Klima-Volksbegehren in Berlin: Ein Dämpfer für die grünen Gesellschaftsingenieure
von JULIAN MARIUS PLUTZ
BERLIN – Ich mag ihn ja auch nicht, spätestens seit Corona, aber zum Thema “Energiewende” – wie kann man Energie eigentlich wenden? – hat Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer einen Punkt. Auf die Frage bei Maybrit Illner, weshalb in seinem Bundesland im Jahr 2022 lediglich elf Windräder gebaut wurden, antwortete der Ministerpräsident: “Weil wir hier eine Bevölkerung haben, die das nicht möchte”.
Manchmal kann Politik so einfach sein
Wenn man das mit der Demokratie einfach ernst nimmt, dann sollte der Wille der Mehrheit vorrangig behandelt werden.
So passierte es auch am 26. März in Berlin. Der Volksentscheid, nach dem Berlin bereits 2030 “klimaneutral” werden sollte, ist gescheitert. Auch hier fragt sich der simple Geist des einfachen Autors: Wie funktioniert das genau? Erst soll “das Klima”, offenkundig ein monolithischer Ansprechpartner, gewendet werden, um es anschließend zu neutralisieren? Klingt ein bisschen wie die älteren Damen und Herren im Altenheim, die aufgrund der Gefahr, dass sich ein Dekubitus bildet, immer wieder umgelagert werden müssen, bis er, oder sie, schließlich friedlich entschlafen. Ist “das Klima” etwa eine alte Person, die man irgendwann neutralisieren muss ?! Das klingt irgendwie herzlos.
Die Berliner hatten einfach keine Lust
Wie auch immer: Die Berliner wollen das nicht, Zwar erreichten die Befürworter aller Stimmen eine knappe Mehrheit von 50,9 Prozent, jedoch wurde das erforderliche Quorum von rund 600.000 Ja-Stimmen deutlich verfehlt. Mit Nein stimmten 423.418 Berliner, was rund 49 Prozent ausmacht. Viele Experten hatten vermutet, dass die meisten Gegner des Volksentscheid eher gar nicht abstimmen, als dagegen zu wählen. Die Beteiligung lag insgesamt bei lediglich 35,8 Prozent.
Für alle, die dachten, Berlin, ausgesprochen Balin, sei ein hoffnungsloses wokes Shithole, besiedelt von “Wahlberlinern” aus Bad Königshofen, Schwetzingen, Landau, Remscheid und Bad Bocklet, denen sei gesagt, ja, das stimmt. Aber vielen Wahlberechtigten ist der Gang zur Urne für irgendwelche salonsozialistischen Spinnereien dann doch zu doof. Da bleibt man lieber zu Hause. Und andere, immerhin fast die Mehrheit, wandten sich dann doch gegen den Vorschlag, bis zum Jahr 2030 “klimaneutral” zu sein.
Die Grünen “kämpfen weiter”
In München ist man da schon weiter. Die Landeshauptstadt von Bayern möchte bis 2035 „klimaneutral“ werden. Die Stadtverwaltung bereits bis 2030. So hat der Stadtrat vor geraumer Zeit einen “Maßnahmenplan” mit einem Finanzierungsvolumen von 500 Millionen Euro bis 2025 beschlossen. Konkret heißt das: 68 Einzelmaßnahmen für das Klima, für die Menschen und für die Wende. Ob die Bürger der Stadt bei einer Umfrage auch für diese klimagewendete Klimaneutralität gestimmt hätten? Ich kann es mir kaum vorstellen. Vielleicht wäre das Vorhaben ja auch am Quorum gescheitert.
In Berlin wurde abgestimmt und das Vorhaben ist gescheitert. Gut so!
So wurde ein Stückchen Planwirtschaft von der Bundeshauptstadt abgewendet. Luisa Neubauer sieht das freilich anders: “Eine Mehrheit für #Berlin2030 & trotzdem reicht es nicht. Das ist nicht nur hart für den Volksentscheid, sondern für alle, die sich darauf verlassen können, dass beim Klimaschutz endlich losgelegt wird. Wir kämpfen bergauf. Aber auch nach heute ist klar: Wir kämpfen weiter,” schreibt die Klimaaktivistin auf Twitter. Jawoll! “Holger, oder Luisa, egal, der Kampf geht weiter!”
Der “alte, weiße Mann” stört nur
Auch Johannes Wagner, Mitglied des Bundestags für die Grünen, gibt sich kämpferisch und sieht das Positive in der Niederlage: “Es ist einfach so krass, was @klimaneustart auf die Beine gestellt hat. Die Mehrheit der abgegebenen Stimmen dafür! Das ist schon ein starkes Zeichen!” Ja, ja, die Zeichen. Zwar drehen sich Windräder im Schnitt in sieben Tagen immerhin einen ganzen Tag lang, zwar schreddern sie Vögel und verschandeln Landschaften, aber ein Zeichen hat man gesetzt. Damit alle Leute wissen, dass die Grünen nicht nur reden, sondern auch handeln.
Der Wille des Volkes ist dabei nur ein störendes Etwas im Kampf, das System in eine hübsche Ökodiktatur umzumodeln. Bei der “Erschaffung des neuen Menschen”, wie es bereits die Achtundsechziger forderten, stört der “alte Mensch” bloß. Weg mit den Boomern, Weg mit den alten, weißen Männern, die am Ende, wie Sachsens Ministerpräsident, anstatt die Energie ins Neutrale zu wenden, die Chuzpe haben, ab und zu auf sein Volk zu hören. Die Gesellschaftschirurgen und Gemeinschaftsingenieure haben für einen Moment Funkstille. Gut so! Man kann nur hoffen, dass dies kein Strohfeuer bleibt.
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