Parteitag der US-Demokraten: Jetzt führt Harris, aber das Rennen mit Trump ist völlig offen
Präsident Joe Biden, Tim Walz, demokratische Gouverneure und Politiker, Jason Carter (verlas die Rede seines fast 100jährigen Großvaters Jimmy Carter) und – natürlich – Familie Clinton und Familie Obama, die allein schon vier mal zu den Delegierten und Gästen sprachen. Es ist gerade dieses Dynastische, das auf der Wahl-Convention der US-Dekokraten zelebriert wurde, und das immer mehr Amerikaner abstößt. Spätestens seit den Kennedys, von denen bis zum 23. August auch noch einer im Rennen um die Präsidentschaft 2024 war, begannen Familien in einem in Europa unbekannten Maß die Positionen in der amerikanischen Politik unter sich aufzuteilen. Bei den Demokraten mehr als bei den Republikanern.
Aber eines demonstrierten die Demokraten in Chicago: Einigkeit. Eine Einigkeit, die der Wahlparteitag der Republikaner in Milwaukee vermissen ließ.
Denn dort waren neben dem ehemaligen Präsidenten George Bush und dem ehemaligen Gouverneur und Kandidaten Mitt Romney auch der langjährige republikanische Sprecher des Kongresses Paul Ryan und vor allem Trumps ehemaliger Vizepräsident Mike Pence nicht erschienen. Der Riss in der Partei ist so groß, dass eine Reihe republikanischer Politiker sogar bei den Demokraten auftrat. Am bekanntesten sicher der harte Trump-Kritiker und Abgeordnete Adam Kinzinger, dem der Parteitag einen Auftritt in der Prime Time der Veranstaltung einräumte.
Neuer Weg
Vizepräsidentin Kamala Harris, war in den Tagen zuvor als Spitzenkandidatin fürs Oval Office nominiert worden. Es war ihre Woche, getragen von Euphorie und Optimismus und positiven Umfragewerten. Der Parteitag hielt das, was er versprach, und, was die Rolle eines Wahlparteitags ist: Nämlich Zuversicht, Einigkeit und Unterstützung der Kandidatin.
Kamala Harris hielt eine gefeierte Rede, gespickt mit Attacken. Und sie versprach, was zuvor in Milwaukee auch ihr republikanischer Kontrahent aus New York getan hatte: die Präsidentin aller Amerikaner zu sein. Sie tut gut daran, dies zu versichern. Denn gerade das halten nicht nur eingefleischte Trump-Anhänger aufgrund ihrer bisherigen politischen Entscheidungen für fragwürdig.
Und sie versprach einen „Neuen Weg“
So richtig wurde allerdings nicht deutlich, welcher das sein soll. Ob der Slogan verfängt, darf bezweifelt werden. Denn sie hatte ja als Vizepräsidentin bereits vier Jahre Zeit, einen derartigen Weg zu beschreiten. Anders als Barack Obama 2008 kann sie mit dem Aufruf „change“ (ein Wechsel, der nie stattfand) nicht in die Wahl ziehen. Das würde ja bedeuten, dass ihre Politik der vergangenen Jahre falsch oder überholt gewesen wäre.
Parteitage müssen sein, sind aber Strohfeuer
Wie schnell der Rückenwind eines Parteitags an Kraft verliert, musste auch Donald Trump erfahren. Nach einem desaströsen TV-Auftritt des noch amtierenden Präsidenten Joe Biden und dem gescheiterten Attentat auf Donald Trump trug eine kräftige Welle seine Kampagne. Doch die verebbte schnell. Präsident Biden erklärte wenige Tage später, er stünde nicht mehr zur Verfügung, Mitleid für Politiker als Attentatsopfer währt nicht lange. Niemanden interessiert mehr ein angeritztes Ohr. Eine neue Kontrahentin wird aufs Podest gehoben. Und schon ist alles andere Geschichte.
Die gleiche Erfahrung machte die Kalifornierin schon 20 Stunden nach ihrer Rede.
Bislang war nämlich noch Robert Kennedy Jr., der Sohn des ehemaligen Politikers Robert Kennedy und Neffe John F. Kennedys, im Rennen. Der hatte in den Umfragen bis zu 15 Prozent Zustimmung erhalten. Und dann zog Robert Kennedy seine Kandidatur zurück und – unterstützt nun Donald Trump.
„Ich besuchte meinen ersten Parteitag der Demokraten im Alter von 6 Jahren. Ich liebte diese Partei. Wir waren demokratisch, wir waren die Partei des kleinen Mannes. Jetzt ist die Partei die Partei des großen Geldes und korrupt. Eine illegale Kampagne der demokratischen Partei, unter Nutzung von demokratischen Richtern und Staatsanwälten, kriminalisierte mich und Donald Trump. Ich stelle mich voll hinter Präsident Trump.“
Ein ehemaliger Demokrat! Und dann noch einer aus der demokratischen Vorzeigefamilie des 20. Jahrhunderts. So schnell kann es gehen.
Tim Walz running mate
Gab es sonst noch etwas? Ja, der Parteitag nominierte den von Kamala Harris vorgeschlagenen Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten: Tim Walz. Eine kluge Wahl. Walz ist langjähriger Politiker, derzeitiger Gouverneur Minnesotas. Walz ist konvertierter Lutheraner, katholisch getauft, ehemaliger Soldat, verheiratet, zwei Kinder. Dass er das gleiche Alter wie die Vizepräsidentin hat: geschenkt. Er soll strukturell konservative Amerikaner für das Team Harris gewinnen, ein Gegenmodell zu der Kandidatin sein. Das sollte mit seiner Vita gelingen.
Kamala Harris führt in den Umfragen, aber das allein reicht nicht
Die Kampagne Harris hat Fahrt aufgenommen. Die klassische demokratische Wählerklientel schart sich hinter sie. Sie führt derzeit in den Umfragen im Durchschnitt mit zwei bis drei Prozentpunkten. Das muss nicht reichen. Denn aufgrund des amerikanischen Wahlsystems, das kleinere Staaten bevorteilt, die häufig republikanisch orientiert sind, müssten die Demokraten etwa mit 2,5 Prozent bundesweit vorne liegen.
Gewinnt Kamala Harris, droht dem Land eine Phase der Instabilität. Die Kalifornierin ist eine kompromisslose Vertreterin des linken Spektrums ihrer Partei. Sie steht für massive staatliche Eingriffe und weitreichende Regulierung. Konnte die mittlerweile zahlreiche Trump-Anhängerschaft mit einem Präsidenten Biden noch leben, so wird der Ruf nach zivilem Ungehorsam unter einer Präsidentin Harris unüberhörbar werden. Dass genau das von ihr beabsichtigt ist und herausgefordert wird, um diesen Teil der Bevölkerung zu kriminalisieren, schließen Beobachter nicht aus.
Nikki Haley, die letzte verbliebene republikanische Herausforderin Donald Trumps, machte es in Milwaukee (vor dem Rückzug Joe Bidens!) deutlich: „Wir können uns weitere 4 Jahre Joe Biden oder, was der Herr verhüten möge, auch nur einen Tag Kamala Harris, nicht leisten.“
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Klaus Kelle, Chefredakteur