtons eingestellt werden; stattdessen mussten die Taiwaner  das „Patriot“-System kaufen, leider nicht in der letzten Modernisierungsstufe.

Der Bau von U-Booten wurde Taipei buchstäblich jahrzehntelang untersagt. Das Versprechen, ersatzweise amerikanische U-Boote an Taipei zu liefern, war von Anfang an nicht glaubwürdig: In den USA gibt es gar keine Kapazitäten zum Bau konventioneller U-Boote mehr, man baut seit Jahrzehnten nur noch atomgetriebene.

Und selbst als die Taiwaner – wissend, dass ihnen nur asymmetrische Kriegführung gegen den Koloss China helfen kann – einen hochmodernen und schnellen Doppelrumpf-Korvettentyp mit begrenzten Stealth-Eigenschaften entwickelten und bauten, erhielten sie aus Washington Auflagen bzgl. der zulässigen Stückzahl.

Der Aggressor im chinesischen Meer ist China

So viel nur zu dem ständigen Propaganda-Getöse aus Peking, die Amerikaner gefährdeten die Stabilität an der Taiwan-Straße durch „Hochrüstung“ des Inselstaates…

Trotz der vielfachen Beschränkungen und Behinderungen haben es die Taiwaner aber doch immer wieder geschafft bemerkenswerte Eigenentwicklungen zu realisieren. So war das kleine Land eines der ersten auf der Welt, dessen Marine mit überschallschnellen Schiff-Schiff-Flugkörpern ausgestattet war. Jahre vor den USA! Und erst mit dieser Waffe – einer echten taiwanischen Eigenentwicklung – wurde aus den kleinen schnellen Korvetten eine echte Bedrohung für mögliche Aggressoren. Ein echter Stolperstein für jede Invasionsflotte.

Putins Angriff auf die Ukraine bewirkt ein Umdenken

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine und der Aussicht auf einen Zweifrontenkrieg in Europa und Ostasien ist man in Washington gegenüber Taiwan entgegenkommender. Plötzlich sieht man, dass es doch eine ganz gute Idee ist, wenn die Taiwaner sich auch selbst kümmern.

Vor fast genau einem Jahr wurde von Präsidentin Tsai der Startschuss für den Bau eines neuen, eigenständigen Kampfflugzeugs der fünften Generation gegeben. Kleine, aber technologisch potente Länder können das – siehe Schweden und Südkorea. Und inzwischen hat Taiwan – mit diskreter technologischer Unterstützung aus den USA und anderen Ländern – endlich auch sein erstes eigenes U-Boot gebaut.

Deutsche Regierungen schielen zuerst auf die wirtschaftlichen Verbindungen

Weitere sollen folgen. Und das ist auch höchste Zeit, bestand doch die gesamte taiwanische U-Boot-Flottille bisher aus sage und schreibe vier betagten Booten: Zwei amerikanischen Oldtimern aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, mühsam ein wenig modernisiert, und zwei etwas moderneren eines holländischen Typs aus den sechziger Jahren.

Es gibt übrigens auch noch ein wenig deutsche Marinetechnik in Taiwan, aus der Zeit, als die Bundesregierungen noch mutiger waren und Deutschland nicht wirtschaftlich von China abhängig. Zwei deutsche Minenjagdboote haben der taiwanischen Marine schon jahrzehntelang gute Dienste geleistet, „deutsche Wertarbeit“ eben. Aber daran möchte man in Berlin heute lieber nicht erinnert werden, aus Angst vor der eigenen vergangenen Courage …

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Klaus Kelle, Chefredakteur