Nach heftiger Kritik an AfD-Aussagen: Und wieder rudert Friedrich Merz zurück
BERLIN – Nach der innerparteilichen Kritik an seinen Äußerungen zum Umgang mit der AfD in den Kommunen hat der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz eine Kooperation mit der AfD in Städten und Gemeinden abgelehnt. Er schrieb am Montag auf Twitter: «Um es noch einmal klarzustellen, und ich habe es nie anders gesagt: Die Beschlusslage der CDU gilt. Es wird auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben.»
Dagegen hatte Merz am Sonntagabend getwittert: «Das Thema Zusammenarbeit mit der AfD betrifft die gesetzgebenden Körperschaften, also im Europaparlament, im Bundestag und in den Landtagen.» Dies entsprach der Linie, die er zuvor im ZDF-Sommerinterview vertreten hatte.
Dort sagte Merz, Kommunalpolitik sei etwas anderes als Landes- und Bundespolitik. Wenn jetzt in Thüringen ein Landrat und in Sachsen-Anhalt ein Bürgermeister von der AfD gewählt worden sei, dann seien das demokratische Wahlen. «Das haben wir doch zu akzeptieren. Und natürlich muss in den Kommunalparlamenten dann auch nach Wegen gesucht werden, wie man gemeinsam die Stadt, das Land, den Landkreis gestaltet.»
Äußerungen stoßen auf Empörung in den eigenen Reihen
In der eigenen Partei stießen Merz‘ Äußerungen zuvor auf heftige Kritik. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner schrieb auf Twitter: «Die AfD kennt nur Dagegen und Spaltung. Wo soll es da ZUSAMMENarbeit geben? Die CDU kann, will und wird nicht mit einer Partei zusammenarbeiten, deren Geschäftsmodell Hass, Spaltung und Ausgrenzung ist.» Die AfD dagegen sieht die Merz-Äußerungen positiv und will zusammen mit der CDU künftig Zusammenarbeit möglich machen.
Der Berliner CDU-Abgeordnete Christian Gräff übte ebenfalls scharfe Kritik. «Für mich ist Friedrich Merz eine fast schon tragische Figur. Er hat, bei allen Talenten, leider oft kein Gespür für die richtigen Themen, schon gar nicht den richtigen Zeitpunkt», sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion dem «Tagesspiegel». «Doch genau dieses Gespür wird die CDU brauchen. Deshalb ist Merz nicht als Kanzlerkandidat der Union geeignet.»
Es sei vollkommen richtig, den parteipolitischen Fokus auf Sicherheitsfragen zu legen oder die Frage nach gelungener oder gescheiterter Integration zu stellen, sagte Gräff, der auch Landesvorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsunion der CDU/CSU ist. Aber es sei falsch, die Brandmauer zur rechtspopulistischen AfD einzureißen. «Wir Christdemokraten müssen unsere Konzepte ohne derartige Zugeständnisse bewerben und umsetzen können.»
NRW-CDU pocht auf klare Trennlinie
Die Äußerungen des CDU-Bundesparteichef provozieren auch in seinem Heimatverband Nordrhein-Westfalen Klarstellungen und Distanzierung. NRW-Innenminister Herbert Reul möchte auf keiner Ebene mit der AfD kooperieren. Der Grundsatz der CDU, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten sei «richtig, zwingend und notwendig», sagte der CDU-Politiker am Montag im Deutschlandfunk. «Es muss da ein klarer Strich gezogen werden.»
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und CDU-Landesschef Hendrik Wüst äußerte sich nicht zu Merz‘ AfD-Kommentaren. Wüst sei «urlaubsbedingt leider nicht verfügbar», teilte die Landespartei auf dpa-Anfrage mit. Merz hatte zuvor mit interpretationsbedürftigen Äußerungen zur AfD Verwirrung gestiftet und für Unmut gesorgt. Nach innerparteilicher Kritik lehnte Merz am Montag eine Kooperation mit der AfD in Städten und Gemeinden ab. Merz‘ auf Twitter verbreitete Erklärung dazu leitete Wüst auf seinem eigenen Account weiter.
Der CDU-Politiker und ehemalige saarländische Ministerpräsident Tobias Hans schrieb auf Twitter zu den Aussagen von Merz: «Der Parteitagsbeschluss besagt, dass jegliche Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen ist. Das hier ist die schleichende Verwässerung von Parteitagsbeschlüssen nach Wahlerfolgen der extremen Rechten.»
Ähnlich empört reagierte CDU-Bundesvorstandsmitglied Serap Güler: «Keine Zusammenarbeit mit der #AfD heißt: keine Zusammenarbeit mit der AfD. Auf keiner Ebene. Ganz einfach. Jetzt nicht und auch in Zukunft nicht.» Der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak schrieb auf Twitter, die AfD bedrohe den liberalen Rechtsstaat und die freiheitliche Gesellschaftsordnung – auch in den Kommunen. «Der #Unvereinbarkeitsbeschluss der @cdu ist eindeutig.»
In dem Beschluss heißt es unter anderem: «Jeder, der in der CDU für eine Annäherung oder gar Zusammenarbeit mit der AfD plädiert, muss wissen, dass er sich einer Partei annähert, die rechtsextremes Gedankengut, Antisemitismus und Rassismus in ihren Reihen bewusst duldet. (…). Die CDU lehnt jegliche Koalitionen oder ähnliche Formen der Zusammenarbeit mit der AfD ab.»
Auch Söder geht auf Distanz
Auch CSU-Chef Markus Söder erteilte einer Kooperation mit der AfD auch auf kommunaler Ebene eine deutliche Absage und geht damit klar auf Distanz zum CDU-Vorsitzenden.
«Die CSU lehnt jede Zusammenarbeit mit der AfD ab – egal auf welcher politischen Ebene», schrieb der bayerische Ministerpräsident am Montag auf Twitter. «Denn die AfD ist demokratiefeindlich, rechtsextrem und spaltet unsere Gesellschaft. Das ist mit unseren Werten nicht vereinbar.»
Die AfD fordere den Austritt aus EU und Nato und schwäche damit den Wohlstand und gefährde unsere Sicherheit. «Wir grenzen uns klar ab und setzen dagegen auf gute Politik: Wir nehmen die Sorgen und Nöte der Menschen ernst», schrieb Söder und fügte hinzu: «Die CSU steht für ein starkes und sicheres Bayern, damit unser Land stabil bleibt.»
Habeck: Mache mir große Sogen um Rolle der Union
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) erwartet von der Union nun Klarheit zum Umgang mit der AfD. «Deutschland braucht eine verlässliche konservative Partei», sagte der Wirtschafts- und Klimaschutzminister am Montag der Deutschen Presse-Agentur. «Verlässlich heißt standfest und lösungsorientiert in Regierung und Opposition. Nach den Äußerungen von Friedrich Merz vom Wochenende mache ich mir große Sorgen um die stabilisierende Rolle der Union in unserer gemeinsamen Republik.»
Eine «orientierungslose und irrlichternde Partei» leiste immer nur den Populisten Vorschub, warnte Habeck. «Ich hoffe daher sehr, dass nach diesen Äußerungen in der Union eine Reflexion stattfindet.»
AfD-Vorsitzender sieht Steine aus Brandmauer fallen
Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla schrieb zu der Debatte auf Twitter: «Nun fallen erste Steine aus der schwarz-grünen Brandmauer. In Ländern und Bund werden wir die Mauer gemeinsam niederreißen. Gewinner werden die Bürger sein, die Wohlstand, Freiheit und Sicherheit durch interessengeleitete Politik wiedergewinnen.»
Linnemann verteidigt Merz
Der neue CDU-Generalsekretärs Carsten Linnemann verteidigte Merz dagegen: Für die CDU sei klar, dass es «keine Zusammenarbeit mit der AfD» gebe, «egal auf welcher Ebene», sagte Linnemann der «Bild». «Das sieht auch Friedrich Merz so, wenngleich er zu Recht auf die schwierige Umsetzung vor Ort hinweist. Denn wenn es im Kommunalparlament etwa um eine neue Kita geht, können wir nicht nur deshalb dagegen stimmen, weil die AfD mitstimmt. Wir machen uns von Rechtsradikalen nicht abhängig.»
Merz hatte in der vergangenen Woche bei der Klausur der CSU-Landesgruppe die Union als «Alternative für Deutschland mit Substanz» bezeichnet. Dafür erntete er ebenfalls Kritik. Zu Beginn seiner Amtszeit als Parteivorsitzender hatte er «eine Brandmauer zur AfD» versprochen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die AfD im März 2021 als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft. Ein Verbot der Partei lehnte Merz in dem ZDF-Interview ab: «Parteiverbote haben noch nie dazu geführt, dass man ein politisches Problem löst.»
Die AfD liegt in einer Insa-Umfrage bundesweit bei 22 Prozent und damit nur noch vier Prozentpunkte hinter der Union. Damit legte die AfD in der wöchentlichen Umfrage im Auftrag der «Bild am Sonntag» um zwei Punkte zu. In den Erhebungen anderer Meinungsforschungsinstitute hatte die AfD zuletzt ebenfalls bei 20 Prozent gelegen. CDU/CSU kommen bei Insa auf 26 Prozent (minus 1 Punkt).
Zuletzt wurde im Landkreis Sonneberg (Thüringen) der AfD-Politiker Robert Sesselmann zum ersten AfD-Landrat Deutschlands gewählt. In Raguhn-Jeßnitz in Sachsen-Anhalt wurde ein AfD-Politiker zum hauptamtlichen Bürgermeister bestimmt.
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