Hanseatischer Hafenkrieg – der Einstieg von MSC wirft viele Fragen auf

Der jüngst bekannt gewordene Einstieg der schweizerisch-italienischen Container-Reederei MSC bei der HHLA, der größten Terminalbetreiberin des wichtigsten deutschen Hafens, schlägt hohe Wellen in der hanseatischen Hafenwirtschaft. Der in Hamburg geborene schweizerische Milliardär Klaus Michael Kühne kritisierte den MSC-Deal scharf und erwog sogar ein Gegenangebot. Er ist mit 30 Prozent der wichtigste Aktionär von Hapag-Lloyd, der weltweit fünftgrößten wichtigsten deutschen Reederei mit Hauptsitz Hamburg, die mit ihren Allianzpartnern mit mehr als der Hälfte des Umschlags der größte HHLA-Kunde ist.
Brüskiert drohte Hapag-Chef Rolf Habben Jansen mit dem Abzug großer Teile des Containerumschlags zu anderen Häfen, wie dem JadeWeser-Port in Wilhelmshaven, an dem die Reederei beteiligt ist. Hapag-Lloyd hatte parallel mit der Stadt Hamburg verhandelt mit dem Ziel, die HHLA zum „Nukleus“ ihres weltweiten Terminalgeschäfts unter dem Namen „Hamburg Ports“ zu entwickeln.
Thomas Eckelmann vom zweitgrößten Terminalbetreiber Eurokai bezeichnete den MSC-Deal als „Katastrophe für den Hamburger Hafen“ und erwägt nun auch ein Gegenangebot. SPD-Finanzsenator Andreas Dressel verteidigte den MSC-Einstieg via Twitter mit dem Argument, dass Hapag die Mehrheit der Stadt nicht akzeptiert hätte und Eurokai die Mitbestimmung der HHLABeschäftigten nicht.
Die Gewerkschaft Verdi rief geschockt zur Hafen-Demo auf
Ex-CDU-Finanzsenator Dr. Wolfgang Peiner warnt, daß Hapag-Lloyd keinerlei Rücksicht mehr auf die Interessen Hamburgs nehmen könnte. Die CDU-Bürgerschaftsfraktion unter Dennis Thering beantragt eine Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses und fragt nach dem Nutzen des MSC-Einstiegs für Hamburg. MSC verpflichtete sich zur Etablierung seiner Deutschlandzentrale mit 300 Mitarbeitern an der Alster sowie zur Abwicklung von einer Million Containern (TEU) ab 2030.
Das öffentlich auch via Twitter zelebrierte Zerwürfnis zwischen den wichtigsten Unternehmen und politischen Akteuren Hamburgs stellt einen Bruch in der auf Diskretion und Geschlossenheit bedachten hanseatischen Tradition dar und dürfte historisch einmalig sein.
Dabei hatte Klaus-Michael Kühne unter Vermittlung von Wolfgang Peiner erst vor wenigen Jahren Hapag-Lloyd vor der Übernahme durch einen asiatischen Konkurrenten gerettet. Dass nun gerade diejenigen vor den Kopf gestoßen werden, deren Existenz als selbständiges deutsches Unternehmen die Reederei zu verdanken hat, kann auch der Verweis auf Verhandlungsdetails nicht rechtfertigen. Dem rot-grünen Senat fehlt seit Langem der Weitblick und die industriepolitische Strategie für den für die Stadt so wichtigen Hafen.
Die ehemals zweitgrößte Hamburger Reederei HamburgSüd ist im Konkurrenten Maersk aufgegangen, nachdem eine Fusion mit HapagLloyd diskutiert worden war, welche die Hapag im weltweiten Ranking nach vorn gebracht hätte. Inwieweit die Konzernführung in Kopenhagen den MSCDeal goutiert, darf bezweifelt werden. Jenseits der Gründe des Scheiterns der hanseatischen Fusion hat der Senat versagt, denn Politik kann (fast) immer gestalten, wenn sie nur will.
Erster Bürgermeister zum Zeitpunkt der Fusionsgespräche war übrigens Olaf Scholz
Die jüngste Debatte um den Einstieg der chinesischen COSCO bei einem Hafenterminal spricht auch nicht dafür, dass es im Rathaus eine konsistente langfristige hafenpolitische Strategie gibt.
Auch das Ausklammern der Elbvertiefung belegt dies. Zwar ist die jüngste Elbvertiefung nach jahrelangen Diskussionen umgesetzt worden, doch verhindert Verschlickung bis jetzt die vollständige Nutzung.
Mag letzteres Problem zwar bald gelöst sein, so bleibt die Frage, ob die letzte Vertiefung ausreicht, um mit dem Schiffsgrößen-Wachstum mitzuhalten. Hafenmanager Gunther Bonz hat jedenfalls bereits 2016 die Notwendigkeit weiterer Elbvertiefungen nicht ausgeschlossen. Wenn auch Indizien dafür sprechen, dass das Schiffsgrößenwachstum absehbar endet, so ist diese Frage mitnichten final beantwortet, zumal am Horizont bereits die Energiewende in der Schiffahrt mit völlig offenen Implikationen erkennbar ist.
Die nicht optimale Schiffbarkeit der Elbe gilt jedenfalls als ein Grund dafür, dass Hamburg im Containerumschlag gegenüber dem Konkurrenten Rotterdam auf etwa die Hälfte des Transportvolumens zurückgefallen ist, nachdem man vor 15 Jahren kurz davor stand, Rotterdam zu überholen. Bis in die 1980er Jahre hatte die Hansestadt auf eigenem Gebiet in der Elbmündung den Tiefwasserhafen Neuwerk-Scharhörn geplant, dann vor rund 20 Jahren Cuxhaven als Tiefwasserhafen unterstützt, welcher aber gegen Wilhelmshaven verloren hat.
Die hanseatische Hafenpolitik bleibt auch mit dem MSC-Deal ihrer jüngeren Tradition treu, mehr Fragen und Probleme aufzuwerfen anstatt sie langfristig
zu lösen.
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Dr. Martin Probost
Der Verfasser befasst sich in seiner vor Kurzem im Wachholtz-Verlag publizierten Dissertationsschrift mit der hanseatischen Verkehrspolitik mit dem Fokus auf dem Flughafenprojekt Hamburg-Kaltenkirchen, aber auch dem Hafenprojekt Neuwerk/Scharhörn.
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