Europa schwenkt nach rechts – und Ursula von der Leyen bleibt „Miss Europa“
Meloni hat gewonnen, Wilders hat gewonnen, Kickl hat gewonnen und die deutsche AfD hat auch deutlich (dazu)gewonnen. So lässt sich anschaulich beschreiben, dass Europa mit der gestrigen Wahl deutlich nach rechts rückt. Und gewonnen haben auch die deutschen Christdemokraten, die CDU und die CSU – und mit ihr die europäische Parteienfamilie EVP. Kaum vorstellbar, dass man der Deutschen Ursula von der Leyen eine zweite Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin streitig machen wird.
Die Grünen sind eingebrochen wie niemals zuvor bei einer Wahl, die SPD hat ihr historisch schlechtestes EU-Wahlergebnis 2019 noch einmal unterboten. Beide Parteien haben sich diese Klatsche mit großer Hingabe schwer erarbeitet und verdient. Die FDP bleibt mit Marie-Agnes Srack-Zimmermann stabil bei 5 Prozent. Und: Das Büdnis Deutschland hat es trotz fehlender Fünf-Prozent-Hürde nicht geschafft, den Sitz von Lars Patrick Berg zu verteidigen.
Unter Beifall und „Ursula, Ursula“-Sprechchören bekräftigte von der Leyen den Machtanspruch der EVP und kündigte an, gemeinsam mit anderen Parteien „ein Bollwerk gegen die Extreme von links und von rechts“ bilden zu wollen: „Wir werden sie stoppen!“
Jubel auch im Konrad-Adenauer-Haus, Jubel für den erfolgreichen Parteichef Friedrich Merz. Dass zeitgleich NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst eine Diskussion um den nächsten Kanzlerkandidaten der Union eröffnet, von denen er mindestens fünf sieht, einschließlich sich selbst, sagt einiges über seinen Machtwillen, und sehr viel über seinen Charakter aus. Team geht anders.
Grüne und Linke brechen ein, Konservative und Rechte auf der Siegerstraße: Erste Analysen am Abend sehen etwa 40 Sitze links weg und 40 Sitze rechts dazu. Das kann man nicht wegdenken.
Aber rechts ist eben nicht gleich rechts
Vieles spricht dafür, dass die AfD trotz 5,5 Prozent Zuwachs auch bei den beiden relevanten rechten Fraktion nicht willkommen sein wird. Zu klar war die Ansage der Französin Marine Le Pen schon vor der Wahl, die ihre Partei nicht mit Figuren wie den AfD-Spitzenkandidaten Krah und Bystron an einem Tisch sehen will. Dennoch ist die AfD gestärkt und als eine Partei aus Deutschland ein Faktor, der auf Europaebene nicht zu ignorieren ist.
Einen mehr als peinlichen Auftritt leistete sich SPD-Chef Lars Klingbeil, der sich nicht entblödete, in der Parteivorsitzenden-Runde am Abend die AfD und ihre Spitzenfrau Alice Weidel als „Nazis“ zu bezeichnen. Klingbeil ist offenbar überfordert zu begreifen, dass solche maßlosen Übertreibungen der unliebsamen Konkurrenz von rechts weitere Stimmen zutreiben werden, wie Sahra Wagenknecht dann auch vor laufenden Kameras feststellte.
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Klaus Kelle, Chefredakteur