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Nicht die Flüchtlingspolitik soll sich ändern, sondern wir unser Leben

von FELIX HONEKAMP

Das Jahr endet, wie es begonnen hat: Mit Terror! Waren es in der Silvesternacht in Köln und anderswo sexuelle Übergriffe, die nicht den juristischen, schon aber den faktischen Tatbestand des Terrors erfüllten, jetzt der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche. Und auch wenn die beiden Tatbestände nicht eins zu eins vergleichbar sind, so ähneln sich doch die Reaktionen.

Betroffenheit ist die erste und nachvollziehbare Reaktion. Trauer um die Opfer steht bei den meisten wohl an erster Stelle, wenn es um Gewalttaten geht. Wenn wir von unserer christlich abendländischen Kultur sprechen, dann steht es uns auch gut zu Gesicht, nicht als erstes (!) nach politischer Verantwortung zu rufen. Als Christ bin ich zum Gebet aufgefordert und auch dazu, mir in Erinnerung zu rufen, dass es eine überweltliche Hoffnung auf Erlösung gibt, deren weltliche Geburt wir in wenigen Tagen feiern werden. In die Sorge um die attackierten Frauen und um die Opfer des Anschlags in Berlin mischte sich aber direkt die Sorge, ob diese „Zwischenfälle“ politisch ausgeschlachtet werden könnten. Ralf Stegner von der SPD bewies hier dazu nach dem Anschlag in Berlin direkt politisches „Gespür“, in dem er auf twitter auf die „ekelhafte politische Ausweidung dieser Tragödie“ durch vermeintliche Rechte verwies, noch ehe ihm selbst ein nachvollziehbares Wort des Bedauerns für die Opfer einfiel. Demagogie kann er, der Stegner, und das zu Lasten der Opfer, in dem er Täter und Verantwortliche abzuschirmen versucht.

Auch der Aufruf zur Besonnenheit ist noch eine nachvollziehbare politische Äußerung. Hier wie in jedem Fall gilt: Nicht alles in einen Topf werfen, nicht Menschen in Sippenhaft nehmen, die mit den Taten nichts zu tun haben. Und nicht in Panik zu verfallen. Weniger nachvollziehbar sind aber die anderen Diskussionen, die jetzt, wie auch zu den anderen Terroranschlägen im Jahresverlauf, erneut anheben: Man könne nicht für vollständige Sicherheit sorgen, es sei aber wesentlich, dass die Überwachung verbessert werde. Die bessere Vernetzung von Geheimdiensten wird genau so angemahnt, wie deren bessere Ausstattung und Befugnisse. Beinahe abstrus schon Forderungen von Politikern wie „Innenexperte“ Stephan Mayer (CSU), der gegenüber der BILD die Möglichkeit von Weihnachtsmärkten generell zur Disposition stellen will – als wenn das eine angemessene Reaktion wäre und als wenn das die Politik einsam entscheiden könnte.

Was aber mit all den Forderungen nach einer Verbesserung der Sicherheitslage eigentlich gemeint ist, ist folgendes: „Um die Politik der offenen Grenzen und des freundlichen Gesichts gegenüber Migranten und Flüchtlingen weiter aufrecht erhalten zu können, müssen sich die schon länger hier Lebenden auf Einschränkungen ihrer Freiheit einstellen.“ Nichts anderes wird hier gefordert, wenn angesichts eines mutmaßlichen Täters aus Pakistan, der als „Flüchtling“ nach Deutschland gekommen ist, nicht die Frage nach einer Änderung der Migrations- und Flüchtlingspolitik gestellt wird sondern die Frage der Sicherheitsmaßnahmen. Nun kann man so etwas durchaus so entscheiden mit dem Hinweis auf humanitäre Notlagen in den Herkunftsländern. Zur Ehrlichkeit gehört es aber, das auch so auszusprechen.

Und immer wieder erklingt der Ruf nach einer angemessenen Verteidigung unserer Freiheit, unserer liberalen Gesellschaft, gegen den sich insbesondere islamistische Terroristen wenden. Zu einer solchen Freiheit gehört aber auch, selbst entscheiden zu können, wie das eigene Umfeld aussehen soll. Im Interesse eines gedeihlichen Miteinanders nimmt dabei jeder Bürger Einschränkungen in Kauf. Die weitgehende Preisgabe dieser Freiheit durch eine ohne gesellschaftliche Diskussion durchgesetzte Migrationspolitik zugunsten eines vagen Sicherheitsgefühls kann aber nicht legitim von außen aufgezwungen werden. Daran krankt die gerade erst neu angefachte Diskussion, daran krankt allerdings auch die gesamte bisherige Flüchtlingspolitik der Regierung.

Die Gefahr bleibt weiter virulent, dass auf dem Altar der Sicherheit und im Bemühen, ein Versagen der Politik nicht eingestehen zu müssen, die Freiheit mehr und mehr geopfert wird. Daher gilt es wachsam zu sein – nicht nur im Hinblick auf verwaiste Koffer in Bahnhöfen, Rucksäcken auf Volksfesten oder Zusammenrottungen von „Antänzern“. Wachsamkeit ist mit Blick auf die Freiheit ein Gebot der Stunde gegenüber denen, die jede Gelegenheit nutzen werden, die Freiheit derjenigen einzuschränken, die die Verantwortung für die wachsende Unsicherheit gar nicht tragen müssen.

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Klaus Kelle, Chefredakteur