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Landwirte wollen weiter Demonstrieren

Kein Ende in Sicht: Bauern-Proteste gegen die Regierungspolitik werden fortgesetzt

Martin D. Wind
Foto: Flickr/bekannt | Deutliche Botschaft: Wie in Hamburg, waren bindesweit tausende Traktoren mit politischen Botschaften an die Regierung unterwegs. So soll das nach dem Willen vieler Landwirte weitergehen, wenn die Regierung Inhalt und Stil ihrer Politik nicht ändert.

Die Bundesregierung hatte es versucht: Symbolisch wurde die Steuerbefreiung für den Treibstoff, der zur Lebensmittelproduktion eingesetzt wird, vorerst gemindert. Die Kfz-Steuerbefreiung für Traktoren wurde aufrechterhalten. Offenbar wollte man den Landwirten mit diesem „Entgegenkommen“ den Schwung aus den Protestaktionen nehmen, die sie für den 8. Januar angekündigt hatten. Gleichzeitig jedoch heizte die Regierung die Stimmung in der Bevölkerung weiter auf: Aus den regierenden Parteien heraus wurde flächendeckend der Bürgerprotest unter Federführung der Landwirte geschmäht, politisch in der „Schmutzecke“ verortet.

In der Berichterstattung im Nachgang zu den Kundgebungen stießen Medienschaffende – wie man das gewohnheitsgemäß bereits kennt – vereinzelt dann auch auf die in schlimmsten Farben an die Wand gemalte „Unterwanderung“ der Demonstrationen „von rechts“. Angesichts der schieren Masse von rund 100.000 Traktoren, die bundesweit unterwegs waren, angesichts der vielen Hunderttausenden, die in den Städten und Ballungsräumen der Republik an den Protestdemonstrationen teilnahmen, darf hier zu Recht von nicht relevanten Einzelfällen gesprochen werden.

Özdemir: „Landwirtschaft ist bunt und nicht braun“

Selbst Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) bekannte vor der Presse in Berlin: „Landwirtschaft ist bunt und nicht braun. Ich teile das ausdrücklich, und das ist auch meine Erfahrung der letzten zwei Jahre.“

Dennoch: Die Regierung hat offensichtlich Angst davor, vom Volk die Meinung gegeigt zu bekommen. Sie fürchtet, mit ihrer Politik einen Flächenbrand ausgelöst zu haben. Zu Recht. Die Proteste von Landwirten, Transportunternehmern, Bäckern, Klempnern, Häuslebauern, Tankstellenbetreibern und vielen anderen Gewerbetreibenden haben eindrucksvoll gezeigt, dass der Souverän, das Volk, sich das, nach Meinung vieler Menschen anmaßende, Agitieren der von ihm mit geliehener Macht ausgestatteten Politiker, nicht länger kritik- und widerstandslos gefallen lässt.

Wie man das von Bürgern erwarten kann, gingen die bundesweiten Demonstrationen größtenteils gesittet, ruhig, geordnet über die Bühne, von großen Sympathiebezeugungen aus der Bevölkerung begleitet und in einem wahrscheinlich bisher einmalig reibungslosen Zusammenspiel mit den Ordnungskräften der Polizei. Bei zwei Vorfällen wurden drei Demonstrationsteilnehmer durch rücksichtslose Autofahrer verletzt. Einer musste schwerverletzt mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus transportiert werden, nachdem er – die Polizei vermutet vorsätzlich – von einem Autofahrer mit dessen Kfz überrollt wurde.

Empfindung: Der Beschluss des Kabinetts ist eine Provokation

Dennoch beschloss das Kabinett am gestrigen Tag die veränderten Regelungen des „Sparpakets zum Haushalt 2024“ zum Agrarsektor. Bei vielen Protestanten kam dieser Beschluss einer weiteren Provokation des Kabinetts Scholz gegenüber den Menschen im Agrarsektor gleich. Die Proteste, die Kritik an der Politik und narzisstisch, aggressiv und ignorant wirkenden Reaktionen seitens der Regierung, sind auffällige Merkmale dieser Ampelregierung von SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen unter der Führung von Olaf Scholz.

Wohin eine solche Arroganz der Macht führen kann, muss man derzeit in den Bundesländern der ehemals diktatorisch von der – inzwischen in „Die Linke“ umbenannte – SED beherrschten Regionen Deutschlands erkennen: Dort hat man Erfahrung mit ideologiegetriebenen Funktionären und sturen Bonzen gemacht, die man so nicht noch mal erleben möchte. Allerdings wird erkennbar, dass viele Menschen unter den Arrivierten keine Alternative zu den desaströsen Verhältnissen in der politischen Landschaft Deutschlands erkennen können. Diesen Arrivierten scheint nichts Sinnvolles einzufallen, um wenigstens ansatzweise als erträgliche Politik wahrgenommen zu werden. Das treibt die Menschen auf die Straße.

Scholz bekommt Gegenwind aus der eigenen Partei und von Ministerpräsidenten

Nicht nur im Volk stößt die Bundesregierung inzwischen auf offenen Widerstand: Dietmar Woidke (SPD), Regierungschef in Brandenburg, Regierungschefin Anke Rehlinger (SPD) aus dem Saarland, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), aber auch der Regierungschef in Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst (CDU), und Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD), fordern die Bundesregierung Scholz zur Rücknahme der Belastungssteigerung für Landwirt auf, solidarisieren sich zumindest mit den Protesten der Bauern oder äußern Verständnis. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte: „Die Rücknahme der Kfz-Steuer für die Landwirtschaft ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein im Vergleich zur Abschaffung der Agrardieselsubventionen“. Im Deutschlandfunk attestierte er der Regierung mangelndes Gespür für den Unmut unter den Landwirten und im Rest der Bevölkerung.

Angesichts der Hartleibigkeit, mit der das Kabinett Scholz bisher auf die bundesweiten Proteste reagiert und angesichts der Entschlossenheit der Landwirte, könnte aus dem ersten Protesttag tatsächlich eine bundesweite Demonstrationswoche werden. Schon jetzt veranstalten die Bauern örtlich weitere Sternfahrten und Versammlungen, um ihren Widerstand zu demonstrieren. Tatsächlich ist geplant, am 15. Januar erneut in Berlin mit Traktoren zu erscheinen und zu demonstrieren. Viele Landwirte sind entschlossen so lange zu demonstrieren, bis die Bundesregierung erkennbare Kursänderungen an ihrer bisherigen, als desaströs empfundenen Politik vornimmt.

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Klaus Kelle, Chefredakteur