Ich bin für die Direktwahl des Bundespräsidenten: Schlimmer als jetzt kann es nicht werden

von CHRISTIAN KOTT
BERLIN – Vergangene Woche hat Frank Walter Steinmeier verkündet, dass er für eine zweite Amtszeit als Bundespräsident zur Verfügung stünde. Der Jubel auf den Straßen Deutschlands hielt sich in Grenzen – außer bei der Berliner Politprominenz, denn deren Erwartungen hat Steinmeier im Gegensatz zu der der Bevölkerung tatsächlich erfüllt. Was einen sofort skeptisch machen sollte: Gleich danach freute sich als erstes die FDP über seine erneute Kandidatur und signalisierte Zustimmung. Merke: Wann immer die FDP aus der Opposition heraus der Regierungslinie zustimmt (und das kam in den letzten Jahren erstaunlich oft vor) dann handelt es sich um eine richtig schlechte Idee.
Steinmeiers Präsidentschaft war eine einzige Enttäuschung
Zu allem Ja und Amen sagen, verfassungsrechtlich bedenkliche Gesetze binnen Stunden nach Parlamentsbeschluß unterschreiben, dem antisemitischen Terroristenregime im Iran zum Jahrestag der Revolution ein Glückwunschtelegramm schicken, Extremismus immer nur auf der rechten Straßenseite zu kritisieren und ansonsten vor Pathos triefende Reden halten ohne ein einziges wirklich unter den Nägeln brennendes Thema zu streifen. Man kann Steinmeier wirklich nicht vorwerfen, nicht verstanden zu haben, was Merkel und ihre blutleeren Technokraten von ihm erwarteen.
Aber was die Bevölkerung von einem Bundespräsidenten erwartet und was tatsächlich seine verfassungsmäßigen Aufgaben sind, das ist Steinmeier offensichtlich ebenso völlig Schnurz wie dem erlauchten Kreis von gerissenen Machtpolitikern, die ihn wählen. Kein Wunder, so etwas passiert, wenn man einen reinen Parteipolitiker in ein Staatsamt hievt, das eigentlich Zivilcourage, eine gesellschaftspolitische Vision und eine gewisse Überparteilichkeit erfordert. Gerade deshalb kam man in der Vergangenheit auf andere Persönlichkeiten, die dieses Amt auch ausgefüllt haben wie Roman Herzog, Richard von Weizsäcker und auch Horst Köhler.
Wenn nun die Wiederwahl des (nach Johannes Rau) zweitschlechtesten Bundespräsidenten aller Zeiten am Grünen Tisch ausgekungelt wird, dann ist es Zeit zu fragen, ob das System, nach dem ein Bundespräsident bestimmt und gewählt wird noch zeitgemäß ist. Die Chefetagen in den Parteizentralen jedenfalls haben sich – obwohl das jahrelang gut funktioniert hat – als völlig unwillig erwiesen, den richtigen Kandidaten zu bestimmen.
Eine Direktwahl des Bundespräsidenten wird immer mal wieder ins Spiel gebracht. Wählen wir den Bundespräsidenten doch selbst! Bislang konnte man dagegen ins Feld führen, dass das keine gute Idee weil zu riskant sei. Eine Personenwahl bei so einem wichtigen Amt würde das Staatsoberhaupt noch vor seiner Wahl in tagespolitische Stimmungen ziehen.
Aber dieses Argument zählt nicht mehr, denn etwas Schlimmeres als eine weitere Amtszeit für Steinmeier könnte auch bei einer Direktwahl nicht herauskommen, und eine Wahl von Ralf Stegner oder Peter Altmaier wäre gerade bei einer Direktwahl ganz sicher vollkommen ausgeschlossen. Annalena Baerbock kann es auch nicht werden, die wird nämlich schon Bundeskanzlerin.
Und viele andere Länder machen es vor, indem sie das Staatsoberhaupt vom Wähler direkt bestimmen lassen ohne dass dort katastrophale Fehlentscheidungen die Folge wären. Jedenfalls keine, die schlimmer als Steinmeier wären.
Und einen größeren demokratischen Hohn als eine sogenannte „Bundesversammlung“, in der Parteien nach dem Schlüssel ihres Proporzes vermeintliche „Persönlichkeiten“ benennen, nachdem sie sich ihrer Abstimmungsloyalität versichert haben, kann man sich ohnehin nicht vorstellen. Kein Wunder, dass die Einschaltquoten dieser peinlichen Veranstaltung auf Phoenix noch niedriger waren als die des Mitternachtstestbildes des Saarländischen Rundfunks.
Es ist an der Zeit, den Mangel an demokratischer Kultur und an Respekt vor der Bevölkerung, die schon längst nicht mehr als „Volk“ sondern als „Untertanen“ regiert wird, ein wenig auszugleichen und dem Wähler mehr von seiner Souveränität in die eigenen Hände zu geben. Wenn es gelänge, die Direktwahl des Bundespräsidenten schnell und unkompliziert durchzusetzen, um Deutschland vor einer zweiten Amtszeit Steinmeiers zu bewahren, dann wäre allein dadurch seine erste Amtszeit wenigstens zu irgendetwas nütze gewesen.
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