Skip to main content

Der unberechenbare Sultan lässt Olaf Scholz tanzen

Schwieriger Freund Türkei: Erdogan beim Kanzler und die Türken im Fußballstadion

Klaus Kelle
Foto: Bundesregierung/Denzel | Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Abschlusspressekonferenz des jüngsten Staatsbesuchs in Berlin.

Familienmitglieder kann man sich nicht aussuchen, Freunde aber schon. Oder doch nicht? Der Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zum Abendessen bei Bundeskanzler Olaf Scholz war – wie man hört – alles andere als freundschaftlich. Und wenn man das Ereignis in einen Zusammenhang mit dem aktuellen Fußball-Länderspiel im Berliner Olympiastadion bringt, wo die türkische B-Mannschaft 3:2 gegen den Gastgeber Deutschland gewann und die Stimmung unter den 70.000 Zuschauern klar durch die Mehrheit türkischer Anhänger im weiten Rund dominiert wurde, dann fragt man sich zum wiederholten Mal, was hier in unserem Land eigentlich los ist.

Gut, wenn hier drei bis vier Millionen türkischstämmige Menschen leben, dann ist klar, dass so ein sportliches Kräftemessen für die ein Highlight ist. Und das bedeutet, dass sie laut sind, brüllen und jubeln, wie man das im Rudel ebenso macht.

Als Gast verhält man sich anders

Und das ist für mich auch kein Problem, denn wenn zu wenig deutsche Fans Karten kaufen und sehr viele türkische das tun, dann sind sie halt lauter. Ärgerlich ist es aber, wenn man bei Leuten, die hier gut und gerne leben, diese Häme – zum Beispiel gegen den deutschen Mannschaftskapitän – miterleben muss. So verhält man sich nicht, wenn man anderswo zu Gast ist.

Bisher kannte ich das nur bei Kräftemessen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, die endlich wieder so heißen darf, mit unseren holländischen Freunden. Schon als kleiner Junge hat mich das geärgert 1974 beim Endspiel, wie stillos und ungezogen Tausende Fans aus den Niederlanden buhten und pfiffen bei der deutschen, bei unserer Nationalhymne.

Deutsch-türkische Gemeinsamkeiten

Ich war vor Jahren mal für die Welt am Sonntag bei einem Spediteur zu Gast, um einen Artikel zu schreiben. Der Unternehmer, ein Türke, hatte Mühe in Deutschland ausreichend LKW-Fahrer einstellen zu können. Bürokratische Hürden und so. Ich kam da an, und der Boss empfing mich so herzlich, als wären wir alte Freunde. Er lud mich zum Mittagessen ein, nicht in ein schickes Restaurant, sondern in seine Werkskantine. Dort aßen jeden Tag alle Mitarbeiter, der Chef, die Fahrer, Familienmitglieder, Sekretärinnen zur festen Zeit gemeinsam. Und ich saß mittendrin, ein deutscher Journalist, manche schauten mich verstohlen an wie ein Alien. Aber alle waren sehr freundlich, ja herzlich mir gegenüber.

Als ich dann mit dem Unternehmer allein im Büro saß bei Gebäck und Tee, an der Wand gekreuzt eine schwarz-rot-goldene und eine türkische Fahne, sagte er irgendwann: „Wissen Sie, Ihr Deutschen und wir Türken haben so viel gemeinsam, so viel zusammengehalten in der Geschichte, beides Hochkulturen – wenn wir kooperieren, dann können wir alles erreichen.“

Ich muss zugeben, nach dem Gespräch fuhr ich tief beeindruckt zurück ins Büro. Der Mann hat doch recht.

Aber damals war halt Erdogan noch nicht Präsident

Da lebten hier kaum Kinder von türkischen Gastarbeitern, die in der dritten Generation überhaupt keine Anstalten machen, sich bei uns in Deutschland zu integrieren und mitzumachen. Nochmal: Ich rede nicht von „den Türken“, sondern von dem Teil, der hier die Vorteile nutzt, aber uns im Grund verachtet. Und das offen zeigt zum Beispiel bei einem Fußball-Länderspiel.

Ich habe überhaupt kein Problem mit türkischen Nachbarn, mit türkischen Kollegen in meinen früheren Redaktionen. Oder mit türkischen Familien, deren Kleinkinder unsere Kleinen zu Geburtstagsfeiern einluden. Das lief da nicht anders, als Kindergeburtstage bei uns zu Hause, zu denen unsere Kinder natürlich bisweilen auch türkische Jungs und Mädchen einluden. Warum denn auch nicht?

Seit Erdogan ist alles anders

Der Mann hat sich für Deutschland in der Flüchtlingskrise unverzichtbar gemacht, weil er die Schleusen nach dem Merkel-Wahnsinn 2015 und 2016 schließen ließ. Und dafür Milliarden von uns und der EU kassiert. Und immer wieder droht, halt auch wieder aufzumachen, wenn wir nicht spuren.

Außerdem ist die Türkei ein extrem wichtiger NATO-Partner für uns alle im Westen. Weil sie eine starke Armee hat, modern ausgerüstet und an der direkten Grenze liegt zum islamistischen Wahnsinn in Syrien, Irak und wie die alle heißen. Fällt die Türkei als militärischer Verbündeter aus – dann hätten wir alle ein enormes Problem. Und das weiß man in Ankara, das weiß man auch in Berlin, Brüssel und Washington.

Gute Miene zu bösem Spiel

Und deshalb bemüht man sich um eine freundliche Miene wenn der unberechenbare Sultan anreist zum Dinner bei Bundes-Olaf. Und der macht böse Miene zum guten Spiel, weil er Erdogan braucht. Weil wir Erdogan brauchen.

Bei der gemeinsamen Pressekonferenz im Berliner Kanzleramt pochte Scholz auf das unbedingte Selbstverteidigungsrecht Israels. Als ein Journalist den Gast aus Ankara darauf ansprach, ob er Israel auch ein 100%iges Existenzrecht zugestehe und wie es mit seinen früheren Äußerungen heute sei, dass die Terrororganisation Hamas eine „Freiheitsbewegung“ sei, wich Erdogan aus. Er verurteilte stattdessen die Bombardierung des Gazastreifens….

 

Spendenaufruf

+++ Haben Sie Interesse an politischen Analysen wie diesen?
+++ Dann unterstützen Sie unsere Arbeit
+++ Mit einer Spende über PayPal@TheGermanZ
oder einer Überweisung auf unser Konto DE03 6849 2200 0002 1947 75 +++


Klaus Kelle, Chefredakteur