Ein Ehrenmann gibt auf
Bei einer Veranstaltung der „Vereinigung jüdischer Republikaner“ war es so weit: „Es ist mir klar geworden: Dies ist nicht die Zeit für mich. Daher habe ich mich nach vielen Gebeten und langer Überlegung dafür entschieden, meine Kampagne (…) zu beenden.“
Mike Pence, ehemaliger Vizepräsident, ehemaliger Gouverneur von Indiana und Kongressabgeordneter konnte während des Wahlkampfs nicht ausreichend Unterstützung gewinnen. Der gelernte Anwalt hatte knapp über eine Million US-Dollar Spenden eingesammelt, aber bereits 600.000 Schulden gemacht. Das Rennen schien für ihn aussichtslos, die Wahrscheinlichkeit später, hoch verschuldet, aussteigen zu müssen, war einfach zu groß.
Verfechter klassischer republikanischer Werte abgeschlagen
In den Umfragen unter den registrierten Republikanern lag Pence weit zurück: Hinter dem mit großem Abstand führenden Donald Trump und dem zweitplatzierten Gouverneur Ron DeSantis sowie dem Milliardär Vivek Ramaswamy fand es sich in etwa gleichauf auf dem vierten Platz mit der ehemaligen Gouverneurin Nikki Haley wieder. Auch seine Auftritte in den beiden Debatten änderten an der Entwicklung nichts.
Der 64jährige Familienvater ist streng gläubig. Der geborene Katholik konvertierte später und wurde nach seiner Hochzeit Mitglied einer evangelikalen Kirche. Er gilt als prinzipientreuer Verfechter klassischer republikanischer Werte in Reagan’scher Tradition: Achtung der Familie und der Rechte der Eltern, schlanker Staat, niedrige Staatsverschuldung. Respekt für die Freiheit des Individuums.
Starkes Außenpolitisches Profil
Pence hat im Gegensatz zu den meisten seiner republikanischen Mitbewerber, vielleicht abgesehen von Nikki Haley und Tim Scott, dem beliebten farbigen Senator aus South Carolina, ein starkes außenpolitisches Profil. Er steht auch hier in der Tradition klassischer republikanischer Politiker, von Ronald Reagan über die Bush-Familie bis hin zu John McCain und Mitt Romney. Neben einem deutlichen Bekenntnis zur NATO und einer konsequenten sicherheitspolitischen Haltung gegenüber Russland und China zählt dazu insbesondere das Einstehen für die Staatlichkeit Israels und das unerschütterliche Streiten gegen Antisemitismus. Die Bühne für die Ankündigung seines Rückzugs war daher nicht zufällig gewählt. In einer Rede bei der Vereinigung Jüdischer Republikaner beendete Mike Pence erst öffentlich seine Bewerbung, um dann kämpferisch für Israel und gegen palästinensischen Terrorismus aufzutreten.
Die mehr als 1000 Zuhörer erhoben sich von ihren Plätzen und applaudierten anhaltend. Die Ankündigung seines Rückzugs quittierten viele mit „Nein“-Rufen und „Mike, we love you!“
Christliche Prinzipien führen ihn und bestimmen seine Entscheidungen
Was hat Mike Pence falsch gemacht?
Ganz ehrlich? Nichts. Er blieb sich und seiner Linie treu. Wie immer in seiner politischen Karriere und wohl auch sonst in seinem Leben. Keiner seiner republikanischen (oder demokratischen) Mitbewerber ist so authentisch wie er. Keine populären Botschaften, kein Aufsehen erregendes Marketing. Stattdessen klare politische Überzeugungen.
Kaum ein anderer heutiger Politiker beruft sich in seinen politischen Entscheidungen noch auf seine christlichen Überzeugungen. Nicht in den USA, und auch sonst irgendwo kaum einer; auch nicht in den europäischen Parteien, die sich christdemokratisch nennen, und in denen dies in den Jahrzehnten nach dem Krieg noch durchaus üblich war.
Mike Pence war und ist anders
Christliche Prinzipien führen ihn und bestimmen seine Entscheidungen. Das betont er immer wieder, auch wenn die linken Medien der USA und der Welt ihn dafür verlachen. Diese, wie die New York Times, CNN, MSNBC oder USA Today, zählten eilfertig (und wohl auch schadenfreudig) die aus ihrer Sicht falschen politischen Überzeugungen des 64jährigen auf. Aber selbst ihre Kommentare enthielten nie den Vorwurf, Pence sei unehrlich oder ihm fehle Geradlinigkeit.
Der ehemalige Gouverneur war auch als Vizepräsident besonnen, hob sich von verbalen Schnellschüssen seines Präsidenten ab. Viele außenpolitische Entscheidungen tragen seine Handschrift, die gelungene Justizreform bestimmte der Jurist maßgeblich. Pence suchte die ausufernde illegale Immigration ins Land jenseits von populären Ankündigungen („Wir bauen eine Mauer!“) sinnvoll einzudämmen und zu verwalten. Und: Als der noch amtierende Präsident von ihm als Vorsitzenden der gemeinsamen Wahlkommission im Januar 2021 forderte, er solle die Auszählung in einzelnen Staaten nicht anerkennen und so den Wahlsieg des Demokraten Joe Biden torpedieren, wies er das Ansinnen zurück.
Eindrucksvoll und erstaunlich seine Begründung: „Ich habe im Januar 2017 im Namen meines himmlischen Vaters einen Eid auf die Verfassung der Vereinigten Staaten geschworen. Diese Loyalität wog schwerer als die Loyalität gegenüber dem Präsidenten.“
Was bedeutet Pences Rückzug für das Kandidatenrennen
Tim Scott, Nikki Haley, Asa Hutchinson, Chris Christie und Ron DeSantis zollten Pence nach seinem Verzicht umgehend Respekt, lobten seine Fairness und hoben auf seine politischen Erfolge ab. Donald Trump allerdings hatte nichts Besseres zu tun, als nun Unterstützung für seine eigene Kampagne einzufordern. Er setzte dann aber hinzu, dass das wohl nicht erfolgen würde. Man müsste in der Politik wohl von Illoyalität ausgehen.
Die Anhänger Mike Pences werden sich sicher weder hinter Donald Trump noch den zum ehemaligen Präsidenten tendierenden Vivek Ramaswamy stellen. Überzeugte Christen können vermutlich mit dem praktizierenden Katholiken DeSantis als auch dem gläubigen Presbyterianer Tim Scott gut leben. Auch deren politische Botschaft ist für moderate Konservative attraktiv, ebenso wie diejenige der ehemaligen Gouverneurin Nikki Haley. Die Unterstützer werden sich eher auf diese drei Kandidaten verteilen. Reicht das? Nein. Dazu waren die Zustimmungswerte für den ehemaligen Vizepräsidenten zu schwach. Es muss mehr passieren, damit der in den Umfragen weit führende ehemalige Ex-Präsident aus New York noch eingeholt werden kann.
Pence hätte dem Land und der Welt gut getan
Den Namen Donald Trumps erwähnte Pence in seinem Wahlkampf nicht. Trotz der scharfen Kritik am ehemaligen Präsidenten auch in den eigenen Reihen durch insbesondere die Gouverneure Asa Hutchinson, Chris Christie („Donald Duck“) und Ron DeSantis stimmte er nicht in den Reigen ein. Illoyalität (da irrt Donald Tump) und der persönliche Angriff gehören nicht zum Repertoire des Mannes aus Indiana.
Die amerikanische Gesellschaft ist nach Jahrzehnten einseitiger linker Propaganda, denen seit etwa zehn Jahren eine zunehmende Anzahl rechter Medien in gleicher Schärfe entgegentritt, zerstritten. Ein Präsident Pence hätte dem Land und den Amerikanern geholfen; und auch den Verbündeten. Seine klare Haltung, seine Erfahrung und seine Zuverlässigkeit in der Innen- und der Außenpolitik wären hilfreich gewesen in einer Welt der globalen Konflikte und in einer amerikanischen Nation, die vor großen Herausforderungen steht.
Mit Pence geht ein Ehrenmann. Diese sind in der Politik rar geworden. Schade.
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