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Eine Sache der Verhältnismäßigkeit – Catering in Bad Wörishofen

Feines Essen

von THILO SCHNEIDER

BAD WÖRISHOFEN – Der HartzIV-Satz von 5,19 € pro Person am Tag für Essen und Trinken scheint Ihnen zu niedrig? Sie  meinen, dafür bekommen Sie nichts Ordentliches eingekauft? Von Tabakwaren oder anderen kleinen Unannehmlichkeiten einmal abgesehen? Sie möchten nicht jeden Tag „Nudeln mit Ketchup“ als Hauptgericht haben?

Da habe ich einen Tipp für Sie: Werden Sie doch ukrainischer Flüchtling in Bad Wörishofen! Für leckere 55,- Euro am Tag werden dort 64 Flüchtlinge versorgt. Insgesamt kostet diese Vollpension Stadt und Land charmante 104.000,- Euro pro Monat. Jeden Monat. 1,2 Millionen Euro im Jahr.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Leute, die alles verloren haben und vor Krieg in ein fremdes Land flüchten müssen, haben es, eingepfercht in einem ehemaligen Möbelhaus, sicher nicht nett, gemütlich und knuffig. Zumindest, bis entsprechende Sozialwohnungen frei werden oder gebaut wurden. Es geht  mir hier nur um Verhältnismäßigkeiten.

Bereits ab 10,- Euro pro Person lassen sich jede Menge Caterer dazu herab, ein Firmenevent nebst  Geschirr, Aufbau und Abbau zu organisieren. Und hier geht es um EINE Mahlzeit. Selbst, wenn ich also den Essenden im hübschen Bad Wörishofen Vollpension mit zwei warmen Mahlzeiten oder sogar „all inklusive“ gönne, komme ich hier irgendwo um die 30,- Euro am Tag an. Aber gehen wir einmal von einem Caterer und seinen doch eher menschenmassentauglichen Leistungen weg, ich kenne die Trauerspiele und Hunger-Games an Firmenbuffets.

Ein Frühstücksbuffet kostet im landesweiten Durchschnitt etwa neun Euro, in den besseren Hotels und  Lagen sind wir hier mit ca. 15 Euro am Morgengabentisch. Inklusive gekochten Eiern, diversen Brotsorten, „Scrambled Eggs“, frisch gepresstem Orangensaft und sonstigem, was das Früh- und Spätaufsteherherz begehrt. Mit Kaffee und Tee in rauen Mengen und Litern. In Kiel isst das Studierende das Mittagessen in der Mensa der dortigen Uni mit 3,20 Euro am teuersten  weg, der Soldatende bekommt sogar 3,60 Euro für seine Verpflegung im Mannschaftsheim, muss aber dafür damit rechnen, bald irgendwo erschossen zu werden. Aber das sind feststehende Kantinen, da muss also nichts auf- und abgebaut werden. In einem ordentlichen Gasthaus in Bad Wörishofen, das nun nicht gerade zu den von Touristen auf jeden Fall gemiedenen Orten #Scholzlands gehört, kostet der Mittagstisch ohne Getränke, aber dafür mit Bedienung und lauschiger Atmosphäre gerade einmal rund neun Euro. Dazu noch ein leckeres Getränk und der zufriedene Gast des Mittagsmenüs geht mit zwölf Euro pro Person satt nach Hause.
Zwischenstand: 27 Euro.

Nach einem so leckeren Mittagessen nehmen wir heute Abend das „kleine Gedeck“ und lassen uns etwas vom örtlichen Pizzaproduzentendienst liefern: 10 Euro für das „Single-Paket“Jetzt sind wir bei 37 Euro. Und bei dem Standard von jemandem, der JEDEN Tag im Hotel frühstückt, JEDEN Tag im Wirtshaus sitzt und sich JEDEN Tag abends noch schön Pizza bestellt. Also einem Luxus, den sich nicht einmal die arbeitende Bevölkerung hierzulande leisten kann, weil sie dazu schlicht keine Zeit, geschweige denn das Geld dafür in Höhe von 1.110 Euro pro Person hat.

Zufällig ist das die gleiche Bevölkerung, die, siehe oben, wenn sie Pech hat, künftig mit dem Gegenwert einer halben gelieferten Pizza täglich dafür belohnt wird. Nicht, dass man von einer halben Pizza am Tag nicht satt würde, erst recht nicht, wenn man sie ein wenig mit Sägemehl oder Klopapier streckt oder nur alle zwei Tage isst. Die Salami-Pizza aus dem Tiefkühlfach kommt mit 320 Gramm für 1,66 Euro vergleichsweise geschmeidig, aber ohne italienisches Flair oder wenigstens italienischsprechendem  Lieferando-Fahrer daher. Für die Schlemmer unter uns gibt es allerdings auch ein fettes Kilo „ Lachs in Gelee“ für 1,48 Euro wenn sie sich nicht an der Katzenfutterdose außen ums Essen herum stören.

Aber komm, ich habe heute meinen großzügigen Tag und lege noch drei Euro pro Person pro Tag drauf.

Für all diese fürstlichen Speisen, bei denen es an wirklich nichts fehlt, komme ich nicht auf 54 Euro am  Tag. Ich lande bei 40 Euro pro Leckermäulchen und einem monatlichen Gesamtaufwand von rund 79.000 Euro. Da fehlen immer noch 25.000 Euro, um auf 104.000 zu kommen. Jetzt können wir allerdings getrostbroted davon ausgehen, dass die Verpflegung der Flüchtlinge nicht dem Frühstückshotelstandard, und dem Mittagstischstandard eines Restaurants, sondern bestenfalls dem Standard des abendlichen Pizzabringdienstes entspricht. Zumal hier ja „Masse“ vom Großhändler  gekauft wird, der naturgemäß etwas günstiger ist.

Es stellt sich also tatsächlich die Frage, wie sich die 104.000 Euro zusammensetzen, was dafür geliefert und geleistet wird und wer hier nebenbei noch die Hand in den Mund aufhält. Hätte Bad Wörishofen einen SPD-Oberbürgermeister wie beispielsweise Frankfurt, hätte ich ja da noch so eine Idee gehabt, aber der Mann ist von der CSU.

Sollte es nach den fürstlichen armen Flüchtlingsspeisungen übrigens einem Esser nicht ganz wohl sein: Das hat er dann mit dem Landratsamt Bad Wörishofen gemeinsam. Dem ist bei diesen
Ausgaben auch „unwohl“. Augenscheinlich ist man dort aber nicht in der Lage, einen Caterer anzurufen und „Du machst das für 79.000 Euro oder gar nicht“ zu sagen.

Aber kein Neid: Für HartzIV-Empfänger gibt es nach den weisen Ratschlägen der Bundesregierung jetzt auch fast zwei Tage „Flüchtlingspauschale“ „on Top“. Satte 100 Euro werden diesen Monat zusätzlich ausbezahlt. Da kann man allein aus Kostengründen nur hoffen, dass die Flüchtlinge bald HartzIV-Bezieher werden. Auch, wenn die liefernde Catering-Firma dann Konkurs anmeldet, weil ihr so ein prachtvolles Geschäftsfeld abhanden kommt. Andererseits sollten die ihre Schäfchen im Trockenen und ihre Lammkottelets (35,- € pro Kilo) bis dahin auch gebraten bekommen haben. Wohl bekomm’s!


(Weitere geschmacksneutrale Artikel des Autors gibt ́s unter www.politticker.de)
Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-
Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

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Klaus Kelle, Chefredakteur