Make Canada great again
Kanadas sozialistische Regierung setzt auf Nationalismus zur Problemlösung – und reitet das Land damit weiter in die Krise.
Die Berichterstattung in Deutschland kennt im Zusammenhang mit den transatlantischen Beziehungen nur ein Thema und wohl nur noch einen Namen: Donald Trump. In einer Art wie es nur die Teutonen vermögen, hat man sich an dem deutschstämmigen ehemaligen amerikanischen Präsidenten festgebissen. Doch fast unbemerkt von der internationalen Politik und den deutschen Medien macht der Regierungschef des Nachbarlandes gnadenlos auf Nationalismus. Gegen seine Canada-first-Politik wirken die vier Jahre Trump in den USA wie ein Lehrstück für Multilateralismus.
Liberale Partei mit antiliberaler Politik
Justin Trudeau aus Quebec heißt der Premierminister der liberalen Partei, die seit 2015 regiert und damals nach acht Jahren die konservative Partei des erfolgreich regierenden Stephen Harper aus Alberta ablöste. Unter dem Anwalt aus Calgary war in Kanada die Staatsverschuldung unter 60 Prozent vom jährlichen BIP geblieben, erhöhte sich das Wirtschaftswachstum und sank die Arbeitslosenquote. Das kanadische Punktesystem zur Regulierung von Immigration wurde weltweit gefeiert.
2015 übernahm der Sohn des ehemaligen Premiers Pierre Trudeau die Regierung. Justin Trudeau war eloquent, perfekt zweisprachig und … sah verdammt gut aus. Alles passte. Auch wenn die wirtschaftliche Dynamik, mit der die durch die Regierung Trump im Nachbarland entfalteten, nicht mithalten konnte, so waren die Zahlen doch ordentlich.
Corona versetzte der kanadischen Wirtschaft einen Dämpfer. Nach einer kurzen kräftigen Erholung bröckelt jetzt die Entwicklung deutlich. Und das seit drei Jahren.
Die Staatsverschuldung trieb die liberale Partei mit ihrem Koalitionspartner, den Neuen Demokraten (NDP) auf 75 Prozent. Ein Wert, den die meisten westeuropäischen Länder nicht mehr erreichen und damit fortgesetzt den Stabilitätspakt verletzen. Dennoch: die Kanadier waren hier in der Vergangenheit eher Musterland, so dass der jetzige Wert ungewöhnlich hoch ist.
Nach einer Erholungsphase nach der Corona-Pandemie steigt jetzt auch die Arbeitslosigkeit wieder.
Bei den Wahlen in 2020 rettete sich die Regierung Trudeau nochmal. Gegen sie angetreten war Andrew Scheer für die Conservatives aus Saskatchewan und gewann. Für die Regierung reichte es dennoch nicht. Die Liberalen gingen eine Koalition mit der linken NDP ein und regierten weiter. Zum Nachteil des Landes.
Überhitzter Immobilienmarkt?
Kanada ist ein beliebtes Land. Besonders beliebt sind die wirtschaftlichen Zentren wie Toronto, Vancouver und in geringerem Maß Montreal. Der Zuzug in diese Metropolen reißt nicht ab. Im Fokus chinesischer Staatsbürger und chinesischer Einwanderer: Vancouver. Die Immobilienpreise im Großraum der Stadt steigen seit vielen Jahren. Die zuständige Provinz British Columbia beschloss daher im Jahr 2016 ein Gesetz, nachdem Ausländer beim Immobilienerwerb im Großraum Vancouver eine zusätzliche Grunderwerbssteuer in Höhe von 20 Prozent entrichten müssen.
Die Chinesin Jing Li ließ das Gesetz gerichtlich prüfen. Aber der Staatsgerichtshof British Columbia konnte nachweislich des Urteils im Jahr 2019 keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz erkennen. Gesetz und Urteil sind verfassungsrechtlich durchaus fragwürdig.
Das Parlament von Ontario (dort liegt Toronto) erließ ein ähnliches Gesetz (NSRT) im Jahr 2017. Hier beträgt der Erwerbssteuersatz 25 Prozent, und er gilt für die ganze Provinz. Quebec schloss sich dem ausländerfeindlichen Unsinn nicht an.
Unbestreitbar ist, dass in den genannten Metropolregionen die Immobilienpreise erheblich stiegen
Denn der Zuzug ins Land ist ungebrochen. Allein im Zeitraum zwischen 2019 und 2022 wanderten knapp 1,5 Millionen Menschen legal in das Land mit 40 Millionen Einwohnern ein. Warum aber nun ganze Provinzen davon betroffen sein sollen, deren Fläche jeweils ein Vielfaches derer Deutschlands beträgt, bleibt das Geheimnis der jeweiligen Regierungen.
Gar nicht vom Immobilienboom erfasst waren andere Provinzen, wie Manitoba, Saskatchewan und Alberta. Im Gegenteil: In Städten wie Edmonton, Regina oder Saskatoon sanken die Immobilienpreise. Die viertgrößte kanadische Stadt Calgary (immerhin so groß wie München) verzeichnete gar massiven Leerstand und benötigt dringend Kapital (woher auch immer), um den Bestand zu erhalten und Verfall entgegenzuwirken.
Sozialistische Regierung mit populistischen Maßnahmen
Im Jahr 2022 dann die Meldung: Wohnungskrise in Kanada. Immer mehr Kanadier können sich keinen adäquaten Wohnraum mehr leisten!
Dass nur die bekannten Metropolen betroffen waren, spielte in der Diskussion der Regierungsparteien kaum eine Rolle mehr. Wie so häufig bei linken Regierungen greift man dann zu populistischen Lösungen. Diesmal spielte die Regierung Trudeau die nationalistische Karte: Ausländern sollte der Immobilienerwerb in Kanada generell untersagt werden. Gesagt, getan: Das Gesetz ist seit dem 01. Januar 2023 in Kraft. Und noch ein populistischer Schnellschuss: Nicht genutzte Zweitwohnungen werden durch den Underused Housing Act mit einer Zusatzsteuer belegt. Bei Ausländern gilt das generell, es sei denn dem Eigentümer gelingt der Nachweis, dass die Wohnung durch Kanadier bewohnt wird. Damit wäre doch dann das Schlimmste verhindert! Meint man! Ist es nicht, denn der Antrag auf Befreiung kostet den Eigentümer pro Jahr 800 Dollar.
Das Gesetz trug derartige Blüten, dass sogar auswärtige kanadische Abgeordnete die Steuer für ihre Zweitwohnungen im Regierungssitz Ottawa entrichten sollten. Die Parlamentsverwaltung musste für diese in jedem einzelnen Fall eine Befreiung erwirken.
Und: die Amerikaner, insbesondere aus den grenznahen Staaten, lieben Kanada. Die Weite des Landes, die großen fischreichen Seen. Viele (aus Illinois/Chicago, Michigan, New York) haben Ferienwohnungen und -häuser in Kanada, um dort zu jagen, zu fischen, zum Skifahren oder einfach nur zur Erholung. Und diese müssen nun alle die Zusatzsteuer entrichten. Das Kalkül der kanadischen Sozialisten: das sind die Reichen, und dann auch noch die reichen Amerikaner. So können für die Wiederwahl ausreichend Stimmen vermeintlich benachteiligter Kanadier auf Kosten der bösen Ausländer gewonnen werden.
Regulierung kontraproduktiv – Premier unbeeindruckt
Nun tritt aber genau das ein, wovor Ökonomen und konservative kanadische Politiker gewarnt hatten: Wie eigentlich immer, wenn Gesetzgebung populistisch getrieben ist, verschlimmert sich die Lage. Wegen fehlenden ausländischen Kapitals wird weniger gebaut. Der nicht genutzte Bestand, insbesondere in ländlichen Regionen, verfällt. Dem starken Zuzug zum Land wird die Politik so nicht gerecht. Die Wohnungskrise ist hausgemacht.
Zudem verkaufen viele Amerikaner jetzt ihre Ferienwohnungen. Die betroffenen Regionen in insbesondere Ontario, Manitoba und Quebec leiden unter nachlassendem Tourismus und fehlendem Umsatz. In den Einkaufszentren, wo noch vor einem guten Jahr Amerikaner ihre Dollars ließen, herrscht Leere.
Die Antwort der Regierung auf das Problem ist die eines typischen Sozialisten: Der Staat muss mit Steuergeldern eingreifen.
Als Weihnachtsgeschenk gab es im Dezember für die Stadt Toronto 471 Millionen Dollar aus dem Housing Accelerator Fund. Sozialer Wohnungsbau auf Kosten des kanadischen Steuerzahlers und sicher auch schuldenfinanziert. Die in China geborene Bürgermeisterin Olivia Chow von Trudeaus linkem Koalitionspartner NDP applaudierte begeistert. Dass ihre chinesischen Landsleute im besonderen Fokus der chauvinistischen Politik der Regierung stehen, interessiert sie offenbar wenig.
Und so begegnet der Liebling der internationalen Politik dann den Konsequenzen des einen Fehlers mit dem nächsten. Es sei denn natürlich eine Verbesserung der Lage ist gar nicht angestrebt. Und es geht eigentlich nur um die Wiederwahl der Regierung und nicht um Kanada. Dann wäre die Strategie goldrichtig.
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Klaus Kelle, Chefredakteur