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Klimakleber und Ernergiekrise “Die Zeit des billigen Stroms ist vorbei!”

Thomas Eisenhut war früher bei Greenpeace. Heute kritisiert er die Grünen für ihre Naivität.

BERLIN – Die Extremistengruppe „Letzte Generation“ klebt sich auf Straßen fest und behindert den Verkehr. In Lützerath werden Polizisten mit Molotovcocktais beworfen. Vor der Grünen-Zentrale in NRW haben nun Aktivisten sprichwörtlich vor die Tür geschissen, Reaktion auf den Vorwurf von Anwohnern in Nachbardörfern von Lützerath, Klimaaktivisten hätten in ihren Gärten ihr Geschäft gemacht.

Thomas Eisenhut, Sie als ehemaliger Aktivist bei Greenpeace: Wie beurteilen Sie diese aktuelle Protestform?

Ich finde es im Allgemeinen gut, wenn Menschen sich für die Gesellschaft engagieren, wenn man sich für etwas einsetzt, womit man Menschen hilft, die selbst nicht in der Lage sind, sich zu helfen oder etwas Konkretes für eine bessere Umwelt tut. Ich kann die Sorge vieler Menschen um unsere Umwelt und was wir oft mit ihr anrichten, sehr gut verstehen.

Aber?

Für das Beschädigen von Kunstwerken, für das Sich-Ankleben auf Strassen, das Besetzen einer kleinen, leer stehenden Siedlung, die im Privateigentum steht, für das Verschmutzen von Landschaft oder die Gärten anderer Menschen, das Beschießen der Pilzei mit Feuerwerkskörpern oder die Inkaufnahme der Behinderung von Rettungsdiensten habe ich aber keinerlei Verständnis. Hier wird von den selbsternannten Weltenrettern eine Grenze überschritten. Wir alle sind aufgerufen, diese Grenzüberschreitung nicht nur nicht zu akzeptieren, sondern zurückzuweisen. Unsere Demokratie funktioniert nur, wenn wir uns an die Regeln halten, die wir uns als Gesellschaft auf demokratischem Wege gegeben haben. Ein bekannter Spruch aus meiner Jugend lautete: Wenn Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht. Zu den Aktionen und Demonstrationen: Wenn Straftaten heroisiert werden und Kraftwerksbetreiber diffamiert, stimmt etwas nicht.

Aber es herrscht auch Meinungsfreiheit in Deutschland…

Absolut! Wenn ich die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit in Anspruch nehme, was ein hohes Gut und Grundrecht jedes Menschen bei uns ist, kann ich das so lange tun, solange ich andere nicht in Gefahr bringe oder Schaden anrichte. Wer genau aber das tut, sollte für sein Handeln konsequent und unmissverständlich zur Verantwortung gezogen werden. Das passiert derzeit leider viel zu wenig und wenn, dann nicht im erforderlichen Umfang der Taten.

Die Aktivisten wollen erreichen, dass keine Braunkohle mehr gefördert wird. Braunkohle gilt als dreckig und umweltzerstörend. Ist doch eigentlich eine gute Idee, was die Jugendlichen fordern?

Der Abbau von Braunkohle ist in der Tat sehr umweltbelastend. Die Gebiete, in denen Braunkohle gefördert werden, sehen lange Zeit wie Mondlandschaften aus. Das ist kein schöner Anblick. Ich bin in der DDR aufgewachsen, wo ein erheblicher Teil unserer Energie aus Braunkohle gewonnen wurde und großer Tagebau die Landschaft unwiederbringlich verändert haben. Richtig ist auch, dass durch die Verbrennung von Braunkohle Freisetzung erhebliche Mengen an Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangen. Diese Probleme kann man nicht ignorieren. Man muss damit umgehen.

Sie sind seit einigen Jahren in der Strombranche und beteiligen sich auch immer wieder an Diskussionen, wenn es um das Thema Energie geht. Welchen größten Irrtum unterliegen Ihrer Meinung nach die Grünen bei diesem Thema?

Unsere Gesellschaft, unser Wohlstand und so, wie wir leben, basiert im Wesentlichen auf dem permanenten Vorhandensein von preiswerter Energie, die ihren Preis hat. Man kann diesen Treibstoff unseres Alltags in Frage stellen, man sollte sich aber sehr bewusst sein, was man tut, wenn man aus der bisherigen, sicheren und preiswerten Energieversorung, von einer gesicherten Stromerzeugung in eine zunehmend ungesicherte Stromerzeugung umsteigt. Die im ersten Augenblick gut klingende Aussage, dass Sonne und Wind keine Rechnung schicken, hat sich nach mehr als 20 Jahren Energiewende als Märchen herausgestellt. Wenn ein Industrieland ernsthaft glaubt, seinen Energiebedarf nur noch mit Strom zu decken, der nicht dann erzeugt wird, wenn er gebraucht wird, sondern vielmehr nach dem Zufallsprinzip, hat das Folgen. Für die angeblich bessere neue Energiewelt, muss die angeblich schlechtere, aber sichere Energiewelt im Hintergrund weiter laufen, damit die Fassade des grünen Traums nicht zusammenbricht. Das haben einige noch nicht ganz begriffen.

Was hat sich seit der sogenannten Energiewende in deiner Branche geändert?

Die Energiewirtschaft ist sehr viel komplexer geworden. Gab es früher vor allem deutlich weniger, dafür aber sehr große zentrale Kraftwerke, haben wir heute tausende dezentraler Erzeugungseinheiten in unseren Netzen, die einmal im Betrieb, je nach Anlagenart mehr oder weniger oft kontrolliert, gewartet und instandgesetzt werden müssen. Um dieses immer umfangreichere System am Laufen zu halten, nimmt der Aufwand mehr und mehr zu, der notwendig ist, einen Systemausfall wie einen Blackout zu verhindern. Lag die Anzahl der Eingriffe der Netzbetreiber beispielsweise vor mehr als 20 Jahren in Deutschland bei einer handvoll im Jahr, waren es im Jahr 2022 deutlich mehr als 11.000. Eine Entwicklung, die meinen Kollegen und mir Sorgen macht.

Wie sehen Sie die Preisentwicklung in der Zukunft?

Die Zeiten billigen Stroms, wie wir ihn aus Zeiten vor Beginn der Corona-Krise kannten, sind aus jetziger Sicht vorbei. Die notwendigen Doppelstrukturen, kein Öko-Kraftwerk kann sichere Stromversorgung garantieren, wenn nicht auch eine fossile Anlage im Hintergrund zumindest betriebsbereit am Netz ist, haben die Energiewende zu einer sehr teuren Unternehmung gemacht. Zudem hat die Politik das Preis-Problem zusätzlich verschärft, in dem man eine nennenswerte Anzahl gesicherter Erzeugungsanlagen (Kohlekraft) dauerhaft vom Netz und ausser Betrieb genommen hat, statt diese zumindest in Reserve zu halten. Diese bewusste Verknappung für eine angeblich gute Sache – Wir retten die restliche Welt, wohlwissend, dass die Mehrheit der Welt bei dieser Rettung gar nicht mitmacht – hat die Preise deutlich mit verteuert.

Was ist Ihr Vorschlag zur Lösung?

Wollte man die Energiepreise wieder senken, müsste man die Kraftwerke, die gesichert Strom erzeugt haben, die man aber abgestellt hat, wieder dauerhaft ans Netz bringen. Zeitweise hat man das mit einigen dieser Kraftwerke in Deutschland gemacht. Ob das wirklich von Dauer sein wird, ist nicht sicher. Ich habe die Sorge, dass die durch die Politik verursachte Energiepreisexplosion jetzt viele Menschen in Not und Firmen in die Insolvenz treiben wird und erst die dadurch sinkende Nachfrage auch wieder Preise auf Talfahrt bringen wird. Ob die bis dahin verschwundene Wirtschaft dann wieder aufersteht, glaube ich allerdings nicht.Ich denke, der grüne Traumzug Energiewende fährt gerade unter Volldampf gegen die Wand. Es gibt Grund zur Hoffnung, dass wir nach dem Aufprall schlauer sind als vorher und eben nicht so weitermachen wie bisher.

Thomas Eisenhuth, arbeitet seit 1993 in der Energiewirtschaft und war 10 Jahre ehrenamtlich bei Greenpeace engagiert. Seit 2001 lebt er in Österreich und betreibt dort ein Unternehmen für Energiehandel, das Strom von Kraftwerken im ganzen Land kauft.

Das Gespräch führte Julian Marius Plutz.

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Klaus Kelle, Chefredakteur