Skip to main content

„Ein Manifest für Unterwerfung“: Die Verlogenheit der neuen „Friedensbewegung“

Nach dem russischen Raketenangriff löscht ein Mann in Saporischschja die Überreste eines Feuers in einer zerstörten Autowerkstatt. Foto: Leo Correa/AP/dpa

von JULIAN MARIUS PLUTZ

BERLIN/MÜNCHEN – Mehr als 10.000 demonstrierten in München am vergangenen Wochenende gegen den Krieg. Wirklich? Zu dem Schluss kommen in jedem Fall die Protagonisten der neuerlichen Friedensbewegung. Für Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer, die neue unheilige Allianz zweier Persönlichkeiten, die nah am eigenen Zenit stehen, ist die Sache klar: Keine Waffenlieferungen, dafür Gespräche. Ob eine Kommunistin, gemeinsam mit einer Feministinnen, noch dazu mit einem Liedermacher wie Reinhard May oder einer Schauspielerin wie Jutta Speidel für Frieden sorgen könnten, ist jedoch zweifelhaft.

Mehr noch: Es handelt es sich um Ausdruck einer veritablen Hybris, einer Selbstüberschätzung, die größer nicht sein kann

Sahra Wagenknecht war, jenseits ihres Mandats, niemals in politischer Verantwortung. Alice Schwarzer hat, gerade in den vergangenen Jahren, vieles geleistet, was den Kampf für das Selbstbestimmungsgesetz oder gegen den politischen Islam geht. Sahra Wagenknecht mag sich mit Manifesten auskennen. Dennoch ist das “Manifest für den Frieden” nichts anderes als ein “Manifest für Unterwerfung”.

Angst frisst Verstand auf

Glauben die beiden Frontfrauen, glauben die 10.000, die in der bayerischen Landeshauptstadt auf die Straße gehen, dass ihre Forderung, Deutschland solle keine Waffen mehr liefern, ein Beitrag zum Frieden ist? Frieden in der Ukraine durch russische Besatzung? Das nehmen die Leute auf der Straße in Kauf. Der eine oder andere mag sich eine Kapitulation sogar wünschen. Dabei sind ihre Argumente feige und verlogen.

Sie haben Angst. German Angst. Angst frisst Hirn auf, Angst frisst Verstand auf. Mit vollen Hosen ist sprichwörtlich kein Krieg zu gewinnen, genauso wenig wie man damit Frieden schafft. Sie haben Angst vor einem Atomkrieg. Sie haben Angst, dass “Deutschland in den Krieg hineingezogen wird”, während in der Ukraine jeden Tag Menschen getötet werden. Bloß nicht einmischen, bloß keine Verantwortung übernehmen.

USA als stetes Feindbild

“Wenn ich nichts riskiere, riskiere ich alles”, sagte einst der Erfolgstrainer Pep Guardiola. Wenn Deutschland nichts riskiert, riskiert Deutschland alles. Seinen Einfluss in der Welt, den Frieden in Europa. Man kann darüber streiten, ob Deutschlands Sicherheit tatsächlich am Hindukusch verteidigt wurde. Sie wird aber in Kiew verteidigt, im Donbass und auf der Krim. Definitiv. Da helfen auch keine weiße Tauben auf blauem Grund und auch keine Rhetorik von 1982 und schon gar kein Daniele Ganser.

Die himmelschreiende Verlogenheit der selbsternannten Friedensbewegung ist offensichtlich. Über Jahrzehnte war der Hauptfeind der Bewegung die USA. Ob Pershingraketen, Jugoslawienkrieg, Afghanistankrieg oder die Invasionen in den Irak. Ami go home war das stete Stichwort, “USA – SA – SS”- die Parole. Doch jetzt ändern sich die Zeichen der Zeit. Zum ersten Mal beginnt Russland einen Krieg gegen ein Land, das zum Westen gehören will. Ganz direkt, ganz unverhohlen. Eigentlich ein Fall für die Friedensbewegung, das zu verurteilen Oder?

Jeder Mensch ist möglich

Das Gegenteil ist richtig. Anstatt einen eindeutigen, brutalen Angriffskrieg zu verurteilen, fordern sie auf, dass der Westen, also auch das Feindbild USA, aufhört, Waffen zu liefern. Diese kognitive Dissonanz ist nur mit einem geschlossenen Weltbild zu erklären, das nicht hinterfragt werden darf. Wie bei den Zeugen Jehovas, nur, dass Bluttransfusion erlaubt ist. Sie merken noch nicht mal, wie unlogisch und unsauber sie argumentieren. Sie sind in ihrer eigenen Haltung eingesperrt. Reflexion war gestern. Oktroyierung ist der Standard der Zeit.

In dem Wahn der fundamentalen Ablehnung aller Dinge “aus dem Westen” und “dem Mainstream” ist die Friedensbewegung in ihren eigenen Widersprüchen verheddert wie eine Fliege im Spinnennetz. Das Aushalten anderer Meinung wird zu einer unüberbrückbaren Hürde. Das Gegenargument ist nicht nur falsch, es ist auch noch moralisch schlecht.

Doch es gibt auch Ausnahmen. Gottlob, gibt es die. Der Mensch ist eben mehr, als die Summe seiner Ansichten. Und wenn ich das nächste Mal wieder neben Sahra Wagenknecht sitzen sollte und wir uns über Krieg und Frieden trefflich streiten, dann freue ich mich, wenn wir uns nach der Diskussion die Hand geben können. Jeder Mensch ist möglich. Die Friedensbewegung sollte sich überlegen, auf welcher Seite der Geschichte sie stehen möchte. Sie sollte sich überlegen, wie viel Menschenleben eine antiquierte Meinung kosten sollte. Appeasement hat noch nie Frieden gebracht. Ebenso wenig wie ein Manifest.

Spendenaufruf

+++ Haben Sie Interesse an politischen Analysen wie diesen?
+++ Dann unterstützen Sie unsere Arbeit
+++ Mit einer Spende über PayPal@TheGermanZ
oder einer Überweisung auf unser Konto DE03 6849 2200 0002 1947 75 +++


Klaus Kelle, Chefredakteur