US-Präsident Joe Biden in Berlin: Bekenntnis zur westlichen Partnerschaft und Angst vor Trump
„Demokratien sterben nicht immer im Feuer der Gewehre. Demokratien können sterben, wenn Menschen schweigen. Wenn sie (…) bereit sind, das Wertvollste aufzugeben, weil sie frustriert sind, erschöpft oder entfremdet.“
Diese Worte des amerikanischen Präsidenten Joe Biden gestern im Schloss Bellevue klangen wie ein eindringlicher Appell an die Deutschen, „unseren wichtigsten und engsten Partner in Europa“. Der Gast aus Washington, dem vom Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier zuvor als zweitem US-Präsidenten überhaupt die höchste deutsche Auszeichnung – «Sonderstufe des Großkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik» – verliehen worden war, bekannte sich erneut eindringlich zu der seit Jahrzehnten bewährten deutsch-amerikanischen Partnerschaft.
Der deutsche Bundespräsident nutzte seine Ansprache auch, um seiner Sorge vor einem erneuten Wahlsieg des Republikaners Donald Trump bei den Wahlen im November in den USA Ausdruck zu verleihen.
«Es ist erst wenige Jahre her, da war die Distanz so groß geworden, dass wir einander beinahe verloren hätten», sagte Steinmeier, der als deutscher Außenminister 2016 Trump in unverschämter Weise einen «Hassprediger» genannt hatte. Biden jedoch habe nach Trump Europas Hoffnung auf die transatlantische Allianz quasi über Nacht wiederhergestellt.
Biden lobte Deutschland für seine klare Haltung im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und Bundeskanzler Olaf Scholz, der in der russischen Aggression eine Zeitenwende sieht. Deutschland und die Vereinigten Staaten müssten ihre Unterstützung aufrechterhalten, «bis die Ukraine einen gerechten und dauerhaften Frieden gewinnt im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen, bis die menschliche Würde die Oberhand gewinnt».
Joe Biden ist nicht der Wunschpräsident von Konservativen in Deutschland und Europa gewesen. In vielen Bereichen, etwa beim Schleifen des Lebensschutzes und bei der Migrationspolitik, hat er eine Politik verfolgt, die unsereins zutiefst ablehnt. Es ist deshab gut, dass er nach diversen „Aussetzern“ unter Druck auf eine erneute Kandidatur verzichtet hat. Und für die kriminellen Eskapaden seines Sohnes Hunter kann man ihn direkt auch kaum verantwortlich machen. Aber Biden war in der Außenpolitik als Anführer des mächtigsten Staates auf diesem Planeten ein glaubwürdiger Anführer der freien Welt rund um den Globus.
Das kam auch später zum Ausdruck, als Biden sich erst mit Bundeskanzler Olaf Scholz traf, zu dem anschließend der französische Staatspräsident Emmanuel Macron und der britische Premierminister Keir Starmer dazu kamen. Zweieinhalb Stunden redete man intensiv im 8. Stock des Kanzleramtes über den Ukraine-Krieg und die Lage im Nahen Osten. Die mächtigen Staatschefs ließen keinen Zweifel daran, dass sie, dass der Westen, sowohl die Ukraine als auch Israel konsequent und dauerhaft unterstützen werden.
Und auch da schwang wieder die Sorge über einen möglichen Wahlsieg Donald Trumps am 5. November mit. Dessen Haltung zu Israel ist eindeutig, aber nicht wenige Beobachter sehen die Gefahr, dass Trump bereit sein könnte, die Ukraine preiszugeben, um einen russischen Diktatfrieden zu ermöglichen.
Auch das wäre eine Zeitenwende, eine ganz schlechte Nachricht für die Demokratien, die in Amerikas Führungsrolle in den vergangenen Jahrzehnten ein Leuchtfeuer gesehen haben
Das klang auch an, als der US-Präsident zum Abschied seines 24-Stunden-Besuches sagte: „Ich weiß nicht, wie Europas und die weltweite Stabilität ohne eine enge Bindung zwischen unseren zwei Ländern erhalten werden könnte.“
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Klaus Kelle, Chefredakteur