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Dieses Wahlergabnis wird Peking nicht gefallen

Taiwan wählt selbstbewusst: Wie wird China auf die Wahl von Lai reagierten?

MARTIN EBERTS
In den Teehäusern von Taipeh werden die Wahlergebnisse und ihre Foögen heiß diskutiert.

von MARTIN EBERTS

TAIPEH – Keine Überraschung an den Wahlurnen in Taiwan: Ching-te („William“) LAI von der regierenden DPP hat die Wahl gewonnen. Rund 40 Prozent der Stimmen reichten ihm; für taiwanische Verhältnisse, dank des ungewöhnlichen Wahlsystems, eine komfortable Mehrheit. Das Oppositionslager war gespalten, und weil sich Kuomintang und die neue „taiwanische Volkspartei“ nicht zusammenraufen konnten, haben sie nun beide verloren – was zu erwarten war.

Taiwan bekommt nun für die nächsten vier Jahre wieder einen DPP-Präsidenten. Doch wird das Regieren für Lai deutlich schwieriger werden als für seine Vorgängerin Tsai, die nach zwei Amtszeiten nicht wieder antreten konnte. Er wird – auch das zeichnete sich bereits ab – mit einem Parlament zusammenarbeiten müssen, in dem seine DPP wohl gerade noch die stärkste Fraktion bilden, aber keine Mehrheit haben wird. Die Kuomintang konnte der DPP auch etliche Wahlkreise abnehmen, die lange Zeit als sicheres DPP-Territorium gegolten hatten. Das ist das Paradoxon dieser Wahl: Trotz eigentlich bestehender Wende-Stimmung gibt es an der Spitze keine Wende.

Mit Willaim Lai wird ein intelligenter und in allen Politikbereichen erfahrener Politiker das Präsidentenamt übernehmen.

Er war sowohl Premierminister, als auch zuletzt Vizepräsident – wobei das Amt des PM deutlich operativer ist. Ganz ohne Skandale verlief seine Karriere freilich nicht, und manches harrt noch der Aufklärung. Im Oppositionslager heißt es, diese Aufarbeitung erfolge nur deshalb nicht, weil neben der tatsächlich drückenden Dominanz der DPP in den Medien auch die Richterschaft nach acht Jahren gründlich umgekrempelt und DPP-geneigt sei.

Jedenfalls kennt sich Lai innen- und außenpolitisch aus. Seine schwache Stelle und ein echter wunder Punkt ist die Unmöglichkeit des Austausches oder auch nur Kontaktes zu Peking.

Für westliche Gesprächspartner wäre er hingegen ein Seelenverwandter und idealer Gesprächspartner. Nur leider wird niemand den Mut haben, auch mit ihm zu sprechen. Die Angst vor dem Zorn des Regimes in Peking sitzt bei allen „like-minded“ Partnern Taiwans einfach zu tief.

In der EU gilt seit langem die Regel, dass direkte Kontakte mit den „Big Five“, den fünf höchstrangigen Vertretern jenes Staates der existiert und doch verleugnet wird (der „Republik China / Taiwan“) zu vermeiden sind. Das heißt: es gibt kein Zusammentreffen mit Präsident, Vizepräsident, Premier, Außen- und Verteidigungsminister Taiwans. Einige mutigere (kleinere) EU-Mitglieder haben die Regel mehr oder weniger heimlich schon mal durchbrochen, beim Außenminister. Nur in Deutschland ist da nichts zu machen. Bei uns gibt es mit der „Big Seven“-Regel sogar ein noch weitergehendes Kontaktverbot, das zu allem Überfluss auch noch extensiv ausgelegt wird.

William Lai und seine Regierung werden es verkraften

Er ist die (relative) Einsamkeit schon gewöhnt und wird das Beste daraus machen. Der künftige Präsident wird im übrigen, auch das eine taiwanische Besonderheit, sein Amt erst im Mai antreten. Die lange Übergangszeit bietet immerhin die Möglichkeit einer ersten Probe auf die chinesische Reaktion, nach den üblichen Verbalinjurien. Und das ist jetzt die eigentlich spannende Frage: Wie wird Peking agieren?

Lai ist in Peking noch verhasster als seine Vorgängerin; er gilt als „Independentist“ und „Separatist“ der ersten Stunde. Seine diplomatische Wandlung zum Realpolitiker wird von der KPCh, die weder Vergeben noch Vergessen kennt, einfach ignoriert. Eine „intelligente“ Reaktion Pekings auf seine Wahl könnte darin bestehen, nun zu versuchen, Parlament und Präsidentenamt gegeneinander auszuspielen. Auch positive Kontakte mit KMT-regierten Städten und Counties wären möglich. Das hat es alles schon gegeben. Oder Peking nutzt die Wahl zur nächsten Drehung an der Eskalationsschraube. Und das ist leider die wahrscheinlichere Reaktion.

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Klaus Kelle, Chefredakteur