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Kara-Murza: „Putin hat vor seinem eigenen Volk Angst“

Vor zehn Jahren wurde Putin-Kritiker Boris Nemzow auf einer Brücke in Moskau hinterrücks erschossen

RED
Kinder legen im September 2015 Blumen am Tatort des Mordes an Boris Nemzow nieder.

Gestern von 10 Jahren wurde einer der schärfsten Putin-Kritiker in Moskau auf offener Straße ermordet. Am 27. Februar 2015 sind Boris Nemzow und seine ukrainische Lebengefährtin, Anna Durizkaja, nach einem Restaurantbesuch zu Fuß auf dem Weg nach Hause. Auf der Großem Moskwa-Brücke in Sichtweite des Kreml, stoppt plötzlich ein Auto mit vier Insassen. Einer steigt aus und schießt mit einer Makarow-Pistole Nemzow mehrfach in den Rücken und in den Hinterkopf. Die Täter flüchten, doch nur Tage später werden fünf Verdächtige festgenommen. Tschetschen, der Schütze wird als Saur Dadajew, Offizier der Inlandstruppen des Innenministeriums, identifiziert.

Wenige Stunden vor seinem Tod hatte Nemzow einem Moskauer Radiosender in einem Interview seine Ideen, „um Russland zu verändern“ vorgestellt. Er behauptete dort live auf Sendung, eine Elite um Putin habe Geld und Macht in Russland an sich gerissen. Mit seiner „verrückten, aggressiven und tödlichen Politik des Krieges gegen die Ukraine“ habe Putin Russland tief in die Krise gestürzt.

Später bekommt der Mordschütze eine Haftstrafe von 20, die Komplzien Gefängnis zwischen elf und 19 Jahren als Bestrafung.

Am Ende des Jahres äußerte sich dann auch der der russische Präsident Wladimir Putin erstmals zu dem Mord an Nemzow und verurteilte die Gewalttat an einem seiner schärfsten Rivalen.

Putin damals: „Unsere Beziehungen waren nicht immer schlecht. Ich selbst wollte es mir nie mit ihm verderben. Er schlug den Weg des politischen Kampfes, persönlicher Angriffe und dergleichen ein. Aber ich bin daran gewöhnt, er war nicht der Einzige.“ Doch das bedeute nicht, dass es akzeptabel für ihn sei, einen Menschen zu töten.

In Kreisen der russischen Opposition glauben nur wenige den Beteuerungen des Kremlchefs. Der Tatort des Mordes war direkt in unmittelbarere Nähe des Kreml, ein öffentlicher Platz, so gut überwacht wie wohl kein zweiter in Russland. Viele sehen darin eine sorgfältig inszenierte Botschaft, wie man in Putins Russland mit politischen Gegnern umgeht.

Auch Alexej Nawalny wurde liquidiert, als er über das Internet die Korruption des Putin-Clance weltweit anprangerte. Der russische Oppositionelle Wadim Kara-Mursa, der ein enger Freund Nemzows war, überlebte später nur knapp einem Giftanschlag in Moskau.

Bei einer Gedenkfeier für Nemzow hatte Kara-Mursa im Februar 2021 noch gesagt: „Es gab tatsächlich sehr viele Ursachen, warum Nemzow für die regierenden Machthaber gefährlich war. Er konnte hervorragend mit Menschen umgehen und Demos mit mehreren Tausenden Teilnehmern organisieren. Er konnte Wahlen gewinnen, was für die Opposition in einem autoritären Land so gut wie unmöglich sein sollte.“

Am 17. April 2023 wurde Kara-Mursa, unter Boris Jelzin sogar  stellvertretender Ministerpräsident, wegen öffentlicher Kritik am Ukraine-Krieg wegen „Hochverrates“ zu 25 Jahren Straflager verurteilt. Nach den manipulierten Parlamentswahlen 2011 gehörte Nemzow zu den Anführern der Protestbewegung, die Putin persönlich für die Wahlfälschung verantwortlich machten. Bei einer protestveranstaltung gegen die ins Visier des Putin-Regimes geratenen Punkband „Pussy Riot“ sagte Kara-Mursa im Sommer 2012 über Putin: „Er hat eigentlich vor allem Angst vor seinem eigenen Volk, und er hat tierische Angst vor Protestaktionen. Er ist permanent in einem Hysterie-Zustand, er leidet an Spionage-manie, einer Art Verfolgungswahn“. Und weiter: „Er ist ein Mann mit vielen Komplexen und krankhaftem Misstrauen. Und es ist ein Unglück, dass er uns ewig regieren will.“

Im Zuge eines Gefangenenaustauschs wurde Kara-Mursa am 1. August 2024 freigelassen und aus Russland ausgeflogen.

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Klaus Kelle, Chefredakteur