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Rechtsprechung je nach Einzelfall

Horror-Häuser in Deutschland: Wer will da wohnen, wo gemordert, gefoltert und vergewaltigt wurde?

ARCHIV – Die noch rauchenden Trümmer des ehemaligen Hofes des «Kannibalen von Rotenburg», Armin M. Das historische Fachwerkhaus war aus bislang ungeklärter Ursache in Brand geraten und wurde komplett zerstört. Foto: Boris Roessler/dpa

von CHRISTINE SCHULTZE & NICOLE SCHIPPERS

ROTENBURG/FULDA/FRANKFURT – Auf die einen wirken sie unheimlich und abschreckend, andere fühlen sich magisch angezogen:

Häusern, in denen einst tödliche Verbrechen geschahen, haften die düsteren Ereignisse oft lange an. So war es auch im Fall des früheren Gutshofes, in dem der als «Kannibale von Rotenburg» bekanntgewordene Armin Meiwes vor seiner Inhaftierung lebte.

Er hatte im Jahr 2001 in dem Haus einen Internet-Bekannten getötet, zerlegt und Teile des Körpers gegessen. Lange stand das baufällige Fachwerk-Anwesen in einem kleinen Ortsteil von Rotenburg an der Fulda leer, nun ist nach einem Brand vor einigen Tagen nur ein Haufen abgebrannte Möbel und Schutt von der Immobilie übrig geblieben, wie Ortsvorsteherin Sylvia Schellhase sagt. Wie es mit dem Grundstück weitergeht, sei offen.

Fest steht: Wenn Häuser oder Wohnungen zum Schauplatz von Mord oder anderen aufsehenerregenden Verbrechen werden, kann das beispielsweise ihre Verkaufschancen empfindlich schmälern. Manche Menschen empfänden eine gewisse Ablehnung, hätten Angst oder fühlten sich in solchen Immobilien nicht wohl, sagt der Sprecher des Immobilienverbandes IVD Mitte, Frank Alexander. Sie stünden dann teils über Jahre zum Verkauf, was auf den Preis drücke. «Im Extremfall können sie auch unverkäuflich sein», sagt Alexander. Es gebe aber auch Interessenten, denen die Vorgeschichte egal ist, und die auch bei einem solchen Objekt zugreifen – das sei Einstellungssache und die Bandbreite groß.

Mit apricotfarbenem Anstrich

So fand beispielsweise das «Horror-Haus» im österreichischen Amstetten einen neuen Besitzer, in dem sich zuvor eines der unglaublichsten Verbrechen der Kriminalgeschichte ereignet hatte: 24 Jahre lang hielt dort der Elektrotechniker Josef Fritzl in einem Kellerverlies seine eigene Tochter als Sklavin und zeugte mit ihr sieben Kinder. Einige Jahre nach Aufdeckung des Verbrechens kaufte ein Gastwirt das Haus und vermietete die Wohnungen nach einer gründlichen Renovierung und einem apricotfarbenen Anstrich für das Haus. «Man kann es nicht ewig leer stehen lassen. Wir müssen Leben hineinbringen», sagte der neue Besitzer seinerzeit.

Wie weit die Sichtweisen auseinandergehen, zeigt sich auch bei Rechtsstreitigkeiten um betroffene Immobilien: So entschied das Landgericht Coburg 2022, dass eine Hausverkäuferin nicht darauf hinweisen musste, dass in ihrer Immobilie einst ein Verbrechen geschehen war. Das Gericht wies damit die Klage einer Käuferin ab, die 2018 das Haus erworben hatte, in dem 20 Jahre zuvor eine Frau und ihr kleines Kind ermordet wurden. Die Klägerin hatte nach dem Kauf von dem Verbrechen erfahren und wollte das Geschäft wegen arglistiger Täuschung rückgängig machen.

Aus ihrer Sicht hätte die Verkäuferin auch ohne ausdrückliche Nachfrage auf den Doppelmord aus früheren Zeiten hinweisen müssen. Das Landgericht Coburg sah jedoch keine arglistige Täuschung – auch deshalb, weil der Doppelmord schon so lange zurücklag. Außerdem habe die Verkäuferin erst von dem Verbrechen erfahren, nachdem sie das Haus 2004 gekauft hatte – und ihr habe die Vorgeschichte der Immobilie nichts ausgemacht.

Rechtsprechung je nach Einzelfall

Der Frankfurter Rechtsanwalt Andreas Hübner rät Verkäufern dennoch, auf solche Vorkommnisse hinzuweisen. Mit einem Vermerk im Kaufvertrag, dass der Käufer Kenntnis über ein Verbrechen in der Vorgeschichte habe, seien sie auf der sicheren Seite, sagt der auf Immobilienrecht spezialisierte Anwalt. «Das bietet dem Verkäufer die Sicherheit, dass kein arglistig verschwiegener Mangel festgestellt wird.» Die Rechtssprechung bei diesem Thema stelle auf den Einzelfall ab und richte sich vor allem danach, welches Verbrechen in einem Haus oder einer Wohnung passiert sei und wie lange die Tat zurückliege.

Grundsätzlich gehören Wohnhäuser und Wohnungen zu den häufigsten Verbrechensschauplätzen. In Hessen beispielsweise gab es im vergangenen Jahr laut Polizeilicher Kriminalitätsstatistik 243 Fälle von Straftaten gegen das Leben, darunter 194 versuchte und 49 vollendete Taten. Dazu gehörten nach Angaben des Landeskriminalamtes Fälle von Körperverletzung mit Todesfolge und Mord sowie Mord im Zusammenhang mit Raub oder einem Sexualdelikt, Totschlag und minderschwerer Totschlag. Von «Rohheitsdelikten» sprechen die Kriminalisten bei solchen Verbrechen. Von den 49 vollendeten Taten ereigneten sich 12 in Mehrfamilienhäusern, die damit die am häufigsten aufgeführten Tatorte waren, gefolgt vom Tatort Straße mit 8 Fällen und von Einfamilienhäusern mit 5 Fällen.
Tatortreiniger entfernen letzte Spuren

Die Spuren eines Verbrechens beseitigen sogenannte Tatortreiniger. Die spezialisierten Gebäudereiniger werden meist von Vermietern, Hausverwaltungen, Immobilieneigentümern, Angehörigen oder vom Nachlassgericht beauftragt, wie Benjamin Molitor vom Tatortreiniger Team erklärt. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Mainz (Rheinland-Pfalz) ist bundesweit im Einsatz. Mit speziellen Reinigungsmitteln und -methoden entfernen die Mitarbeiter Körperflüssigkeiten, Gewebe und Blut.

Wie aufwendig die Reinigung eines Tatortes ist, hängt Molitor zufolge vor allem davon ab, wie lange der Schauplatz des Verbrechens für die polizeilichen Ermittlungen gesperrt war, beziehungsweise wie lange eine Leiche dort gelegen hat. «Wenn Leichenflüssigkeit und Blut schon tief eingezogen sind, dann muss der Boden in der Regel entfernt werden, zum Teil auch die Decken, Wände sowie Holztüren und -fenster.»

Den Leichengeruch herauszubekommen, dauere mindestens vier Wochen, manchmal auch zwei bis vier Monate. «Man kriegt eigentlich jeden Tatort irgendwie wieder hin. Es ist halt nur eine Kostenfrage», sagt Molitor. Nach einem Mord etwa koste die Reinigung zwischen 2000 und 4000 Euro. Habe die Leiche längere Zeit gelegen, fingen die Kosten bei 10 000 Euro an.

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Klaus Kelle, Chefredakteur