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Von der Entmenschlichung von Strafgefangenen

Liebe Leserinnen und Leser,

Stanislav Aseyevit 27 Jahre jung, als der Donezker festgenommen und in ein Straflager im prorussischen Separatistengebiet in der Ukraine gebracht wird. Seine erschütternden Erlebnisse dort hat er nach seiner Freilassung in einem Buch mit dem Titel „Heller Weg“ aufgeschrieben. Ich habe den Artikel über dieses Buch gestern beim Kollegen Hubertus Knabe gelesen und ihn direkt angesprochen, ob wie das Zeitdokument übernehmen dürfen.

Dazu müssen Sie wissen, dass ich die Blogs Achse, Reitschuster, Lengsfeld und Knabe regelmäßig lese, weil ich den Eindruck habe, dass es dort nicht nur um ein Geschäftsmodell geht, sondern dass diese Kollegen – sicher auch noch einige andere – einer Mission folgen. Sie fühlen sich persönlich betroffen, sie werden wütend, wenn sie auf Ungerechtigkeiten stoßen und auf die totale Entmenschlichung unliebsamer Zeitgenossen. So wie in diesem Fall, so wie in vielen Straflagern rund um den Erdball, wo Menschen wegen ihrer Überzeugungen, Herkunft, Rasse oder ihres Glaubens schlechter als das Vieh im Stall behandelt werden.

Ich weiß, wie es weitergeht mit diesem Text nachher in den sozialen Netzwerken. Ganz genau. Weil die immer wieder gleichen Reaktionen für unsereins nicht mehr neu sind.

Da wird es welche geben, die bezweifeln, dass die Schilderungen von Stanislav wahr sind. Andere werden schreiben, das sei nur ein bedauerlicher Einzelfall und überhaupt sei Russland toll und mit dem Donbass gar nicht zu vergleichen. Und dann – der Klassiker  – was haben denn die Amis in Abu Ghreib gemacht? So, als würde das alles relativieren, was der junge Sträfling für uns aufgeschrieben hat, damit wir wissen, dass wir sowas niemals mit einem Achselzucken hinnehmen und abtun dürfen.

Hier geht es nicht um Russland und Amerika, und ich werde auch nicht von der CIA bezahlt. Hier geht es um Rechtlosigkeit.

Die Schilderungen aus dem Straflager im Donbass sind krass, aber sie unterscheiden sich im Kern nicht von Alexander Solschenizyn und dem „Archipel Gulag“. Solche Lager gibt es überall in den Lost Places auf diesem Planeten. Weggesperrt, ausgeliefert, rechtlos. Opfer, die man erniedrigen, quälen, vergewaltigen und töten darf, wenn sie nicht wie gewünscht funktionieren. Ausgeliefert der Willkür korrupter Schließer und sadistischer Schweine.

Wir selbst sind auch froh über viele, die eingesperrt werden, weil sie schlimme Verbrechen begangen haben. Weil wir davor bewahrt werden wollen, selbst Opfer solcher Leute zu werden.

Aber nehmen wir das mit den Menschenrechten ernst, die jedem zustehen? Zeigt sich die moralische Überlegenheit des Westens nicht gerade darin, dass wir im Normalfall auch unsere Feinde anständig behandeln? Dass sie Rechte haben, dass sie Briefe empfangen dürfen, Rechtsanwälte haben, selbst ohne Geld bekommen sie Pflichtverteidiger gestellt, weil wir ja ein Rechtsstaat sind.

Mich berührt das Schicksal der jungen Männer und Frauen in solchen Shithole-Gefängnissen sehr. In dem Moment, wo sich die Tore hinter ihnen schließen, sind die ausgeliefert. Und niemand kümmert sich um ihr Schicksal außer die weinenden Mütter zu Hause. Und wenn sie irgendwann rauskommen, dann werden sie sie wieder ein normales Leben führen können.

Mit herzlichen Grüßen,

Ihr Klaus Kelle

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Klaus Kelle, Chefredakteur