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Meinungsfreiheit: Wie man ohne Zensur unerwünschte Meinungen verdrängt?

Fake News kann man melden – derzeit aber mit begrenzten Aussichten auf eine schnelle Löschung. Foto: Franziska Gabbert

von FELIX HONEKAMP

Auf Druck der Bundesregierung, insbesondere des Justizministers, hat sich Facebook in Deutschland entschieden, Postings zukünftig einem Check auf ihren Wahrheitsgehalt zu unterziehen. Zielsetzung dabei ist interessanter Weise nicht die Löschung eines solchen Beitrags sondern eine Markierung, die auf Zweifel am Wahrheitsgehalt hinweisen soll. Eine solche Markierung soll auch bei einer weiteren Verbreitung („Teilen“) vererbt werden. Da man das organisatorisch nicht für alle Beiträge machen kann, wird man sich auf die Prüfung derjenigen Beiträge beschränken, die von anderen Nutzern als Falschmeldungen gemeldet werden und sich stark verbreiten. Starten soll das Vorgehen nach Medienberichten bereits im Februar.

Klar ist, dass eine solche Prüfung nicht durch Facebook selbst geleistet werden kann. Klar sollte sein, dass eine Instanz, die eine Wahrheitseinschätzung vornimmt, wenn es sie denn schon geben soll, soweit wie möglich neutral aufgestellt sein sollte. Jede Form der Voreingenommenheit muss eine solche Instanz objektivierbar von sich weisen können.

Facebook Deutschland hat sich für die Unterstützung durch ein verhältnismäßig kleines Recherchebüro entschieden: Die Agentur „Correctiv“ aus Essen und Berlin. Correctiv ist gerade eben erst ein kleiner Scoop mit der Aufklärung von Hygienemissständen in deutschen Krankenhäusern gelungen. Das zeigt, dass auch ein kleines Recherchebüro durchaus in der Lage sein kann, ein nicht ganz kleines Thema zu stemmen. Ausreichend Kapazitäten und richtige Steuerung vorausgesetzt: Warum sollte Correctiv den Facebook-Auftrag nicht erfüllen können?

Etwas anderes ist die gebotene Neutralität – und bei der darf man Zweifel haben. Bereits auf der Correctiv-Homepage prangen einem unter dem Abschnitt „Schwerpunkte“ die gängigen Aufreger entgegen: „Neue Rechte / AfD“, „Ungerechte Arbeitswelt“ oder „Klimawandel“ sind solche Schwerpunkte. Unter „Neue Rechte / AfD“ wird über den russischen Auslandssender „Russia Today“ berichtet, dessen Beiträge über Facebook tausendfach verteilt werden. In einer Serie setzt sich Correctiv mit den „Medien der Neuen Rechten“ auseinander und wirbelt munter die „Junge Freiheit“, „Compact“ oder „Politically Incorrect“ durcheinander, nicht ohne vorher in einem einleitenden Beitrag darauf hinzuweisen, dass man auch andere Medien wie „Tichys Einblick“ oder „eigentümlich frei“ in diesen Kontext einsortieren würde, deren Untersuchung aber unterbleiben musste. Diese Einleitung endet mit den Worten „Und alle diese Medien werden im kommenden Jahr im NRW-Landtagswahlkampf und im Bundestagswahlkampf vermutlich eine wichtige Rolle spielen. Wer die wichtigsten Akteure kennt, weiß auch ihre Botschaften besser einzuschätzen.“

Der aktuelle Aufmacher zum Thema „Klimawandel“ ist überschrieben mit „Warum der künftige Hitzkopf im Weißen Haus den Klimawandel beschleunigen wird“. Darin, wie in den anderen Beiträgen, wird der menschengemachte Klimawandel als bewiesen vorausgesetzt, andere Meinungen werden als Leugnung diffamiert. Eines der Fazits: „Der UN-Klimaschutzvertrag ist nicht dazu geeignet, die amerikanischen Klimawandel-Leugner zu bremsen. […] Trump kann den Vertrag ignorieren, aussitzen oder belächeln. […]“

Nun kann man das eine oder andere der genannten Medien durchaus kritisch sehen. Man muss auch nicht allen, die den vom Menschen maßgeblich beeinflussten Klimawandel propagieren, eine politische Agenda unterstellen. Aber kann man einem Rechercheteam, das sich in bestimmten politischen Fragen bereits so eindeutig positioniert hat, noch eine neutrale Moderatorenrolle zuordnen? Werden sie eigenen Aussagen widersprechenden Beiträgen neutral gegenüber stehen? Die Frage klingt rhetorisch und ist es auch. Genau wie die: Ist eine neutrale Moderatorenrolle seitens der Politik und in Folge umgesetzt durch Facebook überhaupt gewollt?

Immerhin, so könnte man einwenden, ist zunächst nicht mehr geplant, angebliche Fakenews zu löschen. Trotzdem darf man den Effekt eines Hinweises „Zweifelhafter Inhalt“ an einem Posting nicht unterschätzen. Viele werden zweimal überlegen, ob sie einen solchen Beitrag teilen. Wie werden Facebooknutzer umgehen mit Profilen auf denen sich solche Beiträge häufen? Wie werden sie damit umgehen, wenn einige ihrer eigenen Beiträge plötzlich als zweifelhaft bewertet werden? Wie werden deren Kontakte wiederum damit umgehen? Die Schweigespirale dreht sich damit auf ganz leisen Sohlen, scheinbar völlig harmlos, weiter. Wer den Begriff „Nudging“ googled, weiß, was hier versucht wird.

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Klaus Kelle, Chefredakteur