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Die Queen war England, England war die Queen

ARCHIV – Königin Elizabeth II. besucht im Jahr 1999 Mosambik, das vier Jahre zuvor Mitglied des Commonwealth wurde. Tänzerinnen empfangen die Monarchin. Foto: Fiona Hanson/PA Wire/dpa/Archiv

von THILO SCHNEIDER

LONDON – Zwei Tage vor ihrem Tod empfing eine kleine, zierliche und gebrechliche Frau die neue Premierministerin Großbritanniens in ihrem „Büro“. Vom kommenden Ende gezeichnet, mit blauen Händen ging Elisabeth die Zweite buchstäblich bis zum letzten Atemzug ihrer Pflicht als Monarchin nach. Gestern verstarb sie in einem Alter, in dem die Floskel „plötzlich und unerwartet“ keine Bedeutung mehr hat.

Hand aufs Herz: Wenn Sie und ich wüssten, wir haben nur noch ganz wenig Lebenszeit vor uns und wären 96 Jahre alt – würden wir noch unserer Arbeit nachgehen? Das ist es, was die Queen ausmachte: Pflichterfüllung, Disziplin und Verantwortungsbewusstsein vor dem Staat, der Tradition und der Geschichte. Elisabeth die Zweite war nach ihrer Thronbesteigung nie, nicht eine Sekunde, Elisabeth Windsor, sondern immer die Queen. Nicht entrückt, nicht unnahbar, aber überparteilich und vielleicht gerade deshalb immer die Identifikationsfigur und das einende Band zwischen allen Briten – und einem guten Teil Europas. Gestern starb nicht nur eine Königin – gestern starb eine der einflussreichsten Staatsfrauen Europas und der Welt. Mag um sie herum auch die Politik und die Familie getobt haben – nach draußen, vor die Palastmauern, trat immer nur die Königin.

Elisabeth hat nicht das 20ste Jahrhundert geprägt – das waren andere: Wilhelm II., Lenin, Stalin, Hitler, Churchill, auch Kennedy, Reagan, Gorbatschow, Kohl, Mandela. Eine veritable Riege von großen Verbrechern, Lumpen und Gaunern und auf der anderen Seite von echten Staatsmännern und klugen Staatenlenkern. Aber sie war seit den 40er Jahren immer da. Die Queen war England, England war die Queen. Und wer während ihrer Amtszeit London mit seiner quirrligen Mischung aus allen möglichen Teilen der Welt besuchte, der begriff: So unterschiedlich und vielfältig die Menschen dort sein mögen – eines haben sie gemeinsam: Sie sind Untertanen Elisabeths der Zweiten und diese ist das Oberhaupt des Staates. Punkt, aus, Ende, Amen, darüber wird vielleicht gemault, aber nicht diskutiert.

Undenkbar, dass sich in Deutschland alle Bürger unter dem Banner des Phrasendreschautomaten und Verkünders des Aufenthaltsortes seiner Gedanken, Frank-Walter Steinleier, versammeln würden, undenkbar, dass ein Volk kollektiv in Trauer versinken würde, wenn der Bundespräsident heute der Queen nachfolgen würde. Undenkbar, dass sich jemand Zierteller mit dem Gesicht Steinmeiers ins Wohnzimmer hängen würde. Elisabeth war sicher die Königin Englands – aber sie war auch ein Symbol und eine Bastion des Konservativismus für ganz Europa. Sie stand wie keine andere für Tradition, Riten, Verantwortungsbewusstsein und Pflichterfüllung. Sie war tatsächlich auch die Queen Europas, zum Leidwesen der gewählten Staatsoberhäupter, die sich in ihrer Verzwergung und Nichtigkeit an der Queen messen lassen mussten und auch in diesem Artikel messen lassen müssen.

Mit Elisabeth der Zweiten starb gestern nicht nur die Queen – es starb auch das alte, feste Europa der zweiten Hälfte des 20sten Jahrhunderts. Es starb das Versprechen von Kontinuität durch Tradition, von Ordnung durch Regeln, von Wohlstand durch Disziplin und gelebte Werte. Mögen sie noch so vertrocknet gewirkt haben. Seit heute ist Königin Elisabeth die Zweite nicht nur eine Notiz, sondern ein ganzes Kapitel in der Geschichte. Eine Ära ist zu Ende gegangen und wir alle sind Zeugen dieses Endes.

Charles hat die längste Lehrzeit der Geschichte überstanden und ist seit gestern Charles the Third. Eine Bezeichnung, ein Titel, der nicht einer gewissen Ironie entbehrt. Er war immer Charles der Zweitrangige, der Lustige mit den großen Ohren, der säuische Liebesbriefe schreibt, seine Frau nach Strich und Faden betrog und gelegentlich wirklich dummes Zeug von sich gab. Elisabeth wusste sehr genau, warum sie nicht zugunsten Charles zurücktrat und ihre letzten Jahre bei den Pferderennen in Ascot verbringt. In ihren Augen war ihr Thronfolger nie in der Lage, ein großer oder wenigstens guter König zu sein, so sehr er sich auch bemühen mochte, der schmale, etwas gebeugte Mann im feinen Tweed.

Charles der Dritte wird es schwer haben, in den kleinen großen Schuhen seiner Mutter und Vorgängerin und er wird es erst recht schwer haben, mehr als nur eine Randnotiz zwischen Elisabeth und William zu sein. Zu hoch sein Alter, zu schwach sein Renommee und zu kurz die Zeit, die er haben wird, die Monarchie umzubauen oder zu erneuern. Darin liegt seine Tragik. Er hat nichts falsch gemacht – er ist nur viel zu viel Durchschnitt, um seiner liebevoll auch als „Themseliesl“ verspotteten Mutter das trübe Wasser eben jenes Flusses reichen zu können. Und, was noch etwas schlimmer ist: Er ist intelligent genug, dies auch zu wissen.

Seine Mutter mag gestorben sein – ihr Schatten und ihre Hand werden über seinem Königtum liegen. Er muss nun andererseits auch die Fehler der Monarchie ausbaden, die Elisabeth gemacht hat – damit sein Nachfolger William dereinst unbelastet als relativ junger König den Thron besteigen kann – sollte es diesen dann noch geben.

Europa wird nicht nur seine letzte echte Königin zu Grabe tragen – es wird auch endgültig das 20.Jahrhundert beerdigen. Und es fehlt uns allen der Optimismus, dass es ein besseres 21stes Jahrhundert geben wird. Speziell in Deutschland nicht, mit einem Bundespräsidenten Steinmeier und einem zwergigen Bundeskanzler Scholz und seinem Kabinett von Zwergen. Das sind alles nur Politiker – aber keine Staatsmänner und -frauen. Denen ihr Land wichtiger als ihr eigenes Leben ist. Ruhe in Frieden, Königin Englands.

(Weitere Trauerartikel des Autors unter www.politticker.de)

Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

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Klaus Kelle, Chefredakteur