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„Pervertierung von Religion und Gott“

Gedenken im Weihnachtstrubel am Berliner Breitscheidplatz

KLAUS KELLE
Kränze, Blumen und Foto der Opfer am achten Jahrestag des Terroranschlags auf den Weihnachtsmarkt im Breitscheidplatz in Berlin.

Es wirkte surreal, vollkommen unwirklich, am Samstag durch die Budengasse mit den hell erleuchteten Glühwein-, Bratwurst- und Dubai-Schokolade-Ständen auf die Berliner Gedächtniskirche zuzugehen. Und dann an der Seite der Kirche zu verharren, wo ein paar Dutzend Leute zusammengekommen waren, viele von ihnen Betroffene, Opfer und Angehörige des verheerenden Terroranschlages auf den Weihnachtsmarkt hier vor acht Jahren.

Am Morgen hatte ich zufällig auf Facebook eine schwarze Kachel gesehen, die Astrid Passin eingestellt hatte, um auf das Gedenken an den Jahrestag hinzuweisen. 18.30 Uhr Gedächtniskirche.

Kurz vor der Andacht trafen wir uns an der Kirche. Astrid war mit ihrer Tochter gekommen. Als am 19. Dezember 2016 der Tunesier Anis Amri mit einem geklauten LKW hier in den Weihnachtsmarkt raste und zunächst 12 Menschen tötete und Dutzende schwer verletzte, verlor sie ihren Vater. Durch einen islamistischen Wahnsinnigen, der illegal in Deutschland lebte und den Sicherheitsbehörden bekannt war. Noch kurz vor seiner Tat hatte sich das Terrorabwehrzentrum der Bundesregierung mit Anis Amri ausführlich beschäftigt. Bürokratie, Selbstbeschäftigung. Es sind ja inzwischen auch zu viele Gäste von Frau Merkel in Deutschland, die als „islamistische Gefährder“ im Auge behalten werden müssen. Wie soll man da noch den Überblick behalten?

Ein Todesopfer, das inzwischen 13., erlag erst im Oktober 2021 den Folgen seiner schweren Verletzungen.

Astrid Passin ist seit Jahren Sprecherin einer Opfer-Initiative, die nicht nur das Leid der Angehörigen wachhält, sondern die sich für praktische Unterstützung der Opfer einsetzt. Sie steht inzwischen auch in Kontakt mit zahlreichen Opfern des Terrors auf der ganzen Welt. Vor rund 200 Menschen im Nieselregen an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche sagte sie: „Das Herz bebt oft vor Schmerz, und es hört nicht auf.“

Am Eingang zur Andacht in der Gedächtniskirche fielen mir die zahlreichen Polizisten auf, und der erste Gedanke war, ist jetzt schon einen Gottesdienst für die Opfer des Terrors ein Hochrisikoereignis? In der Kirche löste sich das dann auf, denn erstaunlich viele Politiker waren da, vielleicht auch motiviert durch das vergleichbare Ereignis in Magdeburg am Vortag: Berlins Regierenden Bürgermeister Kai Wegner war da, die Bundesminister Lisa Paus und Annalena Baerbock und viele Angehörige natürlich.

Der islamistische Terroranschlag vor acht Jahren stehe auch für „die entsetzliche Verkehrung und Pervertierung von Religion und Gott“, sagte Bischof Christian Stäblein in seiner Predigt. Das schaffe „eine tiefe Angst, eine Finsternis, die anders ist“. Der Jahrestag sei ein „Tag des Erinnerns, des Gedenkens an Tod und Terror, an Schrecken und Zerstören“.

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Klaus Kelle, Chefredakteur