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Das Recht, vom Staat auch mal in Ruhe gelassen zu werden

von FELIX HONEKAMP

„Das einzig wahre Menschenrecht ist das Recht, in Ruhe gelassen zu werden“ – so beschrieb es einmal der verstorbene libertäre Vordenker Roland Baader. Was er wohl meinte war, dass die allermeisten Dinge, die man den lieben langen Tag so denkt, redet, tut, plant, schreibt … niemanden etwas anzugehen haben. Ein Rechtsstaat sollte von dort aus gedacht werden: Was ist tatsächlich eine Tat, die verboten gehört, weil sie andere beispielsweise gefährdet?

Nun sind die Bundesrepublik und die Staaten der EU keine Unrechtsregime, in denen Leben und Gesundheit des Einzelnen durch Eingriffe des Staates bedroht würden. Ob Sie aber wirklich frei sind, können Sie ja mal als Gastwirt ausprobieren, der in seiner eigenen Kneipe in NRW eine Zigarette rauchen will. Geht nicht: Verboten! Oder versuchen Sie mal, an Ihr Haus auf Ihrem eigenen Grundstück, ohne Einfluss auf andere, eine Garage zu bauen. Geht nicht ohne Baugenehmigung. Einen Baum auf dem eigenen Grundstück fällen? Vergessen Sie’s.

Besonders trifft das in diesem Land auch Unternehmer, also diejenigen, die durch Innovation und Risikobereitschaft zum Wohl der Gesamtgesellschaft in besonderer Weise beitragen (was so leider die wenigsten sagen, aber das ist eine andere Geschichte). Die gesetzlichen Bestimmungen, denen Unternehmen heute unterliegen, stellen oft schon in sich eine Gefahr dar, da die Unübersichtlichkeit Formen wie die des Steuerrechts annimmt und mancher selbst bei gutem Willen nicht sicher ist, ob er alles eingehalten hat. Vor diesem Hintergrund muss man das Urteil des Europäischen Gerichtshofs bewerten, das ein arbeitgeberseitiges Verbot eines Kopftuchs am Arbeitsplatz unter Umständen als zulässig bewertet. Was aussieht, wie ein arbeitgeberfreundliches Urteil ist in Wahrheit eine unternehmerische Freiheitsbeschränkung.

Denn der Pferdefuß ist das „unter Umständen“. Mit anderen Worten: Ob Sie als Unternehmer einer Mitarbeiterin das Tragen eines Kopftuchs verbieten dürfen – nebenbei: auch das sichtbare Tragen eines Kreuzes oder das Zeichen einer anderen Religion – entscheiden nicht Sie sondern der Gesetzgeber bzw. im Zweifel Gerichte. Festgestellt hat der EuGH zum Beispiel, dass alleine eine Beschwerde von Kunden kein ausreichender Grund sei. In dem Fall, so das Gericht, müsse man sich auf eine interne Regel stützen können, die es verbietet, Zeichen politischer, philosophischer oder religiöser Überzeugungen zu tragen.

Bedeutung hat das Thema auch deshalb, weil es bislang in Deutschland im Wesentlichen öffentliche Arbeitgeber gewesen sind, deren Regelungen Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten waren. Dass der Staat als Arbeitgeber, insbesondere dort, wo er als Monopolist auftritt, besonderen Regelungen unterliegen sollte, ist durchaus nachvollziehbar. Hier geht es aber um die freie Wirtschaft und darum, ob ich als Unternehmer ein „Kopftuchverbot“ aussprechen kann, wenn das Tragen eines solchen Symbols den Geschäften schadet. Antwort des Gerichts: Nein, das reicht als Begründung nicht aus. An diesen Richterspruch haben sich in ähnlich gelagerten Fällen zukünftig auch deutsche Gerichte zu halten.

Um nicht missverstanden zu werden: Ich befürworte kein generelles Verbot von Kopftüchern, auch nicht das zum Tragen anderer religiöser Symbole. Ich verstehe auch nicht, wenn ein Arbeitgeber einen Mitarbeiter aufgrund seiner Religion, seines Geschlechts, seiner Hautfarbe oder seiner politischen Orientierung entlassen oder gar nicht erst einstellen will, wenn er dadurch unternehmerisches Potenzial verschenkt. Aber die Entscheidung sollte beim Unternehmer liegen und nicht zentral durch ein Gesetz geregelt sein. Das macht Freiheit auch aus: Jeder hat das Recht, ein religiöses Symbol zu tragen, aber jeder sollte auch das Recht haben, daraus Konsequenzen zu ziehen.

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Klaus Kelle, Chefredakteur