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„Fakenews“: Meinungsfreiheit begrenzen, bedeutet sie aufzugeben

von FELIX HONEKAMP

„Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen.“ (Exodus 20,16) oder – etwas verkürzt –„Du sollst nicht lügen“. Diese Beschreibung des achten Gebotes ist wohl selbst eingefleischten Atheisten bekannt. Egal ob man das jeweils in Gesetze gießt oder nicht: Eine Gesellschaft aufzubauen, in der gelogen wird, dass sich die Balken biegen, erscheint wenig erfolgversprechend. Wie viele der Gebote stellen sie aber einen persönlichen Anspruch: Jeder prüfe sich selbst, ob er die Wahrheit sagt. Oder anders herum: Wer guten – geschulten – Gewissens behaupten kann, dass er die Wahrheit sagt, der kann im engeren Sinne nicht lügen.

Beides macht die Frage der Wahrheit so unempfänglich für gesetzliche Regelungen: Wer wollte sagen, dass jemand, der eine Einschätzung verbreitet, sich bewusst ist, dass sie die Unwahrheit darstellt? Und wer wollte bei den allermeisten Einschätzungen eigentlich festlegen wollen, was die Wahrheit tatsächlich ist? Reine Objektivität gibt es nur in den seltensten Fällen! Wie sollte also eine gesetzliche Regelung gegen „Fakenews“, wie sie im Moment unter Politikern diskutiert wird, aussehen? Dabei muss einen schon das Ansinnen einer solchen Regulierung skeptisch stimmen. Da wird seitens der etablierten Politik befürchtet, mit gezielten Falschmeldungen könnte Einfluss auf die Bundestagswahl 2017 genommen werden. Als Beispiel wird die US-Wahl genannt, bei der es zu deutlichen Stimmenverlusten Hillary Clintons gekommen sein soll, nachdem kurz vor der Wahl heikle Dokumente „geleaked“ worden seien. Interessanterweise handelt es sich dabei aber den Berichten nach gar nicht um falsche Nachrichten sondern um für sie lediglich unangenehme, die zur Unzeit an die Öffentlichkeit gelangt sind.

Das macht deutlich, warum die Einordnung als „Fakenews“ immer ein Politikum bleiben wird: So lange nicht zweifelsfrei und für jeden ersichtlich klar ist, dass es sich um eine Lüge handelt, wird man sich mit einer Strafbewehrung immer den Vorwurf einer Zensur einhandeln. Und das ist auch gut so. Denn so wie im juristischen Prozess der Zweifel für den Angeklagten spricht, sollte Analoges auch für den Verbreiter einer Nachricht gelten: Man darf den Wahrheitsgehalt anzweifeln, man kann dagegen argumentieren, aber ein Verbot kann frühestens – wenn überhaupt – in Betracht kommen, wenn die Unwahrheit zweifelsfrei bewiesen ist, klar ist, dass der Übermittler um die Unwahrheit weiß und durch die Verbreitung auch ein nachvollziehbarer Schaden entsteht. Alles in allem wohl eher ein theoretisches Konstrukt, das bei Beleidigungen („Hatespeech“) vorliegen kann, die mit „Fakenews“ unzulässiger Weise in einem Atemzug genannt werden. Beleidigungen sind in Deutschland bereits gesetzlich geregelt, weil sie das mündliche Pendant zu einer Körperverletzung darstellen. Auch hier sollte die Grenze möglichst weit gefasst sein, damit nicht jemand mit der Behauptung, er fühle sich beleidigt, gegen eine legitime Meinung vorgeht – Zensur durch die Hintertür. Eine Meinungsäußerung dagegen sollte dagegen in keinem Fall deshalb gesetzlich sanktioniert werden, nur weil sie einer politischen Agenda – und sei es auch eine gute – zu schaden scheint.

Jede gesetzliche und politische Einflussnahme auf Möglichkeiten der Meinungsäußerung ist nichts anderes als eine Einschränkung der Meinungsfreiheit. Da mag es Meinungen geben, die man deutlich in Zweifel ziehen kann. Vielfach werden das auch nur Meinungen sein, die mit der Mehrheitsmeinung nicht kompatibel erscheinen. Es mag auch Meinungen geben, für deren Äußerung eine moralische Verantwortung übernommen werden muss, weil ihr unnötiges Aussprechen zu Konsequenzen führt, die über die „Sicherung“ der Wahrheit hinaus reicht.

Das alles ist aber kein Grund für ein Verbot, kein Grund für eine Bestrafung einer Meinungsäußerung oder deren Verbreitung. Wer die Meinungsfreiheit „einhegen“ möchte, wer auch nur meint, die Politik habe in diesem Sinne einen Gestaltungsauftrag, der hat mit Freiheit generell offenbar nicht viel im Sinn. Vielleicht ist der Satz schmerzhaft pauschal und doch beinhaltet er eine tiefe Wahrheit: Wer über die Grenzen der Meinungsfreiheit diskutiert, hat echte Meinungsfreiheit bereits aufgegeben.

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Klaus Kelle, Chefredakteur