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Heute vor 40 Jahren hing ein Banker tot an der Blackfriars Bridge in London

Liebe Leserinnen und Leser,

erinnern Sie sich noch? Heute vor 40 Jahren wurde Roberto Calvi, Präsident der bankrotten Mailänder Banco Ambrosiano, erhängt unter einer Londoner Brücke aufgefunden. Der Postbeamte Anthony Huntley entdeckte den Banker,  aufgeknüpft an einem orangefarbenen Seil an der Londoner Blackfriars-Bridge. Das schmutzige Themsewasser stand ihm bis zum Bauch, in seinen Taschen Ziegelsteine, einen gefälschten Pass und Bargeld in unterschiedlichsten Währungen im Wert von einigen tausend Dollar.

Eine Woche vorher hatte der Mann mit dem markanten Schnauzbart Italien verlassen, in einer Aktentasche brisante Dokumente. Über Jugoslawien war er mit einem Motorboot nach Jugoslawien gefahrem, dann weiter nach Österreich. Von dort ging es mit einem Privatjet weiter in die britische Metropole, wo er in einer üblen Absteige namens Chelsea Cloisters eincheckte.

Der Direktor der Banco Ambrosiano war damals der vielleicht mächtigste Privatbankier der Welt.

Die britische Polizei teilte nach einer Autopsie mit, Calvi habe Selbstmord begangen: „Wir stellen einen Erstickungstod beim Erhängen fest.“Doch daran glaubt bis heute kaum einer. Die italienische Tageszeitung „La Repubblica“ schrieb damals: „Ein Mensch wie Roberto Calvi überquert nicht drei Grenzen mit einem falschen Ausweis, um sich unter einer Themse-Brücke aufzuhängen, noch dazu unter extrem widrigen Umständen. Deswegen also sagen wir: Mord.“

Mich faszinieren solche Geschichten, und wenn Sie mich für einen Verschwörungstheoretiker halten, dann bin ich das eben.

Die Geschichte ist so gewaltig, dass ich sie hier nicht in allen Facetten erzählen kann. Aber sie wurde verewigt in dem Welt-Bestseller von David A. Yallop „Im Namen Gottes“. Und im dritten Teil der Film-Trilogie „Der Pate“.

Deshalb nur kurz: Calvi hatte mit seinem Mailänder Bankhaus Devisengeschäfte für den Vatikan abgewickelt und nebenbei Geld für die Mafia, konkret die sizilianische Cosa Nostra und südamerikanische Drogenkartelle gewaschen. „Er war die Schlüsselfigur in einem schillernden Beziehungsgeflecht aus Mafiosi, Priestern und Politikern“, beschrieb der „Spiegel“ diese Geschäftsbeziehungen.

Calvi orchestrierte dazu Briefkastenfirmen auf den Bahamas, Panama, in Vaduz, Zürich und Luxemburg. Tagtäglich wurden Millionen weltweit hin- und hertransferiert. Und die Schlüsselrolle spielte das IOR (Istituto per le Opere di Religione), die Bank des Vatikan. Weil nur dieses Bankhaus konnte ohne Auflagen damals unbegrenzt Geld in alle Welt transferieren.

Ist es möglich, dass deshalb Papst Johannes-Paul I. nach nur 33 Tagen auf dem Stuhl Petri sterben musste, weil er den kriminellen Sumpf im Zentrum der katholischen Weltkirche trockenlegen wollte, wie Yallop in seinem spannenden Buch andeutet? Ich weiß es genauso wenig wie Sie.

Aber können wir es ganz ausschließen? Der Vatikan ist nicht einfach ein geistliches Zentrum mit dem Petersdom in der Mitte. Der Vatikan ist ein Staat mit Ministerien, der Schweizer Garde und einem wirklich effektiven Geheimdienst. Und Transparenz ist ein Wort, dass dort nur selten verwendet wird.

Als Calvis Geschäfte aufflogen und die Luft für ihn dünn wurde, drohte er der Vatikan-Bank, auszupacken, und er forderte für sich selbst hohe Geldsummen. Angeblich hat er sogar am 5. Juni noch  einen Brief direkt an Papst Johannes Paul II. in dieser Sache geschrieben.

So blieb Calvi letztlich nur seine Aktentasche mit den belastenden Dokumenten. Kurz bevor er sich nach London absetzte hatte er noch ein Gespräch mit seiner Tochter Anna. Der sagte er: „Wenn ich auspacke, dann werden die Priester den Petersdom verkaufen.“ Und zu seiner Frau: „Der Papst muss zurücktreten, wenn mir etwas passiert.“

Nicht gut für die Gesundheit, würde ich sagen. Und dann reist Calvi über Jugoslawien und Österreich nach London und begeht Selbstmord? Wirklich?

Man mag sich das alles gar nicht ausmalen, was da wirklich abgelaufen ist. Ein ermordeter Papst, der wichtigste Geldwäscher auf dem Planeten und Suizid?

Gruselig, oder? Und die große Geschichte ist unzweifelhaft wahr. Unwahrscheinlich, dass wir jemals die Wahrheit erfahren. Umso unwahrscheinlicher, als nach dem Tod von Johannes Paul I. auch noch herauskam, dass der Vatikan zweimal gelogen hatte.

Anders als offiziell verkündet wurde der tote Papst nämlich von zwei Frauen gefunden: Der Vorsteherin des päpstlichen Haushalts, Schwester Vincenza Taffarel, und einer Schwester Margerita. Zwei Frauen im Schlafzimmer des Papstes, das wäre 1978 ein Riesenskandal gewesen, und so teilte man der Öffentlichkeit mit, Johannes Paul I sei von seinem Privatsekretär gefunden worden. Und man teilte weiter mit, der Papst habe, als man ihn auffand, die „Nachfolge Christi“ von Thomas von Kempen in den Händen gehalten. Vier Jahrzehnte später bekannte Schwester Margerita, der Papst habe tatsächlich drei beschriebene Blätter in seinen Händen gehalten, allerdings nicht, wie gestreut wurde, mit Finanzinformationen der Vatikan-Bank.

Warum erzähle ich Ihnen von diesem Kriminalfall? Weil es so unglaublich schwer ist, in einem solchen Fall herauzufinden, was wahr ist und was Fake News. Meine bescheidene Ansicht: Papst Johannes Paul I starb eines natürlichen Todes, vermutlich an einem Herzinfarkt. Und Roberto Calvi wurde in London ermordet. Von wem auch immer. Dan Brown, übernehmen Sie!

Mit herzlichen Grüßen,

Ihr Klaus Kelle

 

 

 

 

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Klaus Kelle, Chefredakteur