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Man sucht die Vielfalt und findet sie nicht…

Marco Reese
Betende Frau.

von MARCO REESE

Erik von Kuehnelt-Leddihn (+1999) bemerkte gern, daß der Mensch immer von dem spreche, was er nicht habe: Hungrige sprechen vom Essen, Arme vom Geld. Heute spricht man von “Diversity”

So liegt der Schluss nahe, daß es unserer Zeit an “Diversität” fehle.

“Divertere”(lat.) kann Trennung, Verschiedenheit, Abweichung, Vielfalt bezeichnen – zunächst wertfrei.

Heute ist die Bedeutung regelmäßig positiv.

Arthur O. Lovejoy (+1972) stellte die “romantische” Idee des „diversitarianism” der “aufklärerischen” des “uniformitarianism” gegenüber. Jene betone die Unterschiede, diese das Gemeinsame. Kuehnelt nannte die Einförmigkeit “Identity” oder “sameness”: diese sei mit dem tierischen “Herdentrieb” verbunden, “Diversity” sei rein menschlich.

“Diversität” gilt als “linke” Idee – mit Recht? 

“Wokeness” stellt “Weiße” und “people of color” einander gegenüber, betont die (rassische) “Identität”, unter Absehung von tatsächlichen Beziehungsgeflechten (z B in Freundschaft, Betrieb oder Familie).

Ein Mann hat zu Fragen des ungeborenen Lebens zu schweigen – als Mann.

Die Beziehungen zwischen Mutter und Kind, Mutter und Vater, Vater und Kind…bleiben außen vor – dabei ist hier eine “Diversität”, die kaum übertroffen werden kann.

Die Erweiterung des “Gender”-Spektrums hin in eine Pan-Sexualität, die den Menschen zum Triebwerkzeug zurückstuft, verwischt jeden Unterschied zwischen den nunmehr beziehungslosen Menschen.

Übrig bleibt die einförmige Masse.

Das Christentum aber sieht in jedem Menschen eine unverwechselbare Person. Diese wird nicht als isoliert betrachtet – sie ist ja Geschöpf Gottes und beginnt wehr- und hilflos:

“Die ersten Menschen Vater, Mutter, Kinder sind keine Communität von Individuen (…) sondern eine Familie (…) Die Familie also ist der erste Staat”, so Karl Ernst Jarcke (+1852)

Die der Schöpfung eingeschriebene Ungleichheit (zunächst nach Geschlecht und Alter) erklärt der Hl. Thomas (+1274) damit, daß “die Schönheit der Ordnung im Menschen heller erstrahle”

Kuehnelt entwickelte aus dem Gegensatz von Identität und Diversität eine Polarität von “Links” (in vielen Sprachen negativ besetzt) und “Rechts” (positiv). Links seien etwa die “Ein-Falt”, der Nationalismus, der Rassismus und der Klassenhass, rechts die Vielfalt, die Vaterlandsliebe und der Reichsgedanke, der es ablehne, von Mehr- und Minderheiten zu reden.

Es ist ein Unterschied, ob ein “Cocktail” erstrebt wird oder ob es sich um ein “Mosaik” handelt (wiederum eine Unterscheidung Kuehnelts). Das Heilige Römische Reich und Österreich-Ungarn waren Mosaike. Letztes ging durch eine falsche Nationalitätstheorie zugrunde, vor der Jarcke als katholischer Universalist warnte. Vom vielfältig geprägten Grafen Bombelles (dem Erzieher des jungen Franz Joseph) sagte er, dieser habe statt einer “Nationalität” ein “Vaterland”: Österreich mit seinem Haus Habsburg. Johannes Janssen (+1891) betonte das “kosmopolitische” Wesen nicht nur der Kirche, sondern auch des christlichen Kaisertums.

Die Kirche ist weltweit und hat darum auch eine einende Sprache, ohne kulturelle Vielfalt zu leugnen.

Also Einheit in Vielfalt?

Bekannt ist das Gleichnis des Hl. Paulus in 1. Kor 12, wo der Apostel die Vielfalt an Gliedern, Gaben und Diensten der Einigkeit des Leibes, bzw. des Geistes, bzw. des Herrn gegenüberstellt.

Jarcke nennt den “germanischen Staat” ein “Aggregat von lauter Staaten im Staate”; Kuehnelt erinnerte an die Worte des Hl. Stephan von Ungarn (+1038): ein Reich von nur einer Sprache und Sitte sei gebrechlich und dumm. Darum hat der Konservative nichts gegen “Parallelgesellschaften” – sofern sie sich nicht auf Kosten der anderen Glieder erheben und dem Wesen des Ganzen widersprechen (Blutrache oder Witwenverbrennung finden keinen Platz unter dem Mantel der Kirche)

Vorstöße dänischer oder kärntnerischer “Rechts”populisten gegen das Grönländische bzw. das Slowenische in Institutionen erinnern an die Frz. Revolution, die gegen alles ins Feld zog, was nicht zur “einen und unteilbaren Nation” passte, ob elsässische Tracht und Sprache, romanische Dialekte oder die Vorrechte der Landesteile.

Die Wertordnung des “Westens” ist im gekreuzigten Leibe Jesu Christi vorgezeichnet, dessen Haupt Er selbst ist. Das Kreuz ist Zeichen der erduldenden (“tolerare”) Liebe Gottes, der Mensch wird.

“Toleranz”,wie der Bamberger Erzbischof Gössl unlängst betonte, geht von diesem Kreuz aus

Sie darf nach Jarcke und Kuehnelt nicht mit Indifferenz verwechselt werden. “Erdulden” ist nicht Gleichgültigkeit.

In einer Gesellschaft ohne Kreuz aber wird, so der Erzbischof, nicht mehr, sondern weniger Toleranz geben.

Vielleicht liegt darin der Grund des Geredes um Vielfalt und Toleranz: daß das Kreuz in den letzten Jahrhunderten mit ihrem Absolutismus (fürstlich oder “volkssouverän”), Zentralismus und Materialismus weithin entschwunden ist.

Man sucht die Vielfalt und findet sie nicht.

Denn vom Kreuz möchte man nichts wissen. Und dies ist ein Versäumnis nicht nur derer, die sich “links” nennen.

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Klaus Kelle, Chefredakteur