Die Kirche segnet Sünder aber sie segnet niemals die Sünde
Fiducia supplicans – das „flehende Vertrauen des gläubigen Gottesvolkes“, mit diesen Worten beginnt die neueste, aufsehenerregende Erklärung des Vatikans, die sich an einer Frage versucht, die der Quadratur des Kreises gleicht: Wie geht die Kirche mit der großen und wachsenden Zahl jener Paare um, die in „irregulären Situationen“ leben? Gemessen daran spielen die sogenannten „gleichgeschlechtlichen Paare“ eine Nebenrolle. Nur in den Medien ist es umgekehrt.
Der Titel sagt es eigentlich schon: Hier geht es um jene in die Irre gegangenen Gläubigen, die nicht nur der Hilfe der Kirche bedürfen, sondern diese auch von ganzem Herzen suchen. Das hat nichts zu tun mit „Genderpolitik“, die Papst Franziskus sehr treffend als „schrecklich“ bezeichnet hat.
Und die Erklärung ist auch nicht ein Schritt zur Einführung einer Homoehe auf katholisch; wer daran zweifelt, möge es in der Erklärung selbst nachlesen; da steht ausdrücklich (in etwas ungefüger Übersetzung):
„Es geht darum zu vermeiden, dass etwas, was nicht der Fall ist, als Ehe anerkannt wird.“ (Abs. 4, Satz 2)
Aber Papst Franziskus, dessen Markenzeichen der Weg „an die Ränder“ ist, will mit einem großen pastoralen Schritt auf die verlorenen Söhne und Töchter der Kirche zugehen.
So weit, so heikel; das weiß man auch in Rom. Deshalb die umfangreiche Verpackung: Nur fünf von fünfundvierzig Abschnitten der Erklärung des Dikasteriums für die Glaubenslehre beschreiben, welche Art von Segen solche irregulären und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften erhalten können. Dagegen befassen sich die anderen 40 Abschnitte mit der Klarstellung, was das nicht bedeutet. Nimmt man noch die Einleitung des Präfekten Fernández hinzu, dann ist das Verhältnis von Inhalt zu Warnhinweisen eins zu zehn. Auch ist interessant, dass in dem Text außer eigenen Äußerungen von Papst Franziskus nur ein anderer zitiert wird: sein Vorgänger Benedikt XVI. sowie einmal kurz die Heilige Thérèse de Lisieux.
Die Lehre der Kirche zu Ehe und Familie ist unantastbar
Dennoch haben, wie nicht anders zu erwarten, die Präzeptoren der deutschkirchlichen Abwanderungsbewegung „Synodaler Weg“ die Warnhinweise mit Triumphgeheul sogleich in den Papierkorb geworfen, um sich dem widmen zu können, was sie immer schon wollten: Dem Abschleifen und Umdeuten der kirchlichen Lehre zu Ehe und Sexualität.
Perfidia ridens statt Fiducia supplicans… Für sie ist diese Erklärung ein – pardon – gefundenes Fressen. Es wird nicht lange dauern, bis in Deutschland die vom Vatikan mit Nachdruck ausgeschlossenen Formen von Pseudo-Eheschließungen auftauchen.
Aber worum geht es denn überhaupt?
Die ganze Erklärung müht sich um eine hoch differenzierte Beschreibung dessen, was in biblischer Sicht und kirchlicher Tradition ein „Segen“ ist, im weitesten Sinne und in Abgrenzung gegen rein sakramentale Segensformen. Und natürlich gibt es da eine große Bandbreite. Auch Tiere, Dinge oder Orte können gesegnet werden; immer schon. Eines der frühesten Zeugnisse der deutschen Sprache ist der berühmte Lorscher „Bienensegen“ aus dem 10. Jahrhundert. Und, nein, er setzt nicht die Bekehrung der Bienen voraus!
Aber bei Menschen ist es ein wenig komplexer. Die Kirche nimmt sich liebevoll der Sünder an, immer schon, wie ihr Herr Jesus Christus und in seinem Auftrag.
Sie spricht Trost zu und Vergebung, und sie sagt dazu, dem Beispiel Jesu gegenüber der Ehebrecherin (Joh. 7, 11) folgend : „Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!“ Dieser Satz steht nicht ausdrücklich in der Erklärung, ist aber in jeder Zeile vorausgesetzt.
Ganz eng wird es deshalb, wenn nicht einzelne Personen einen Segen jeweils für sich erbitten, sondern diesen für ihre „irreguläre“ Beziehung fordern.
Die Kirche segnet Sünder, aber sie segnet niemals die Sünde
Das steht so felsenfest wie das buchstäbliche Amen in der Kirche. Die Kirche kann eben niemals „Amen“ zur Homoehe sagen. Die Erklärung des Dikasteriums nähert sich dieser roten Linie gewissermaßen asymptotisch an, ohne sie zu überschreiten. Doch darf man annehmen, dass diese ultra-feinen Unterscheidungen im Alltagsleben der einfachen Gläubigen (und mancher schwächelnden Hirten) leicht verloren gehen.
Es kommt noch hinzu: In vielen Ländern der Welt, in denen die Kirche stark ist und wächst, ungetrübt von GenderGaga und Selbstsäkularisierung, dürfte den Gläubigen das Verständnis für die ganze Maßnahme fehlen, die so überdeutlich auf die westlich-permissiven Gesellschaften zielt. Hier lauert die Gefahr der Verwirrung und Trennung.
Deshalb wird der Vatikan gut beraten sein, die Praxis der Anwendung von „Fiducia supplicans“ genau zu überwachen und gegebenenfalls ähnlich streng dazwischenzufahren, wie es Papst Franziskus zum Beispiel im Fall von „Summorum Pontificum“ getan hat, um wahrgenommenen missbräuchlichen Entwicklungen einen Riegel vorzuschieben.
Neueste Glaube
Neueste Katholisch
Spendenaufruf
+++ Haben Sie Interesse an politischen Analysen wie diesen?
+++ Dann unterstützen Sie unsere Arbeit
+++ Mit einer Spende über PayPal@TheGermanZ
oder einer Überweisung auf unser Konto DE03 6849 2200 0002 1947 75 +++
Klaus Kelle, Chefredakteur