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Jede vierte Schwangere in Deutschland verliert ihr Baby in den ersten zwölf Wochen.

Eine Handvoll Mensch: „Manche Eltern haben kein Kind an der Hand, aber eines im Herzen“

Stella Schäfer

„Das passiert vielen Frauen“ oder „Beim nächsten Mal klappt es bestimmt, du bist doch noch jung“. Mit diesen Sätzen werden Frauen getröstet, die ihr Kind während der Schwangerschaft verlieren. Egal, wie alt diese Kinder waren – ob drei Wochen oder drei Monate – der Schmerz wird mit Worten nicht geringer. Das öffentliche Bewusstsein für dieses Thema allerdings hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt. Die Eltern können heute auch diesen, meist nur eine Handvoll, Mensch in Würde beerdigen und angemessen betrauern.

Jede vierte Frau in Deutschland verliert ihr Baby in den ersten zwölf Wochen. Kinder, die den Kampf um ihr Leben in einem so frühen Stadium der Schwangerschaft verlieren, werden von den Eltern Sternenkinder genannt. Mittlerweile wird dieser Begriff auch für Kinder verwendet, die während oder kurz nach der Geburt gestorben sind. Für diese und alle anderen gestorbenen Kinder gibt es jährlich an jedem zweiten Sonntag im Advent einen Gedenktag, das „Worldwide Candle Lighting“. Und so stellen auch in diesem Jahr, am 10. Dezember, 19 Uhr Ortszeit, Eltern und Angehörige eine brennende Kerze für ihr tote Kind ins Fenster. Durch die Zeitverschiebung von jeweils einer Stunde erlöschen die Kerzen in einer Zeitzone und werden in der nächsten entzündet. Dadurch entsteht der Eindruck einer Lichterwelle, die in 24 Stunden einmal um die Erde wandert. „Möge ihr Licht für immer scheinen“ ist die Grundidee hinter diesem Lichtband.

Hebammen und Seelsorger legen die toten Babys den Müttern in die Arme

Der Umgang in den Krankenhäusern mit den sogenannten tot- oder stillgeborenen Kindern ist emphatischer geworden. Wurden sie vor Jahren mit dem Kliniksondermüll „entsorgt“, ist das heute in den Krankenhäusern nicht mehr gestattet. Hebammen und Seelsorger bieten den Müttern an, ihnen ihr Baby noch einmal in den Arm zu legen, es anschließend anzukleiden, es in ein Körbchen zu betten und fotografieren zu lassen. Später können sie ihr Sternenkind mit anderen, „nicht bestattungspflichtigen Kindern“ – das sind Kinder, die nicht schwerer als 500 bzw. tausend Gramm sind – beerdigen lassen.

Im Berliner Humboldt-Klinikum beispielsweise kümmern sich die katholische Klinikseelsorgerin Luzia Hömberg und ihre evangelische Kollegin, Pfarrerin Gabriele Smend, um die Bestattung der Sternenkinder, wenn  die Eltern das wünschen. Zweimal im Jahr organisieren sie Sammelbestattungen auf einer Gräberfeldanlage des St. Hedwig-Friedhofs im Ortsteil Reinickendorf. „Wir betten in die kleinen Särge bis zu zehn Föten nebeneinander – angekleidet oder in ein weiches Tuch gehüllt“, erzählt Luzia Hömberg. Auf die Grabstelle werden von den Eltern mitgegebene Erinnerungsstücke und ein kleiner Stein mit dem Bestattungstermin gelegt sowie Kerzen aufgestellt. Einige Eltern sind bei der Beerdigung dabei, andere nicht. „Wer nicht anwesend sein möchte oder kann, erfährt bei mir auch noch Jahre später, wo sein Kindchen begraben liegt“, erklärt die Seelsorgerin.

Auf vielen Friedhöfen in Deutschland gibt es heute Gemeinschaftsgrabanlagen, in denen Kliniken die Sternenkinder beisetzen lassen. Das ist für die Eltern in der Regel mit keinen Kosten verbunden. Weitere, kostenfreie Ruhestätte für Sternenkinder sind der Sternschnuppenbaum im FriedWald im brandenburgischen Bernau und die speziellen Grabstätten, die „RegenbogenBiotope“, an 26 Standorten der RuheForst-Bestattungswälder.

Gottesdienste zum Gedenken

In vielen kartholischen und evangelischen Kirchen werden am 10. Dezember Gedenkgottesdienste für verstorbene Kinder abgehalten. Die St. Marienkirche in Berlin-Mitte lädt ab 16.30 Uhr dazu ein; Pfarrerin Corinna Zisselsberger erläutert das Prozedere: „Wir verlesen im Gottesdienst die Namen der Kinder und zünden für sie eine Kerze an.“

Im Hamburger Michel werden zum Gottesdienst am 10. Dezember ebenfalls verwaiste Eltern und trauernde Geschwister eingeladen. Vor Beginn können sie Erinnerungskerzen an einem Lichterbaum entzünden, die  Kollekte kommt dem Verein Verwaiste Eltern und Geschwister Hamburg zugute. Und auch während der Gedenkgottesdienste an diesem Sonntag 13 Uhr in der Kirche auf dem Friedhof „Mitte“ in Bensheim, 16 Uhr in der Heilig-Geist-Kirche in Wolfsburg, 12 Uhr in der Dresdner Kreuzkirche, 16.30 Uhr in der Kathedrale St. Sebastian in Magdeburg  und 15 Uhr in der St. Elisabeth Kirche in Gera ist Zeit und Raum, um an die verstorbenen Kinder zu denken und für sie ein Licht anzuzünden. In München wird am 5. Juli nächsten Jahres einen Gedenkgottesdienst für fehl- und totgeborene Kinder in der Aussegnungshalle am Ostfriedhof gefeiert.

Sternenkinder-Fotografie und Sternenkinder-Kleidung

Eltern, denen ein Erinnerungsfoto wichtig ist, können sich an einen der rund 600 Fotografen des Projekts „Dein Sternenkind“ wenden. Sie arbeiten bundesweit, freiwillig und unbezahlt. „Unsere Fotografen tragen alle Kosten selbst. Es ist ein rein humanitäres Geschenk des Fotografen an die Sternenkindereltern“ ist auf der Webseite www.dein-sternenkind.eu zu lesen. Hierüber können die Fotografen angefordert werden.

Eine weitere ehrenamtliche Initiative für Sternenkindereltern ist der Verein „Herzenssache“ – Nähen für Sternchen und Frühchen“. Hier werden winzige Mützchen, Jäckchen und Tücher genäht, Körbchen aus weichem Stoff gefertigt und kostenfrei an rund 235 Kliniken in ganz Deutschland abgegeben. „Für Sternenkinder hauptsächlich angefragt werden Sets in gedeckten Farben, welche aus einem Bettchen oder Abschiedsboot, einer Einschlagdecke und Erinnerungsstücken bestehen. Bei der Stoffauswahl achten wir auf zurückhaltende Motive, gedeckte Farben und Schnittmuster, die eine Ankleidung der kleinen Körper ermöglichen“, erzählt Luticia Gebhardt von „Herzenssache“.

Initiativen & Vereine

www.initiative-regenbogen.de

www.schmetterlingskinder.de

www.TABEA-eV.de

www.leben-ohne-dich.de

www.stille-geburt.net

www.veid.de (Bundesverband Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister in Deutschland e.V.)

Literatur

 Petra Sutor

Trauern um ein Sternenkind: Das Begleitbuch für Familien

Wenn ein Kind stirbt, stirbt auch die Zukunft, die Eltern sich mit diesem Kind ausgemalt haben. Dieser Einschnitt begleitet die meisten Eltern ein Leben lang und hat Auswirkungen auf das gesamte Familiensystem. Petra Sutor schreibt als Betroffene und als Trauerbegleiterin für Sternenkind-Eltern.

Hannah Lothrop

Gute Hoffnung, jähes Ende: Fehlgeburt, Totgeburt und Verluste in der frühen Lebenszeit. Begleitung und neue Hoffnung für Eltern

Die Autorin führt Betroffene durch den Trauerprozess und bietet Hilfen zur Heilung von Körper, Geist und Seele an. Darüber hinaus zeigt sie allen, die trauernde Eltern begleiten, wie sie mit der eigenen Hilflosigkeit umgehen und Betroffenen beistehen können.

 

 

 

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Klaus Kelle, Chefredakteur