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Bodo, Thomas und Björn: Drei Politiker setzen Maßstäbe in Thüringens Landespolitik

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

wenn Sie der Meinung sein sollten, dass Landespolitik etwas Langweiliges ist, dann empfehle ich Ihnen einen täglichen Blick nach Thüringen. Der Freistaat im Osten Deutschlands ist nicht sonderlich groß, aber kein Tag vergeht, ohne dass da jemand einen politischen Haken schlägt. Nicht zu fassen, wer da in Hinterzimmern oder auch mal am Wochenende in Gärten zusammenhockt und über die Zukunft des Landes, natürlich aber auch über die eigene Zukunft, plaudert. Wie einst Heide Simonis unnachahmlich formulierte: „Und was wird aus mir?“

Instabil ist Thüringen heute vor allem, weil die CDU – zwei Jahrzehnte lang – der Ruhepol war, der Anker, an dem sich viele Bürger in der Nachwendezeit und beim Start ins Neuland orientieren konnten. Heute ist davon aber nichts mehr zu spüren, CDU-Abgeordnete, die sich mit Kommunisten duzen, CDU-Abgeordnete, die sich mit Herrn Höcke von der AfD duzen – es gibt nichts, was es in Erfurt in diesen Monaten nicht gibt.

Die auslösende Eruption fand am 5. Februar vergangenen Jahres statt, als im dritten Wahlgang der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit einer Stimme Mehrheit zum neuen Ministerpräsidenten gewählt wurde. Offenbar mit den Stimmen von FDP, CDU und AfD, die damit dem Willen der Wählermehrheit folgten und das abgewirtschaftete und vor allem von den Bürgern abgewählte rot-rot-grüne Gruselkabinett um Bodo Ramelow in Rente schickte. Dachte man, bis Gottkanzlerin Merkel in Südafrika zum Smartphone griff und den Erfurter Frühling beendete.

Ich bin auch heute der Meinung, dass Thomas Kemmerich nicht hätte zurücktreten sollen und müssen. Und ich treffe in Thüringen bei Gesprächen, glauben Sie mir, ich führe viele Gespräche dort, fast nur Leute, die das auch so sehen. Gleichzeitig kann niemand Kemmerich vorwerfen, dass er dem Druck auf sich selbst und seine Familie, den Anfeindungen, den Drohungen und dann auch noch dem Parteichef, der ihm in den Rücken fällt, nachgegeben hat und zurückgetreten ist. Was hätten wir gemacht an seiner Stelle? Man kann im Nachhinein mutig sein, kostet nix, aber die wenigstens von uns hätten in der Situation gestanden.

Doch stellen Sie sich vor, nach seiner damaligen Wahl und Vereidigung wäre Kemmerich in die Staatskanzlei gefahren, wo Blumen und Häppchen auf den Genossen Ramelow warteten, hätte die Ernennungsurkunde unterschrieben und einigen ausgewählten Journalisten ins Mikro diktiert, wie jetzt seine nächsten Schritte sein werden: Erstens, zweitens, drittens! Er hätte drei, vier kluge vorher sorgfältig ausgesuchte Köpfe präsentiert, Experten, die dafür sorgen, dass die Schlüsselressorts ohne Unterbrechung weiterarbeiten können. Am zweiten Tag hätte er sich im Fernsehen direkt an die Bürger gewendet und erklärt, was hier gerade passiert ist, und wie es weitergeht – Einladung an CDU, SPD, FDP und Grüne jetzt im Sinne des Landes zusammenzustehen. Er hätte aber auch eine Minderheitsregierung bilden können und sich immer wieder neu Mehrheiten organisieren. Und irgendwann wäre Corona ausgebrochen, und Kemmerich hätte Thüringen durch die schwere Krise geführt. Ich glaube, der FDP-Politiker könnte heute noch im Amt sein und hätte starken Rückhalt in der Bevölkerung.

Aber, das Leben ist kein Ponyhof. Im Augenblick ist Kemmerich im Landtag ein Abgeordneter ohne Fraktion, denn vorgestern Abend hat die ehemalige Fraktionskollegin Dr. Ute Bergner, eine Unternehmerin aus Jena, ihren Austritt aus der FDP-Landtagsfraktion erklärt. Mit vier Abgeordneten verlieren die Liberalen nun ihren Fraktionsstatus und damit Mitwirkungsmöglichkeiten und viel Geld, und – als wäre das alles nicht schon schlimm genug – hat die frühere Parteifreundin mit ihrer neuen Partei „Bürger für Thüringen“ gleich auch noch eine weitere bürgerliche Kraft geschaffen, die der FDP nun Konkurrenz macht. Gestern Abend las ich, dass Thomas Kemmerich zur Ruhe mahnt, alles unter Kontrolle, man werde mit Abgeordneten sprechen, die Interesse haben, zur FDP zu wechseln. Interesse zur FDP zu wechseln? Ich bin sehr gespannt, wer das sein sollte.

Wie gesagt: Schauen Sie auf Thüringen. Da erleben Sie was, sogar in der Landespolitik. Jetzt schauen wir mal, wie das mit dem Misstrauensvotum gegen Ramelow laufen wird (ich habe eine Ahnung). Und Björn Höcke kandidiert als Ministerpräsident. Ja, der Björn Höcke von der AfD. Man kann sich das gar nicht ausdenken, was in Thüringen abgeht.

Ihr Klaus Kelle

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Klaus Kelle, Chefredakteur