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Mariupol unter russischer Kontrolle – und jetzt Genfer Konvention oder?

Liebe Leserinnen und Leser,

Sie erinnern sich, vor einigen Tagen habe ich hier im Frühen Vogel darüber geschrieben, wie die Tragödie von Mariupol wohl endet und was nun mit den tapferen Verteidigern der gigantischen Azovstal-Industrieanlage wird. Es war klar, dass irgendwann der Tag kommen wird, an dem sich die letzten Verteidiger von Azovstal der russischen Übermacht und den Dauerbombardements ergeben werden. Immer häufiger schickten die Kommandanten verzweifelte Hilferufe an ihre Regierung in Kiew, sie rauszuholen, wenigstens die rund 500 verletzten Soldaten. Doch bei allem Heldenmut: So stark sind die ukrainischen Streitkräfte dann nicht, um in einer offenen Feldschlacht gegen 20.000 russische Soldaten anzutreten, um ein Stahlwerk zu befreien.

1730 ukrainische Kämpfer haben sich seit Anfang der Woche in russische Kriegsgefangenschaft begeben, nach russischen Angaben sind es wohl seit Beginn der Evakuierungen etwa 2400 insgesamt, die jetzt irgendwo in einem russischen Lager zusammengepfercht sind. Die ganze Welt hat seit dem 24. Februar mit ansehen können, was für Barbaren dort auf die Menschen in der Ukraine losgelassen worden sind. Butscha war ein Fanal, aber es ist nicht nur Butscha. Massenhafte Morde an Zivilisten, Vergewaltigungen, Raketenbeschuss auf Wohngebiete, Schulen und Krankenhäuser. Wer noch geglaubt hat, dass sich die russische Soldateska mit Nebensächlichkteiten wir dem Völkerrecht oder der Genfer Konvention aufhalten würde, der weiß es jetzt besser.

Die Ukraine verhandelt mit der russischen Seite über die Austausch von Gefangenen, wer Russlands Vorgehen über die Jahrzehnte verfolgt hat, der weiß, dass da nichts zu erwarten ist. Humanität? Das sieht man im Kreml als Schwäche an, und die erstaunlich erfolgreichen ukrainischen Streitkräfte haben den russischen Angreifern in den vergangenen Wochen so viele bittere Niederlagen und Demütigungen beigebracht, dass jetzt der Zeitpunkt der Rache gekommen sein dürfte. Der Präsident des russischen Unterhauses, Wjatscheslaw Wolodin, warf den ukrainischen Kämpfern gerade vor, sie seien „Nazi-Verbrecher“ und „Kriegsverbrecher“. Sie müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Und Nazis sind entmenschlicht, vogelfrei. Niemand wird sich für diese Männer mit Nachdruck einsetzen, wenigstens für eine anständige Behandlung, medizinische Versorgung und das Überleben sorgen.

Der russische Unterhändler Leonid Slutski, der für Russland mit der Ukraine verhandelt, forderte inzwischen die Todesstrafe für die Azovstal-Kämpfer. „Sie verdienen es nicht zu leben angesichts der monströsen Menschenrechtsverbrechen, die sie begangen haben und die sie weiterhin an unseren Gefangenen begehen.“ Ich bin sicher, sie werden ihre Gefangenen foltern und morden, und niemand wird kommen, um zu helfen.

Angeblich wurden unter den letzten Soldaten, die sich ergeben haben, auch ausländische Söldner identifiziert. Darunter soll auch ein hochdekorierter US-Offizier im Ruhestand sein. Bisher war es für uns nicht möglich, diese Information, die von russischen Trollen im Netz verbreitet werden, zu verifizieren. Aber möglich ist es natürlich.

Mit besten Grüßen,

Ihr Klaus Kelle

 

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Klaus Kelle, Chefredakteur