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Wie sicher ist unser NATO-Partner nach dieser Wahl?

„Durch die Annulierung der ersten Wahl hat sich die politische Lage in Rumänien dramatisch verändert“

KLAUS KELLE
In der Fläche ist der neue Wohlstand in Rumänien noch nicht angekommn

Die Entwicklungen im EU- und NATO-Partnerland Rumänien nach der ersten Runde der Präsidentenwahl sorgt international für großes Aufsehen. Der rechte Europa-Skeptiker George Simion lag bei der Wahl am vergangenen Sonntag mit 40,6 Prozent der Stimmen deutlich vorn und trifft nun in eineinhalb Wochen in der Stichwahl auf den pro-europäischen Bürgermeister der Hauptstadt Bukarest, Nicusor Dan.

Im November vergangenen Jahres hatte das oberste Gericht Rumäniens den Wahlsieg des pro-russischen Kandidaten Calin Georgescu wegen massiver russischer Einflussnahme annuliert und ihn von der aktuellen Präsidentschaftswahl ausgeschlossen.

Wie wird es nun weitergehen, darüber sprechen wir mit Albert-Constantin Barbuleasa, Kommunikationschef bei der International Democracy Union (IDU), dem weltweiten Zusammenschkuss von Mitte-Rechts-Parteien. Barbuleasa stammt selbst aus Rumänien und hat Internationale Politik und US-amerikanische Geschichte und Politik an der City St. George’s University of London studiert.

Herr Barbuleasa, George Simion hat die erste Runde der Präsidentschaftswahlen in Rumänien klar gewonnen. Wird er sich nun auch in der Stichwahl durchsetzen? Oder wird es wie in vielen anderen Ländern sein, dass sich alle anderen zusammentun, um den Sieg des rechten Kandidaten zu verhindern?

Zum jetzigen Zeitpunkt ist George Simion klarer Favorit, weil ein weiterer nationalistischer Kandidat, der ehemalige rumänische Ministerpräsident Victor Ponta, auch 13 Prozent der Stimmen erhielt und sich die meisten seiner Wähler in der zweiten Runde wahrscheinlich hinter Simion stellen werden.

Aber es gibt noch einen möglichen Weg zum Sieg für Nicusor Dan, wenn es ihm gelingt, die Wähler, die nicht an der ersten Runde teilgenommen haben, zu mobilisieren und die pro-europäische Wählerschaft, die Kandidaten wie Crin Antonescu und Elena Lasconi unterstützt hat, zu vereinen. „Cordon sanitaire“-Strategien sind in der rumänischen Politik noch recht unerprobt, und die Zersplitterung der politischen Landschaft machen solche Zusammenschlüsse noch schwierig.

Für außenstehende Beobachter sieht es so aus, als ob die Wahl von Călin Georgescu, die später für ungültig erklärt wurde, mit diesem Ergebnis auch gleich hätte akzeptiert werden können?

Während einige spekulieren, dass Călin Georgescu vor sechs Monaten kurz vor dem Sieg stand, hat sich der politische Kontext seither dramatisch verändert. Im Dezember hatten wichtige Kandidaten ihre Position noch nicht beschädigt – vor allem Elena Lasconi, deren spätere Fehltritte im Wahlkampf sie die große Mehrheit ihrer Unterstützer kostete.

Darüber hinaus hat die Annullierung der zweiten Runde durch den Obersten Gerichtshof Rumäniens die öffentliche Stimmung in einer Weise aufgeheizt, wie wir es zuvor nicht erlebt hatten. Auch wenn diese Idee spekulativ ist, so wird sie doch weiterhin die öffentliche Meinung und die politische Debatte in Rumänien befeuern.

Was können Europa, die NATO und der Westen von einem Präsidenten George Simion erwarten? Es heißt es, er sei ein Bewunderer von Trump, wolle aber die Ukraine nicht länger unterstützen und die ukrainischen Flüchtlinge aus Rumänien vertreiben…

In den letzten Jahren baute Simion seine Plattform auf populistischen Botschaften und dem Wunsch auf, mit dem politischen Konsens in Rumänien nach 1989 zu brechen. Sollte er gewählt werden, ist zu erwarten, dass er umstrittene institutionelle Ernennungen vornehmen wird, insbesondere in der Justiz und den Geheimdiensten.

In Bezug auf die Ukraine hat sich Simion skeptisch über die Fortsetzung der Hilfe geäußert, vor allem angesichts inländischer Probleme wie dem billigen ukrainischen Getreide, das die Marktpreise für rumänische Landwirte, die ihre Erzeugnisse verkaufen wollen, niedrig hält. Es ist jedoch erwähnenswert, dass er Beziehungen zu europäischen Politikern wie Giorgia Meloni und Petr Fiala unterhält, die beide die Ukraine stark unterstützen. Diese Beziehungen könnten ihn ermutigen, eine gemäßigtere Haltung einzunehmen als Politiker wie Viktor Orbán oder Robert Fico.

Ist zu befürchten, dass die Wahl Simions zum Präsidenten zu einer distanzierteren Haltung gegenüber der EU führen wird?

Die EKR-Mitgliedschaft (Fraktion Konservative und Reformer im EU-Parlament) von Simions Partei AUR, die im Laufe der Jahre viele Vorteile mit sich gebracht hat und als mäßigender Anker für sie diente, garantiert, dass sich Rumänien mit Simion als Präsident weiterhin aktiv in europäischen Angelegenheiten engagieren und die von Giorgia Meloni auf EU-Ebene vorgegebene Linie einhalten würde. Sollte Simion jedoch sein Versprechen einlösen und Herrn Georgescu zum Premierminister ernennen, könnte dies alle Versuche einer konstruktiven Zusammenarbeit mit den meisten europäischen Staats- und Regierungschefs im Keim ersticken, da Georgescu weit von den Werten der konservativen Mehrheit entfernt ist.

In der westlichen Allianz standen Ungarn und die Slowakei oft nicht auf der Seite der „Koalition der Willigen“. Als NATO-Mitglied spielt die Türkei immer ihr eigenes Spiel. Wird Rumänien in Zukunft auch zur Spaltung der NATO beitragen?

Die NATO genießt in Rumänien eine überwältigende Unterstützung, und zahlreiche Studien belegen, dass mehr als 85 Prozent der Bevölkerung eine weitere Mitgliedschaft befürworten. Auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass Simion einen Austritt Rumäniens aus der NATO anstrebt, wird er wahrscheinlich alle Versuche blockieren, rumänische Friedenstruppen in die Ukraine zu entsenden. Es ist zu erwarten, dass er innerhalb des Bündnisses eng mit anderen führenden Politikern zusammenarbeiten wird, die seine Ansichten teilen.

Viele Menschen in Westeuropa verstehen nicht, warum die Rumänen so gewählt haben, wie sie es getan haben. Gibt es ein Unbehagen, das man in Brüssel, Paris und Berlin noch nicht bemerkt hat?

Dies ist der Höhepunkt einer jahrzehntelangen Enttäuschung des rumänischen Volkes über seine politische Klasse. Obwohl das Land seit seinem Beitritt zur Europäischen Union vor 18 Jahren einen massiven Anstieg des Lebensstandards und der Wirtschaftsleistung verzeichnen konnte, was zu einem großen Teil auf EU-Gelder, ausländische Investitionen und die große Diaspora zurückzuführen ist, die Kapital in ihr Heimatland zurückfließen lässt, haben viele Rumänen das Gefühl, dass Korruption und die Unfähigkeit ihrer gewählten Vertreter, unser Land gut zu führen, vorherrschen.

Hinzu kommt, dass die positive Entwicklung in die ländlichen Regionen wenig zu spüren ist. Viele Rumänen haben ihr Land deshalb verlassen und arbeiten heute im Ausland. All dies hat zu einer scharfen sozioökonomischen Spaltung geführt. Und die Folgen können Sie an den Wahlergebnissen vom Sonntag ablesen.

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Klaus Kelle, Chefredakteur