Trumps Parteitag hat begonnen: Trotz, Patriotismus und Einheit
Dr. Stefan Gehrold, Milwaukee
„He is tough!“ Frei übersetzt: ein ganzer Kerl! Nach dem verfehlten Anschlag auf den republikanischen Kandidaten aus New York unterstützt ihn jetzt auch der reichste Mann der Welt Elon Musk offiziell.
Aufbruchstimmung unter den Delegierten
Es hätte eine Bestätigungsveranstaltung werden sollen: Der republikanische Wahlparteitag vom 15. bis zum 18. Juli in Wisconsin. Sage und schreibe 50.000 Besucher werden erwartet. Und doch hätte sie immer den Hauch einer Zusammenkunft von Konservativen in ihrer Wagenburg gehabt. Dazu ist der ehemalige Präsident zu umstritten, zu wenig republikanisch. Das Attentat vom 13. Juli hat alles verändert.
In Milwaukee dominiert in diesen Tagen eine Mischung von Trotz, Patriotismus und, ja, Einheit. Ein Kandidat, der explizit als Krieger in den Wahlkampf geht, der Erneuerung verspricht, der ein Bild der USA mit dem Rücken zur Wand zeichnet und in dieser Schlacht jetzt auch noch verwundet wird; und wie Phönix aus der Asche blutüberströmt die Faust in die Menge reckt. Hollywood hätte es nicht besser inszenieren können. Es ist so gut inszeniert, dass das aberwitzige Gerücht die Runde macht, Donald Trump selbst hätte den Anschlag in Auftrag gegeben.
Die Delegierten sind elektrisiert. Dass die Lage des Landes so dramatisch gar nicht ist: vergessen.
Immerhin gibt es eine Vielzahl von Diskussionsrunden und Veranstaltungen von Think Tanks am Rande des Parteitags. Hier überwiegt der wissenschaftliche Diskurs. Die Debatten haben erhebliche Tiefe. Sie widerlegen die Theorie, unter den Republikanern hätte mit den Trump eine Armee geistloser und eindimensionaler Rambos das Kommando übernommen.
D. Vance als running mate benannt
Donald Trump äußert sich kurz zum Auftakt des Parteitags. Er wird am Donnerstag eine längere Rede halten. Er ist im Ton gemäßigter als sonst. Sein linkes Ohr ist verbunden. Er dankt erneut der Polizei und dem Secret Service für ihr Eingreifen in Pennsylvania. Er drückt den Angehörigen der Opfer ihr Mitgefühl aus.
Dabei wirkt der deutschstämmige Geschäftsmann ernst, verbissen, fast schon sinister. Der Beobachter stellt sich die Frage, wie wohl der amtierende Präsident in dieser Situation aufgetreten wäre. Sicherlich nicht in gleichem Maße unerschütterlich.
Trump benennt Senator Vance aus Ohio als running mate, also als potentiellen Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten. Das ist eine Überraschung. Weitere Namen, die im Rennen schienen, hatten bereits vorher mitgeteilt, dass sie es nicht würden. So der floridianische Senator Marco Rubio, Senator Tim Scott oder der Gouverneur von North Dakota, Doug Burgum. Wer ist J. D. Vance?
Der Anwalt aus Ohio ist 39, verheiratet mit einer indischstämmigen Amerikanerin, hat ein Kind und ist katholisch. Er kommt aus einfachen Verhältnissen. Vance hatte im Wahlkampf 2016 deutliche Kritik am Kandidaten Trump geübt. Etwa zwei Jahre später muss es zur Aussöhnung gekommen sein, denn der Präsident unterstützte Vance bei seiner Wahl in den Senat.
Eine kluge Wahl. Vance ist jung. Damit ist die Diskussion darüber beendet, was denn eigentlich passiert, wenn ein Präsident Trump im Amt verstirbt. Vance hat politische Erfahrung und einen soliden beruflichen Hintergrund. Kein Glücksritter. Vance hat eine Immigrantin zur Frau. Keiner wird ihm vorwerfen können, er mache Front gegen Migranten. Vance kennt Armut aus seiner Kindheit. Die Linke kann ihm nicht entgegenhalten, er wäre auf Rosen gebettet durchs Leben gegangen. Vance ist ein ehemaliger Kritiker Trumps. Der Vorwurf, Trump pflege Feindschaften für eine Ewigkeit, verfängt nicht. Und Vance ist katholisch. Das hilft der Kampagne insbesondere bei den Katholiken im amerikanischen Norden, die traditionell demokratisch wählen, auch den Katholiken Joe Biden. Vance kommt aus Ohio, also aus dem Norden und angrenzend an zwei der 6 entscheidenden swing states: Pennsylvania und Michigan.
Welche Signale gehen von Wisconsin aus?
Die Delegierten wählten gestern Donald J. Trump einstimmig. 100 Prozent. Das ist mal ein Ausrufezeichen.
Trump hat jetzt das Momentum für sich. Über der demokratischen Kampagne schwebt noch unheilvoll die verlorene Debatte. Das Attentat vom Samstag verleiht dem New Yorker eine Art Märtyrerstatus. Aber: es gibt eine weitere TV-Debatte und märtyrerhafte politische Karrieren gibt es ausreichend. Auf lange Sicht half es den Kandidaten nicht. Von Lafontaine über Reagan bis Schäuble. Die Ereignisse waren jeweils schnell vergessen.
Biden versuchte in seiner Ansprache an die Nation den Ton zu setzen. Versöhnlich. Auf Einheit setzend. Der Anschlag gibt Trump einmalig die Gelegenheit, sich als elder statesman zu präsentieren. Er könnte so Stimmen seiner innerparteilichen Gegner einfangen und bei den Demokraten demobilisieren. Er kann weiter als Krieger auftreten, was wohl seinem Naturell entgegenkäme. Er könnte sich auch klug zurückhalten und sich als Repräsentant eines einigen amerikanischen Volkes zu geben. Die Wahl ist noch nicht entschieden.
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